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# taz.de -- Umgang mit Corona in Frankreich: Eine Krise – dreifaches Nachspiel
> Das schlechte Abschneiden Frankreichs in der Pandemie beschäftigt nun
> drei Untersuchungsausschüsse. Außerdem ermittelt die Justiz.
Bild: Drei Untersuchungsausschüsse prüfen in Frankreich den Umgang in der Cov…
Paris taz | Krankenhäuser am Limit, fehlende Schutzausrüstung und eine
Bilanz von mehr als 29.000 Toten: Frankreich war von der Pandemie stark
betroffen. Nach starker Kritik am Umgang mit der Krise sollen gleich drei
Untersuchungsausschüsse in Frankreich prüfen, wie die Behörden vor, während
und zur Beendigung der Covidkrise gehandelt haben.
Erst hatten sowohl die Abgeordneten der Nationalversammlung als auch die
Senatoren je eine parlamentarische Kommission angekündigt; der Ausschuss
der Nationalversammlung startet am Dienstag mit den Anhörungen. Nun hat
aber auch die Regierung ihren Wunsch nach einer „unabhängigen und
kollegialen“ Untersuchung durch bisher nicht bekannte Experten bekannt
gegeben.
Die linke und rechte Opposition ist empört über diesen Wunsch – da werde
eine der elementarsten Aufgaben des Parlaments infrage gestellt, nämlich
die Kontrolle der Regierungstätigkeit im Auftrag der Wähler. Diese
„Pseudokommission“ sei „deplatziert“ und staatsrechtlich „bizarr“, …
Damien Abad, Abgeordneter der rechten Oppositionspartei Les Républicains
(LR).
„Abgesehen davon, dass es ein Schwindel ist, stört mich daran die
offensichtliche Absicht, letztlich mit einem Expertenkomitee die Dinge zu
vertuschen“, meint der konservative Abgeordnete. Der sozialistische Senator
Patrick Kanner sieht im außerparlamentarischen Ausschuss einen neuen Beweis
dafür, dass Präsident Emmanuel Macron für die Parlamentsarbeit bloß
„Verachtung“ habe.
Tatsächlich dürfte Frankreichs Staatsführung noch in guter Erinnerung
seine, wie eine Senatskommission in der sogenannten Benalla-Affäre
hochrangigen Élysée-Mitarbeitern unbarmherzig alle peinlichen und brisanten
Fragen gestellt hat – und so die Protektion des ehemaligen
Sicherheitsverantwortlichen des Präsidenten entlarvt hatte. Von einem
Ausschuss der Nationalversammlung mit einer großen Mehrheit der
Regierungskoalition dagegen hat die Staatsführung viel weniger zu
befürchten als vom Senat, wo Macrons Partei La République en marche (LREM)
bisher nur ganz wenige Sitze hat.
Die vom LR-Senator, einem ehemaligen Arzt, geleitete Senatskommission plant
bereits, den derzeitigen Regierungschef sowie drei seiner Vorgänger
vorzuladen. Auch sollen alle Gesundheits- und Sozialminister von 2010 bis
heute angehört werden, um zu prüfen, wie sie ihrer Verantwortung gerecht
wurden – oder eben nicht.
## Justiz ermittelt wegen „fahrlässiger Tötung“
Der von der Regierung eingesetzte Ausschuss soll „überparteilich“ sein,
wird aber von der LREM-Abgeordneten Brigitte Bourguignon präsidiert, die
bereits vorausschickt: „Wir möchten alle besser verstehen, um besser
Antworten zu finden. Unsere Kommission ist nicht unbedingt dazu da,
Schuldige zu nennen, sondern zu begreifen, warum Dinge nicht funktioniert
haben und manchmal auch, was geholfen hat, weitere Dramen zu verhindern.“
Um Schuld oder Unschuld geht es dagegen bei den Ermittlungen der
französischen Justiz. Die ermittelt nach zahlreichen Klagen wegen
„fahrlässiger Tötung“, meistens gegen „unbekannt“. Rechenschaft verla…
etwa Angehörige von Covid-19-Opfern in Altenheimen und Krankenhäusern, aber
auch Ärzte und andere Beschäftigte des Gesundheitswesens, die ohne
ausreichenden Schutz an die „Front“ des von Macron mit Pathos erklärten
„Kriegs“ geschickt wurden.
Für bisher rund 80 namentliche Klagen gegen Regierungsmitglieder ist eine
gewöhnlich sehr langsame Sonderinstanz zuständig, die Cour de justice de la
République. Der Staatschef genießt in Frankreich eine verfassungsrechtlich
garantierte Immunität.
Gleich drei Kommissionen muten zwar grotesk an, aber die Untersuchungen
folgen auf einen massiven Vertrauensverlust. In keinem anderen europäischen
Land stieß die Staatsführung mit ihrer Coronapolitik auf ein so großes
Misstrauen wie in Frankreich. Freilich hatte sich schon vorher etwa wegen
der umstrittenen Rentenreform viel Unmut angesammelt. Doch das zögernde Hin
und Her der Regierung, die organisatorischen Mängel in der Prävention und
der Skandal des bis heute geleugneten Mangels an Masken und Tests hatte die
Glaubwürdigkeit Macrons zusätzlich untergraben.
## Erste Runde der Kommunalwahlen war heftig umstritten
Umstritten war und bleibt vor allem unter den Regierungskritikern auch die
Durchführung der ersten Runde der Kommunalwahlen am 15. März, als wegen der
sich ausbreitenden Epidemie bereits Cafés und Restaurants geschlossen waren
und zwei Tage danach strenge Ausgangsbestimmungen angeordnet wurden. Die
Beteiligung lag um 20 Prozent tiefer als normalerweise erwartet.
[1][Jetzt werden am 28. Juni in rund 5.000 Städten, in denen die
Entscheidung nicht auf Anhieb gefallen war, die Stichwahlen organisiert].
Das gibt den Stimmberechtigten dort die Gelegenheit, im Wahllokal indirekt
ihr eigenes Urteil zur Regierungspolitik zu fällen. Die Ausgangslage für
die LREM-Listen ist nicht vielversprechend. Aufgrund der Ergebnisse des
ersten Durchgangs dürfte die Regierungspartei in keiner größeren Stadt das
Bürgermeisteramt erobern. Für [2][diese erwartete Schlappe von LREM] ist
die Ansicht der Bürger zur Coronapolitik aber nur ein Teil der Erklärung.
15 Jun 2020
## LINKS
[1] /Kommunalwahlen-in-Frankreich/!5687525&s=Rudolf+Balmer+Frankreich/
[2] /En-Marche-in-Frankreichs-Parlament/!5687058&s=Rudolf+Balmer+Frankreich/
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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