# taz.de -- Corona-Notstand in Ungarn: Orbán entmächtigt sich wieder | |
> Im Juni sollen die Corona-Sondervollmachten des Regierungschefs ein Ende | |
> haben. Für die war Budapest international heftig kritisiert worden. | |
Bild: Viktor Orbán während einer Pressekonferenz im März | |
WIEN taz | Viktor Orbán entmächtigt sich. Am Dienstag hat Ungarns Regierung | |
einen Antrag zur Beendigung des Coronavirus-Notstands ins Parlament | |
gebracht. Nach zwei Monaten soll der Notstand im Juni beendet werden. Mit | |
dem Ermächtigungsgesetz vom 30. März hatte sich das Parlament selbst | |
entmachtet. Premier Orbán konnte nach Belieben per Verordnung regieren. | |
Schon vor zwei Wochen hatte der nationalkonservative Regierungschef bei | |
einem Besuch in Belgrad am Rande eines Gesprächs angekündigt, es sei an der | |
Zeit, die Ermächtigung „zurückzugeben“. Ungarn mit seinen etwa zehn | |
Millionen Einwohnern ist relativ glimpflich durch die Coronakrise gekommen. | |
Das marode Gesundheitssystem wurde nicht dem befürchteten Stresstest | |
ausgesetzt. Rund 11.600 Menschen befinden sich nach offiziellen Angaben in | |
angeordneter Quarantäne, 499 sind gestorben. Trotzdem ist der Lockdown in | |
Ungarn erst ansatzweise gelockert worden. | |
Orbán und seine rechtskonservative Fidesz hatten argumentiert, die | |
Vollmachten seien notwendig, damit die Regierung schnell reagieren und | |
Menschenleben retten könne. Die Kritiker in den Oppositionsparteien und der | |
Zivilgesellschaft wurden als „Lebensgefährder“ gebrandmarkt. | |
## Justizministerin fordert Entschuldigung | |
Bei der Kabinettssitzung am Montag sei die Aufhebung der Sondervollmachten | |
zentrales Thema gewesen, bestätigte Justizministerin Judit Varga. Ungarn | |
habe eine „sehr gefährliche und schwierige Periode durchgemacht“. Der | |
Opposition warf sie vor, „gemeinsam mit den liberalen Medien im In- und | |
Ausland eine nie dagewesene Desinformationskampagne“ geführt zu haben. | |
Dafür forderte sie eine Entschuldigung ein. | |
[1][Ungarn war international heftig kritisiert worden]. Regierungschef | |
Orbán musste sich auch in der EU vorwerfen lassen, er heble die Demokratie | |
aus. Eine plausible Erklärung, warum anders als in teils viel schwerer | |
betroffenen Ländern in Ungarn der Krise nur mit unbefristeten | |
diktatorischen Vollmachten beizukommen sei, blieb Orbán schuldig. | |
## Seit März 100 Verordnungen – nicht alle mit Corona-Bezug | |
Teil des Corona-Gesetzespakets war ein Gesetz gegen die Verbreitung von | |
Fake News, das allerdings auch die Verbreitung von Fakten unter Strafe | |
stellt, wenn diese „so dargestellt werden, dass sie die Bevölkerung | |
verunsichern“. In diesem Zusammenhang wurden zwei Blogger von der Polizei | |
festgenommen, aber dann wieder freigelassen. | |
Auch das Demonstrationsverbot wurde extrem ausgelegt. Medien berichteten | |
von einem Rentner, der aus dem Autofenster heraus eine EU-Fahne geschwenkt | |
hatte. Ihm wurde eine Strafe von 400 Euro aufgebrummt. | |
Insgesamt hat Premier Viktor Orbán seit Ende März mehr als 100 Verordnungen | |
erlassen, von denen viele nichts mit der Coronakrise zu tun haben. Als | |
Begründung für die Sondervollmachten war ursprünglich angegeben worden, | |
dass das Parlament krisenbedingt nicht zusammentreten könne. Das tagte | |
allerdings nahezu normal und [2][fand auch Zeit, die rechtliche Anerkennung | |
von Transsexuellen abzuschaffen]. | |
26 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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