# taz.de -- Jahrestag des Mordes an Walter Lübcke: Nicht hinter dem Helden ver… | |
> Der von Nazis ermordete Walter Lübcke bleibt ein Vorbild – vor allem, | |
> wenn man an die Beamten denkt, die im Kampf gegen rechts versagt haben. | |
Bild: Walter Lübcke | |
In der vergangenen Woche [1][haben wir der Ermordung von Walter Lübcke | |
gedacht.] Der Kassler Regierungspräsident wurde in der Nacht vom 1. auf den | |
2. Juni 2019 von einem Neonazi erschossen. Hessens Innenminister Beuth | |
(CDU) versicherte zum Jahrestag, Lübckes Tod sei „[2][ein dauerhafter | |
Auftrag zum entschlossenen Kampf gegen Hass und Extremismus“]. | |
Walter Lübcke war Beamter. Im Oktober 2015 leitete er in seiner Funktion | |
eine Bürgerversammlung zu einer geplanten Flüchtlingsunterkunft, die von | |
Rechtsextremen des Kassler Pegida-Ablegers zu Propagandazwecken missbraucht | |
wurde. | |
Lübcke hielt ihnen entgegen: „Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da | |
muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann | |
jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist | |
die Freiheit eines jeden Deutschen.“ Als er [3][in einem Zeitungsinterview | |
auf Rücktrittsforderungen wegen dieser Aussage angesprochen wurde], | |
antwortete Lübcke: „Regierungspräsidenten können nicht zurücktreten, weil | |
sie vom Ministerpräsidenten eingesetzt und abberufen oder entlassen | |
werden.“ | |
Walter Lübcke war dabei CDU-Mitglied und ein durch und durch politischer | |
Mensch. Schon in den 1990er Jahren in Thüringen engagierte er sich für die | |
politische Bildung von Jugendlichen und gegen rechte Strukturen. Lübcke | |
stand auf der sogenannten Todesliste des NSU. | |
## Und Maaßen? Und Temme? | |
Und doch tun wir ihm und seinem Andenken – aber vor allem uns selbst und | |
unserer Zukunft – keinen Gefallen, wenn wir, [4][wie zum Jahrestag | |
reichlich geschehen], betonen, dass Lübcke deswegen von Nazis ermordet | |
worden sei, weil er „sich für Flüchtlinge eingesetzt“ habe oder „wegen | |
humaner Flüchtlingspolitik“. | |
Walter Lübcke wurde ermordet, weil er vor Ort seine Pflicht getan hatte. | |
„Ich schwöre, dass ich das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland | |
und die Verfassung des Landes Hessen sowie alle in Hessen geltenden Gesetze | |
wahren und meine Pflichten gewissenhaft und unparteiisch erfüllen werde.“ | |
Wenn andere, von Hans-Georg Maaßen [5][bis zum ehemaligen Kassler | |
Verfassungsschützer Andreas Temme], das auch getan hätten, dieses Land sähe | |
heute anders aus – und viele, die ermordet wurden, könnten noch leben. | |
Nichts ist verkehrt daran, Walter Lübcke einen Helden zu nennen; aber das | |
darf nicht uns und vor allem nicht den Zuständigen in den Institutionen als | |
Entschuldigung dienen, ihm in der alltäglichen, unbedingten Verteidigung | |
von Demokratie und Menschenrechten nicht nachzueifern. | |
6 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Jahrestag-des-Mords-an-Walter-Luebcke/!5690128 | |
[2] /Nach-dem-Luebcke-Mord/!5625100 | |
[3] https://www.hna.de/lokales/kreis-kassel/lohfelden-ort53240/nach-umstrittene… | |
[4] https://www.deutschlandfunk.de/fall-luebcke-hasskommentare-verdaechtige-auc… | |
[5] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/mordfall-luebcke-und-nsu-immer-w… | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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