# taz.de -- Schließungen bei Karstadt Kaufhof: „Das ist Drama, Drama, Drama�… | |
> Erika Ritter von Verdi über die angekündigte Schließung der Warenhäuser. | |
> Für die Beschäftigten gibt es nur anderthalb Monatsgehälter Abfindung. | |
Bild: Droht abgebaut zu werden | |
taz: Frau Ritter, in Berlin sollen sechs [1][Filialen von Galeria Karstadt | |
Kaufhof geschlossen werden]. Ist diese Entscheidung endgültig? | |
Erika Ritter: Im Unterschied zu üblichen Kürzungsplänen ist diese nicht | |
gewollt und soll dazu dienen, dass nicht der ganze Betrieb über die Wupper | |
geht. Entsprechend ist es auch noch möglich, etwas zu bewegen. Die | |
Schließungen sind zu einem guten Teil auf erdrückende Mietverträge | |
zurückzuführen. Viele Häuser wurden einst unter dem damaligen Konzernchef | |
Thomas Middelhoff verscherbelt und dann zu exorbitanten Konditionen | |
zurückgemietet. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mietverträge in Ordnung | |
kommen. Die Vermieter stehen vor der Entscheidung: faire Miete oder keine | |
Miete. | |
Geht es nur um die Mietverhältnisse, oder spielt Corona auch eine Rolle? | |
Der Konzern ist schon länger in der Krise und finanziell nicht üppig | |
ausgestattet. Corona hat die Situation verschärft. Ab dem 18. März waren | |
sämtliche Filialen stillgelegt und die Umsätze damit quasi auf null. Weil | |
die Mieten und sonstigen Kosten weitergezahlt werden mussten, ging das an | |
die Liquidität. | |
Wie vielen MitarbeiterInnen droht Jobverlust? | |
In Berlin arbeiten 1.851 MitarbeiterInnen in den Warenhäusern, den | |
Feinkostabteilungen, der Gastronomie, den Reisebüros usw. Von den Plänen | |
sind etwa 1.000 KollegInnen betroffen. Das ist ein Kahlschlag. Da sind noch | |
nicht jene mitgezählt, die in den extern vermieten Flächen der Warenhäuser | |
arbeiten. | |
Wie geht es für die Betroffenen weiter? | |
Es gibt einen Sozialplan, der unter den Bedingungen des Insolvenzrechts | |
vereinbart wurde. Betroffene KollegInnen erhalten anderthalb Monatsgehälter | |
brutto als Abfindung. Das reicht hinten und vorne nicht. Es wird eine | |
Transfergesellschaft geben. Da muss der Eigentümer Geld hinzugeben. Für | |
mindestens sechs Monate sollen die KollegInnen da aufgefangen und für | |
Anschlussjobs qualifiziert werden, am besten bis Corona vorbei ist. Aber es | |
wird schwierig, die MitarbeiterInnen zu vermitteln. Ihr Durchschnittsalter | |
liegt bei Mitte 50. | |
Gibt es Jobs im Einzelhandel? | |
Momentan gar nicht. Der Markt ist extrem leer. Die Pandemie hat viele der | |
Non-Food-Händler in Bedrängnis gebracht, viele MitarbeiterInnen sind in | |
Kurzarbeit. Das Einzige, was brummt, ist der Lebensmittelhandel. Die suchen | |
aber Servicekräfte, die an der Theke bedienen – das können die Warenhäusler | |
aber in der Regel gar nicht. | |
Was fordern Sie vom Staat? | |
In erster Linie wollen wir natürlich so viele Arbeitsplätze wie möglich | |
erhalten. Für jene, die man nicht halten kann, braucht es Angebote zur | |
Betreuung durch die Arbeitsagentur. Der Staat kann sich darüber hinaus | |
finanziell an der Transfergesellschaft beteiligen. Der Senat will zudem | |
prüfen, ob man baurechtlich bei den Filialen etwas machen kann. Einige | |
stehen unter Denkmalschutz. Womöglich könnte aber die Nutzung einer | |
Dachterrasse als Restaurant oder die Teilnutzung der Häuser durch andere | |
Gewerbe auch helfen. | |
Von Verdi hieß es, es hätte noch schlimmer kommen können. Wirklich? | |
Bundesweit standen 80 Filialen auf der Abschussliste, jetzt sind es 62. | |
Aber 6 von 11 Filialen in Berlin und eine geplante, die nicht eröffnen | |
soll, ist ein extrem harter Brocken. Das ist Drama, Drama, Drama. | |
Wie ist die Situation für die verbliebenen Beschäftigten? | |
Wir haben erreicht, dass nicht auch noch 10 Prozent der Beschäftigten in | |
den weiterbestehenden Filialen entlassen werden und keine weiteren Bereiche | |
ausgegliedert werden. Das ist ein wichtiger Erfolg für die KollegInnen. | |
Zudem ist im Tarifvertrag vereinbart, dass sie an der Ausarbeitung eines | |
Zukunftskonzepts für gute und gesunde Arbeit beteiligt werden. Das trägt | |
das Potenzial, aus dem seit Jahrzehnten darbenden Warenhaus etwas | |
Lebendiges zu machen. | |
So wie der geplante Neubau am Hermannplatz? | |
Ich bin nicht gegen das Projekt. Warenhäuser mit dem Charme der 1970er | |
Jahre haben keine Zukunft. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass jetzt | |
Tausende ihre Jobs verlieren. Also müssen wir schauen, ob man Eigentümer | |
Benko anhand dieser Pläne an seine moralische und soziale Verantwortung | |
erinnern kann. | |
22 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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