| # taz.de -- Debatte um Achille Mbembe: Schiefe Optik | |
| > Eine ernsthafte Beschäftigung mit BDS würde wenig Spielraum für eine | |
| > Verteidigung Achille Mbembes lassen. | |
| Bild: Der Philosoph Achille Mbembe | |
| Würde man zur Causa [1][Achille Mbembe] nur den kürzlich in dieser Zeitung | |
| erschienenen [2][Beitrag von Daniel Bax] kennen, man müsste sich fürchten: | |
| Eine Phalanx aus „Diskurswächtern“ habe sich zusammengetan, um einem | |
| kritischen Wissenschaftler den Mund zu verbieten. Die Meinungsfreiheit sei | |
| in Gefahr. Und all das nur, weil sich Mbembe kritisch über die israelische | |
| Politik geäußert und sich im Dunstkreis der harmlosen Friedensinitiative | |
| Boycott, Divestment and Sanctions (BDS) bewegt habe. | |
| Bevor es hier um das geht, was Mbembe gesagt hat, soll hier kurz vorweg | |
| erörtert werden, was BDS fordert. Denn erstaunlich an dieser Debatte ist, | |
| dass die Freunde des kamerunischen Historikers hartnäckig über die Inhalte | |
| und Positionen von BDS schweigen. Nicht zufällig, denn eine ernsthafte | |
| Beschäftigung mit BDS würde wenig Spielraum für eine Verteidigung Mbembes | |
| lassen. | |
| Dass es sich [3][bei BDS] nicht um eine harmlose Ansammlung von | |
| Friedensaktivisten handelt, die für die Rechte der Palästinenser eintreten, | |
| macht ein Blick auf ihre zentralen Forderungen klar: Die erste ist, dass | |
| die „Besetzung und Kolonisation allen arabischen Landes beendet und die | |
| Mauer“ abgerissen werden müsse. BDS lässt bewusst offen, was mit | |
| „arabischem Land“ gemeint ist. Die deutschen BDS-Gruppen haben diesen Punkt | |
| dahin gehend präzisiert, dass damit die von Israel im Sechstagekrieg | |
| eroberten Gebiete gemeint sind, was sie allerdings nicht davon abgehalten | |
| hat, den Aufruf mit der ursprünglichen Formulierung zu unterzeichnen. Es | |
| ist davon auszugehen, dass mit „arabischem Land“ auch Tel Aviv und Haifa | |
| gemeint sind – was bliebe dann übrig vom jüdischen Staat? | |
| Die zweite Forderung ist die Gleichbehandlung israelischer Araber. An | |
| dieser Stelle wird Israel regelmäßig „Apartheid“ vorgeworfen. Dazu ist | |
| anzumerken, dass alle Israelis, auch die arabische Minderheit, in Israel | |
| die gleichen unveräußerlichen Grundrechte besitzen. Haben arabische | |
| Israelis trotzdem mit Diskriminierungen und Benachteiligungen zu kämpfen? | |
| Ganz gewiss, so wie Minderheiten in jeder anderen westlichen Demokratie | |
| auch. Wer hier aber allen Ernstes von „Apartheid“ spricht, hat | |
| offensichtlich keine Ahnung von Begriff und System der Apartheid, verhöhnt | |
| ihre Opfer und offenbart ebenso eine eklatante Unkenntnis der israelischen | |
| Gesellschaft. | |
| Die letzte zentrale Forderung von BDS ist das uneingeschränkte | |
| Rückkehrrecht der palästinensischen „Flüchtlinge“. Der Begriff | |
| „palästinensische Flüchtlinge“ bezieht sich – anders als bei anderen | |
| Flüchtlingsgruppen – nicht nur auf die Geflohenen selbst, sondern auch auf | |
| deren Nachkommen unabhängig von der realen Lebenssituation, in der sie sich | |
| befinden. In letzter Konsequenz verbirgt sich auch dahinter ein | |
| Vernichtungswunsch in Bezug auf den jüdischen Staat, würde eine „Rückkehr�… | |
| von Millionen Palästinensern in das israelische Kernland doch das Ende | |
