# taz.de -- Seehofer präsentiert Polizeistatistik: Politische Kriminalität ni… | |
> Die meisten Verbrechen kamen 2019 von rechts, auch die Zahl | |
> antisemitischer Taten stieg. Beratungsstellen zählen aber viel mehr Fälle | |
> als die Polizei. | |
Bild: Hier wütete rechter Terror: Ein Mann legt eine Kerze nieder an der Mauer… | |
Berlin taz | „Besorgniserregend“ findet Judith Porath die Zahlen zur | |
politisch motivierten Kriminalität, die Bundesinnenminister Horst Seehofer | |
(CSU) am Mittwoch vorgestellt hat. Und das nicht nur wegen der einzelnen | |
Taten. Porath geht davon aus, dass die Anzahl der rechts motivierten | |
Gewalttaten, die das Bundeskriminalamt aufgelistet hat, viel zu niedrig | |
ist. „Es gibt eine große Untererfassung“, sagt sie. | |
Porath ist Vorstandsfrau im Dachverband der Beratungsstellen für Betroffene | |
rechter Gewalt. Und diese haben deutlich mehr Gewalttaten aus dem rechten | |
Spektrum registriert. „Plakativ gesagt kommt das Innenministerium auf drei | |
Taten pro Tag, nach unseren Erkenntnissen sind es aber fünf.“ | |
Laut der Behördenstatistik, die Straftaten bereits beim Anfangsverdacht | |
erfasst, gab es im vergangenen Jahr bundesweit 986 Gewalttaten [1][mit | |
rechts motiviertem Hintergrund.] Das ist ein Rückgang im Vergleich zu 2018 | |
um fast 15 Prozent. Allerdings gab es 2019 drei tödliche Angriffe: den Mord | |
an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und den Anschlag auf | |
die Synagoge in Halle, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen. | |
Der Dachverband hat insgesamt 1.347 Gewalttaten allein in den acht | |
Bundesländern registriert, in denen die Beratungsstellen arbeiten. Der | |
Unterschied, so Porath, liege auch an mitunter anderen Erfassungskriterien | |
und daran, dass manche Opfer keine Anzeige bei der Polizei erstatten, wohl | |
aber Hilfe bei Beratungsstellen suchen. Wichtiger aber aus ihrer Sicht: | |
„Wir haben weiterhin ein großes Wahrnehmungsproblem bei der Polizei: Der | |
politische Hintergrund wird oft nicht gesehen oder negiert.“ Immerhin: Auch | |
nach den Beobachtungen der Beratungsstellen ist die Anzahl der | |
rechtsextremen Gewalttaten zurückgegangen. | |
## 13 Prozent mehr antisemitische Taten | |
Nimmt man allerdings nicht nur die Gewaltdelikte, sondern alle politisch | |
motivierten Straftaten, ist deren Anzahl im vergangenen Jahr weiter | |
angestiegen und liegt nun auf dem zweithöchsten Stand, seitdem die | |
Statistik 2001 eingeführt wurde. Nur 2016 waren es mehr. „Die größte | |
Bedrohung kommt dabei von rechts“, betonte Seehofer. Mehr als die Hälfte | |
aller erfassten politischen Straftaten habe einen rechten Hintergrund. | |
Insgesamt waren das im vergangenen Jahr 22.342 Delikte und damit 9,4 | |
Prozent mehr als im Jahr zuvor. Neben den Gewaltdelikten gehören dazu | |
Propagandataten, Volksverhetzung oder Sachbeschädigung. | |
Bei den Straftaten mit linkem Hintergrund ist die Steigerung höher, die | |
absolute Zahl aber deutlich niedriger: Hier wurden beim BKA im vergangenen | |
Jahr 9.849 Delikte registriert, 23,7 Prozent mehr als 2018. Der Vorsitzende | |
der Innenministerkonferenz, Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD), | |
sprach bei der Vorstellung der Statistik von vermehrten Konfrontationen | |
zwischen Rechten und Linken, „die mich persönlich mit großer Sorge | |
erfüllt“. | |
Deutlich zugenommen haben die [2][antisemitischen Straftaten]. Die Behörden | |
verzeichneten hier einen Anstieg um 13 Prozent auf 2.032 Delikte. Davon | |
waren nach Erkenntnissen der Polizei 93 Prozent [3][rechts motiviert]. Die | |
Zahl der als islamfeindlich eingestuften Straftaten stieg um 4,4 Prozent | |
auf 950 Delikte. 90 Prozent der Täter kommen hier aus dem rechten Spektrum. | |
Deutlich zurück ging im vergangenen Jahr die Anzahl der islamistisch | |
motivierten Straftaten – um mehr als ein Viertel auf 425 Delikte. Ein Grund | |
dafür könnte die Ernüchterung der Anhänger des „Islamischen Staates“ du… | |
dessen Niederlagen in Syrien und im Irak sein. | |
„Besonders besorgt sind wir über den massiven Anstieg antisemitischer | |
Gewalt“, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung. | |
„Hass und Hetze führen zu Enthemmung. Ein gesellschaftliches Klima, in dem | |
rassistische und antisemitische Äußerungen Alltag sind, entlädt sich in | |
Gewalttaten.“ Auch Reinfrank geht davon aus, dass zahlreiche Fälle rechts | |
motivierter Kriminalität in der Statistik gar nicht auftauchen. | |
27 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
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