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# taz.de -- Fußball-Bundesliga zum Einschlafen: Negation des großen Träumens
> Klubs wie Mainz und Augsburg sind die Gewinner der Fußball-Bundesliga.
> Leider ist das ein Symptom der Langeweile.
Bild: Bayern-Langeweile gegen Mainzer Weltklasse, findet man zumindest in Mainz
So viel wurde über Werder Bremen gesprochen, über das [1][Chaos bei Schalke
04] und den BVB, der immer noch der Hybris erliegt, ernster Konkurrent der
Bayern zu sein, dass zwei Erfolgsgeschichten kaum Erwähnung fanden. Der FC
Augsburg feierte am Samstag das zehnjährige Bestehen in der
Männer-Bundesliga. Und Mainz 05 feierte mit einem Seitenhieb auf den FC
Bayern („8x Deutscher Meister? Langweilig!“) den elften Klassenerhalt in
Folge.
Mainz und Augsburg sind in der Liga das, was man gesellschaftlich wohl den
Mittelstand nennen würde. Eine Kaste derer, zu denen die Paderborns gerne
aufschließen würden und zu denen die Wolfsburgs bloß nicht gehören wollen.
Klubs, von denen man am Stammtisch sagt: „Ach, die gibt’s auch noch.“ Der
letzte Kitt zwischen Paderborn und München. Und es ist interessant, dass
gerade diese beiden Klubs den HSV im Oberhaus überlebt haben, dass sie die
Krise trotz geringerer Mittel wohl sicherer überstehen als Schalke 04. Eine
neue Art von Vereinsdenken siegt.
Zu Beginn der Krise sagte Augsburgs Präsident Klaus Hofmann: „Wir haben
vernünftige Kostenstrukturen, und im Gegensatz zu anderen Vereinen können
wir mit diesen Strukturen auch überleben, falls die Saison aus
irgendwelchen Gründen nicht mehr zu Ende gespielt würde.“ Er kritisierte
Klubs mit Hunderten Millionen Euro Umsatz, die ihre
GeschäftsstellenmitarbeiterInnen in Kurzarbeit schicken („Ich fühle mich
wie in einem falschen Film“), forderte Strukturreformen.
Gewiss ist Augsburg strukturell keine Antithese zur Bundesliga. Hofmann kam
nach einer Millionenspende beim FCA in Rang und Würden, und 99,39 Prozent
der Kapitalanteile sind an die Hofmann Investoren GmbH veräußert. Es ist
ein Mäzenatenmodell, wie so viele in der Liga. Aber keines, das davon
träumt, in die Champions League zu kommen. Die offenkundig nachhaltige, auf
Rücklagen basierte Form des Wirtschaftens hat vor größeren Ausschlägen
bewahrt. Meist solide, pragmatisch, ein bisschen öde, zukunftsgewandt: im
deutschen Kader der letzten U21-EM stellte [2][nach SZ-Angaben] die meisten
Spieler, ja, Augsburg.
## Verstanden, was die Bundesliga fordert
Mainz 05 wiederum ist ein Verein, der vielleicht noch früher und
eindrücklicher verstanden hat, was die Bundesliga fordert, besser als die
taumelnden Kolosse Stuttgart und Hamburg. Als erster Verein erklärte Mainz
sich für klimaneutral, ließ seinen CO2-Fußabdruck berechnen und reduzierte
Emissionen. Das mit der Klimaneutralität war zwar wissenschaftlich
Blödsinn, weil viele Faktoren nicht berechnet wurden, aber die Absicht
blieb hängen. Mainz war es auch, das zuletzt Aufmerksamkeit erregte mit der
[3][klugen Reaktion] auf das rassistische Kündigungsschreiben eines Fans.
Und was sagt es nicht alles, dass von den derzeit renommiertesten Trainern
der Welt zwei ihren großen Durchbruch bei Mainz 05 schafften?
Es gibt eine Kehrseite am Erfolg dieses fleißigen Mittelstands, das ist die
Negation des großen Träumens. Dessen, was Werder, Schalke und den HSV
stürzen ließ. Nicht der Kartoffelsuppen-Realismus an sich ist kritikwürdig,
sondern die Tatsache, dass für Klubs eines gewissen Budgets nur dieser noch
erfolgversprechend scheint. So ungleich ist die Bundesliga geworden. Hertha
könnte sich als Nächstes einreihen unter die gefallenen Ikarusse. Es
überlebt, wer, wie der SC Freiburg, durchhält, zehn Jahre nichts anderes
auszurufen als den Nicht-Abstieg.
## Die Umwälzungen haben noch gar nicht begonnen
Die Zeit der traumtänzerischen Zukunftswetten geht mit Corona trotz
Windhorst zu Ende. Der achte Titel des FC Bayern hat eine Sollbruchstelle
offenbart, die sich ohne Superliga oder tiefgreifende Reformen nicht mehr
kitten lässt. Wer meint, die Liga habe das Gröbste überstanden, irrt: Die
durch Corona beschleunigten Umwälzungen haben noch gar nicht richtig
begonnen. Es sind schon viele Systeme an fehlender Perspektive des
Mittelstands zerbrochen.
21 Jun 2020
## LINKS
[1] /Krisengeschuettelter-FC-Schalke-04/!5696404
[2] https://www.sueddeutsche.de/sport/fc-augsburg-gegen-den-ernst-1.4928297
[3] /Antirassismus-Kampagnen-im-Fussball/!5688197
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Fußball
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Abstiegskampf
FSV Mainz 05
Kolumne Press-Schlag
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FC Bayern München
Schalke 04
Deutscher Meister
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