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# taz.de -- Einwand gegen Bau der A 39: Ortolan versus Autobahn
> Die Autobahn 39 soll von Nichts nach Nirgendwo führen, mitten durch die
> Singgemeinschaften von Emberiza hortulana: Den zu stören ist aber
> verboten.
Bild: Leicht melancholischer Gesang von großer Macht: Der Ortolan kann Autobah…
BREMEN taz | Warum der Ortolan [1][noch nie Vogel des Jahres] war, ist
ungewiss. Aber keine [2][Turteltaube] könnte der Gartenammer – ihr
aparterer Name Ortolan leitet sich von lateinisch hortus, der Garten, ab –
den Titel streitig machen, wenn einträte, was nun der [3][Landesverband der
Bürgerinitiativen Umweltschutz] (LBU) in Niedersachsen aufgrund eines neuen
vogelkundlichen Gutachtens erwartet: Es kann passieren, dass der Ortolan
die Pläne für den Bau der A 39 endgültig [4][stoppt].
Mindestens geht der LBU davon aus, dass es nichts wird mit dem großen
Rastplatz Riestedt für 300 Laster und 80 PKW. An der Stelle nämlich hat
[5][Vogelkundler Jörg Grützmann] nicht nur selbst diesen Mai drei singende
Männchen beobachten können.
Er hat auch nachgewiesen, dass dort seit mindestens 20 Jahren Ortolane
dokumentiert sind. Und „Ortolane zu vertreiben, ist in Niedersachsen
verboten“, erinnert der Ornithologe. Bei der [6][Landesbehörde für
Straßenbau] nimmt man den Einwand ernst: „Die Informationen von Herrn
Grützmann werden aktuell mit den beauftragten Fachplanern ausgewertet“,
versichert Annette Padberg in Lüneburg.
Den Rastplatz killen – das würde nicht reichen, weder
Autobahngeggner*innen, noch Ortolanen. Denn auch 16 Kilometer weiter
südlich zwischen Wieren und Soltendieck unterhalten sie Singgemeinschaften.
So was [7][machen Ortolane nämlich], und das führt zu extremer
Standorttreue: Die Zugehörigkeit wird „von einer Generation an die andere
weitergegeben“, heißt es im Grützmann-Gutachten. Da hindurch eine Autobahn
zu führen, das kann für ein musikalisch anspruchsvolles Tier nicht gut
gehen.
Ohnehin ist die Art in Niedersachsen gefährdet und auch die
Vogelschutzrichtlinie der EU hat Emberiza hortulana [8][gelistet]. Hätte
man deshalb Chancen vorm Bundesverwaltungsgericht? „Oh, unbedingt!“, sagt
Eckehard Niemann von der LBU-Regional-Gruppe Ostheide, der so was ist wie
die Stimme des Widerstands gegen die A 39, seit 17 Jahren schon: „Wir
sind“, sagt er, „die älteste BI gegen ein solches Großprojekt in
Deutschland“.
Und eine der erfolgreichsten: Gebaut von dem Vorhaben sind bislang – null
Kilometer, und mit den [9][Planfeststellungsverfahren] ist die Behörde noch
nicht weit. Drei sind im Gange, drei in Vorbereitung, eins schon wieder in
Neuauflage.
Denn als 2018 ein Beschluss endlich fertig war – der Abschnitt bis Ehra –
zog allen voran der Umweltverband BUND mit den Gegner*innen vors
Bundesverwaltungsgericht. Vergangenen Sommer stoppte das Gericht den Ausbau
[10][vorerst]; „dabei hatten wir da ja nur ziemlich wenig Argumente“, wie
Niemann einräumt. Das sieht in den Ortolan-Gebieten anders aus.
Riestedt, Soltendieck, Ehra, Wieren: Das klingt nach irgendwo im Nirgendwo.
Und das ist Teil des Problems: Denn von Nichts nach Nirgends eine Autobahn
zu bauen war schon 1940 keine so tolle Idee, als es darum ging, die Stadt
des Kraft-durch- Freude-Wagens vierspurig mit Lüneburg zu verbinden.
Auch war die vom Bundestag 1995 in Auftrag gegebene, einzige gründliche und
wirklich ergebnisoffene Evaluierung des Vorhabens, die
„Verkehrsuntersuchung Nordost“ (Vuno), damals „über alle Fachbereiche
übereinstimmend“ [11][zu dem Schluss gekommen]: Die infrastrukturellen
Defizite, um die es ging, würde die A 39 nicht beheben. Dafür aber sei sie
mit „gravierenden ökologischen Risiken verbunden“.
Ökonomisch, landschaftsplanerisch und ökologisch sinnvoller sei es, auf
„zügig geführte Bundesstraßen“ zu setzen. Eindeutiger kann eine Empfehlu…
kaum sein. Die Folge: Mann – in erster Linie [12][Gerhard Schröder (SPD)],
weshalb die ungebaute Strecke den Beinamen Kanzlerautobahn trägt –
entschied sich fürs Gegenteil.
Seither herrscht ein Gutachten-Krieg: Die eine Seite lässt die
regionalwirtschaftlichen Effekte besser, die andere diese schlechter
aussehen. Und während die Industrie- und Handelskammer auf einen miesen
Kosten-Nutzenfaktor von 1:1,9 kommt, hat die Grünen-Fraktion im Landtag
sogar einen vernichtenden von 0,85 errechnen lassen.
Alles unter eins bedeutet: Die Autobahn würde mehr schaden, als sie nützt.
Dass Hamburgs Hafen an Bedeutung verliert, stützt eher die pessimistische
Prognose.
Das Planungsamt hat sich auf die „nicht vollständig zu vermeidenden
Vorkommen des Ortolans“ eingestellt. Sie würden „artenschutzrechtlich und
gebietsschutzrechtlich nach den gesetzlichen Vorgaben gewürdigt“, sagt
Padberg. Man habe fest vor, die nötigen Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen.
Das Amt will Gehölzstreifen schaffen und plant, sich mit Bauern zu
verständigen, die Ackerrandstreifen für den Ortolan extensiv bewirtschaften
könnten. Zwei habe man dafür unter Vertrag, und auch die Funktionsfähigkeit
solcher Maßnahmen sei erprobt und nachgewiesen worden, auf zehn Hektar
zwischen Ostedt und Kroetze – also irgendwo, wo sicher keiner eine Autobahn
baut.
23 Jun 2020
## LINKS
[1] https://vogelschutz-leipzig.de/index.php/vogel-des-jahres/139-vogel-des-jah…
[2] https://www.lbv.de/news/details/turteltaube-ist-der-vogel-des-jahres-2020/
[3] http://www.lbu-niedersachsen.de/
[4] https://keine-a39.blogspot.com/2020/
[5] https://www.nabu-oldenburg.org/arbeitsgemeinschaften/ornithologie-oao/
[6] https://www.strassenbau.niedersachsen.de/startseite/projekte/bundesautobahn…
[7] https://www.researchgate.net/publication/271425141_Ortolan_Bunting_Emberiza…
[8] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A02009L0147-2013…
[9] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/22689/planfeststellung
[10] https://www.bverwg.de/de/pm/2019/55
[11] https://www.yumpu.com/de/document/read/23797706/verkehrsuntersuchung-nord-…
[12] https://www.faz.net/aktuell/stil/trends-nischen/gerhard-und-soyeon-die-sch…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Fehlplanung
Autobahn
Gerhard Schröder
Vogelschutz
Infrastruktur
Niedersachsen
Autobahn
Schwerpunkt Landtagswahlen
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