# taz.de -- Proteste gegen den Präsidenten von Mali: 20.000 und der Imam | |
> Wenn Imam Mahmoud Dicko seine Gläubigen ruft, demonstieren sie mit ihm – | |
> aktuell für den Rücktritt des Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta. | |
Bild: Führt gerne Menschen: Imam Mahmoud Dicko | |
Cotonou taz | Die Straßen rund um den Platz der Unabhängigkeit im Zentrum | |
von Malis Hauptstadt Bamako sind voll. Dort, wo Banken und Unternehmen ihre | |
Zentralen haben, das französische Institut sitzt und die Straßen breit und | |
mehrspurig sind, ist am Freitagnachmittag kein Durchkommen mehr. Schon am | |
frühen Nachmittag schätzte die US-Botschaft per Twitter, dass sich rund | |
20.000 Menschen versammelt haben, um gegen die Regierung von Ibrahim | |
Boubacar Keïta (IBK) zu demonstrieren und diesen zum Rücktritt zu zwingen. | |
Corona spielt keine Rolle. Trotz der 1485 positiven Tests und zahlreichen | |
Maßnahmen gegen die weitere Ausbreitung des Virus, interessiert sich | |
niemand für Sicherheitsabstände. Kaum jemand trägt Maske. | |
Was die Demonstrant*innen eint, ist die massive Unzufriedenheit mit der | |
Regierung. Nach Protesten der Tuareg, Staatsstreich und mehrmonatiger | |
Besetzung des Nordens durch islamistische Gruppierungen ist IBK seit 2013 | |
an der Macht. Sein zweites Mandat geht offiziell noch bis 2023. Jetzt | |
fordern die Demonstrant*innen seinen Rücktritt. Auf Plakaten kritisieren | |
andere die Einschränkung von Meinungsfreiheit, die mangelnde Sicherheit von | |
Zivilist*innen, die Korruption, den Verlauf der Parlamentswahlen im März | |
und April. Ein Demonstrant hält ein rotes Plakat mit weißer Schrift hoch, | |
auf dem zu lesen ist: „Diese Regierung ist das Coronavirus für Mali.“ | |
Im Mai bezeichnete die Denkfabrik International Crisis Group (ICG) den | |
Konflikt als unverändert. Im Zentrum des Landes halte die dschihadistische | |
und interkommunale Gewalt an. Dort sowie im Norden komme es zu Machtkämpfen | |
zwischen verschiedenen Terrorgruppen. | |
Einen Überblick zu behalten, wie viele Zivilist*innen dabei ums Leben | |
kommen, ist kaum noch möglich. Dabei sind durch verschiedene Militär- und | |
Anti-Terror-Missionen Tausende internationale Soldat*innen im Land. Erst | |
vor einer Woche hatte auch der Bundestag den [1][Bundeswehreinsatz in Mali | |
verlängert] und entschieden, dass im Rahmen der Ausbildungsmission der | |
Europäischen Union (EUTM) künftig sogar 450 Soldat*innen zu entsenden. 100 | |
mehr als bisher. | |
## Religiöse Anführer sind respektierter als Politiker | |
Einem gelingt es in Mali, die Massen zu mobilisieren: Imam Mahmoud Dicko, | |
der gemeinsam mit Zusammenschlüssen der Zivilgesellschaft und der | |
politischen Opposition zu dem Protest aufgerufen hatte. Dicko war bis 2019 | |
Vorsitzender des islamischen Rates und hat anschließend die CMAS gegründet: | |
die „Koordinierungsstelle der Bewegungen, Vereine und Sympathisanten von | |
Imam Dicko“, seine ganz persönliche Organisation. Eine politische Partei | |
sei das nicht, sondern eine Interessenbewegung, spielte der Imam in einem | |
Gespräch mit der taz im März den Einfluss noch herunter. | |
In Mali, wo sich knapp 94 Prozent der 19,5 Millionen Einwohner*innen zum | |
Islam bekennen, haben religiöse Meinungsführer stets eine Rolle gespielt. | |
Abdoul Kassim Fomba, nationaler Koordinator der Denkfabrik Think Peace in | |
Bamako, sagt: „Die Religiösen haben einen großen Einfluss. Ihnen gelingt | |
es, die Menschen zu mobilisieren. Es sind die Anführer, die man | |
respektiert.“ Über die Politiker*innen lässt sich das nicht sagen: Im | |
Mali-Mètre, der im März veröffentlichten landesweiten Umfrage der | |
Friedrich-Ebert-Stiftung, gaben 37,5 Prozent an, „sehr unzufrieden“ mit der | |
Arbeit des Präsidenten zu sein. Weitere 24,4 Prozent waren „eher | |
unzufrieden“. Seit Jahren klingt mangelndes Vertrauen in und Desinteresse | |
an der Politik bei Gesprächen im Land immer wieder durch. | |
Aus französischer Sicht hat es in diesen Tagen dennoch einen Erfolg im | |
Norden des Landes gegeben. Nach Informationen der französischen | |
Verteidigungsministerin Florence Parly ist es französischen Soldat*innen | |
gelungen, den Anführer der [2][Al Qaida im Islamischen Maghreb (AQMI)], den | |
Algerier Abdelmalek Droukdel, zu töten. | |
Die Gruppe verübt seit Jahren Anschläge im Sahel und war eine von drei | |
Bewegungen, der 2012 die Kontrolle über den Norden des Landes gelang. Nach | |
Informationen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen war Droukdel ein | |
Experte für Sprengstoff. Die von ihm gebauten Sprengstoffsätze sollen | |
Hunderte Zivilisten getötet haben. Seine salafistische Gruppe für Gebet und | |
Kampf (GSPC), die er ab Mitte 2004 anführte, hatte sich 2006 dem | |
Al-Qaida-Netzwerk angeschlossen. | |
6 Jun 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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