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# taz.de -- Sky-Serie „Penny Dreadful“: Nette Nazis
> Mit dem Spin-Off „City of Angels“ geht die Reihe in eine neue
> Inkarnation. Dabei werden Handlung und Figuren dem Sujet nicht immer
> gerecht.
Bild: Natalie Dormer als Dämonin Magda
Die eskalierenden [1][Proteste, wie sie in diesen Tagen die Nachrichten aus
den USA bestimmen], konnte John Logan kaum vorhergesehen haben. Es sei
denn, der Serienschöpfer verfügte über übernatürliche Kräfte wie einige d…
Figuren in seinem „Penny Dreadful“-Universum. Der nach drei Staffeln
abgeschlossenen Serie hat er nun einen Spin-off spendiert. „Penny Dreadful:
City of Angels“ spielt nicht länger in London, sondern in Los Angeles, ein
knappes halbes Jahrhundert später.
1938 sollen dort die Wohnhäuser mexikanischer Migranten einem Highway
weichen, die Bulldozer stehen vor der Haustür. Und die Straßenschlacht
zwischen den gedemütigten People of Color und den weißen, von einem
rassistischem Korpsgeist geprägten Polizisten: Das lässt sich kaum
anschauen, ohne es mit aktuellen Nachrichten kurzzuschließen.
Nun ist „Penny Dreadful“ ein Serienprodukt des Genres Horror. Die allzu
sehr in Richtung Pulp und Kintopp tendierende Fiktionalisierung eines sehr
ernsten historischen Themas – des Holocaust – wurde der Amazon-Serie
„Hunters“ jüngst um die Ohren gehauen. So weit, KZ-Insassen als lebende
Schachfiguren zu inszenieren, geht Logan in „City of Angels“ zwar nicht.
Und selbst wenn es okay sein sollte, selbst solche diffizilen, mit realem
Leid verbundene Topoi für mutwillig (edel-)trashige Genreware nutzbar zu
machen – wäre es allzu beckmesserisch zu fragen: Wozu das alles?
Da wird in „City of Angels“ mit enormem Aufwand eine vergangene Epoche bis
in jedes wunderbar anzuschauende Detail rekonstruiert. Da wird am Beispiel
eines ehrgeizigen Stadtrats (Michael Gladis), der das Highway-Projekt
vorantreibt, exemplarisch vorgeführt, wie Demagogie funktioniert. Nur damit
man dann sieht, wie eine böse Dämonin (Natalie Dormer) ihn ebenso
manipuliert wie etwa den Polizisten, der bei der Straßenschlacht den ersten
Schuss abgibt. Was will uns John Logan damit sagen? Sieht er nicht, dass er
die Verantwortlichkeit der Demagogen und Schützen relativiert?
Die Dämonin tritt mal – für das Serienpersonal – unsichtbar in schwarzer
Lederkluft auf, dann in verschiedenen Undercover-Verkleidungen: als
Sekretärin jenes Stadtrats; als an den Beschützerinstinkt eines furchtbar
netten Arztes (Rory Kinnear) appellierender Vamp mit deutschem Akzent, der
genauso falsch ist wie der des Arztes, der sich als deutschamerikanischer
Nazi und Isolationist („America first“) entpuppt.
Echt ist nur der Akzent von Thomas Kretschmann, der hier einen adretteren,
cooleren Nazi gibt als gerade erst in „Das Boot“. Die Nazis sind in der
Stadt der Engel entweder furchtbar nett oder wahnsinnig cool. Sie werden
gejagt von einer kleinen Gruppe jüdischer Senioren, ihr Anführer (Nathan
Lane) ist zugleich Polizist und Partner des ersten „Chicano detective“
(Daniel Zovatto) im L. A. Police Departement, der als solcher zwischen
allen Fronten steht.
In der Bar ordern die beiden, die außerdem einen bösen Ritualmord an einer
ganzen Familie aufzuklären haben, Gimlet, den bevorzugten Cocktail von
Philip Marlowe. Bei allem Horror ist L. A. nicht zuletzt die Hauptstadt des
Film noir – und Polanskis „Chinatown“ nur einer von zahlreichen Vorläufe…
aus denen Logan sein ausuferndes Mash-up zusammengemixt hat. In dem der
Rassismus nur eines unter (zu) vielen Motiven ist.
8 Jun 2020
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## AUTOREN
Jens Müller
## TAGS
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