| Israels als jüdischer Staat und als Schutzort für Juden bedeuten. | |
| Absurd, dass Bax nun [4][ausgerechnet Roger Waters] als Gewährsmann für die | |
| Honorigkeit von BDS anführt. Dieser präsentiert bei seinen Auftritten schon | |
| mal [5][ein aufblasbares Schwein mit aufgedrucktem Davidstern] und hat erst | |
| kürzlich in einem Song zur Zerstörung Israels aufgerufen. | |
| Wer also nun unter dem Label BDS agiert, der macht sich, gewollt oder | |
| nicht, die oben dargestellten Forderungen zu eigen, denn es gibt nur diese | |
| eine BDS-Kampagne. Auch ist es nicht so, dass diese zentralen Positionen | |
| von BDS schwer zugängliches Expertenwissen wären. Ganz im Gegenteil kann | |
| sie jeder auf den einschlägigen Internetseiten nachlesen, auch Achille | |
| Mbembe. | |
| Insofern kann Mbembe auch nicht behaupten, nicht gewusst zu haben, was er | |
| dort unterstützt. Und er hat es nicht bei verbaler Unterstützung belassen. | |
| Vielmehr hat er, wie erst kürzlich bekannt wurde, für die Ausladung einer | |
| israelischen Wissenschaftlerin bei einer Konferenz gesorgt, nur weil sie | |
| Israelin ist, eine Petition unterschrieben, die einen akademischen Boykott | |
| Israels forderte, und 2015 ein Vorwort zu einem Buch verfasst, dessen Erlös | |
| der Organisation The Palestinian Campaign for the Academic and Cultural | |
| Boycott of Israel zugutekam, die zu [6][den Gründungsmitgliedern von BDS] | |
| gehört. Dafür, dass er nach wie vor behauptet, [7][keinerlei Beziehungen zu | |
| BDS zu haben], sind das überraschend viele Überschneidungen. Erhellend ist | |
| auch, was er in dem erwähnten Vorwort schrieb. So bezeichnet er den | |
| israelisch-palästinensischen Konflikt als größten „moralischen Skandal des | |
| 21. Jahrhunderts“. Schon diese schiefe Optik wirft Fragen auf. | |
| Hat Mbembe noch nie vom Bürgerkrieg in Syrien gehört? Oder vom Bürgerkrieg | |
| im Jemen und der dort anhaltenden Hungersnot? Und um weitaus dramatischere | |
| Konflikte zu finden, muss sich Mbembe nicht mal mit dem Nahen Osten | |
| beschäftigen. Dem Hochschullehrer in Südafrika sollte ein Blick über die | |
| Grenze nach Simbabwe genügen, wo Robert Mugabe über Jahrzehnte grausam | |
| geherrscht hat. Und was hat der Historiker zu der humanitären und | |
| ökologischen Katastrophe am Tschadsee zu sagen? Wo bleibt die moralische | |
| Entrüstung über die misogynen Faschisten von Boko Haram? Zu alldem hat er | |
| sich wenig oder nicht geäußert. Nur der israelisch-palästinensische | |
| Konflikt erregt offenbar so sehr Mbembes Zorn, dass er fordert, Israel | |
| „global zu isolieren“. Es ist nicht bekannt, dass er so etwas in anderen | |
| Fällen gefordert hätte. Das sagt mehr über ihn aus als über den Konflikt. | |
| Und natürlich kann Mbembe sich auch hierzulande nach wie vor jederzeit | |
| kritisch über die israelische Politik äußern. Niemand verbietet ihm die | |
| Einreise oder beschneidet sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Worauf es | |
| allerdings kein Grundrecht gibt, ist, mit solch antizionistischen | |
| Positionen eine durch Steuergelder geförderte Bühne zu bekommen. | |
| 28 May 2020 | |
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| [4] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.streit-um-davidstern-roger-wa… | |
| [5] https://www.jpost.com/diaspora/antisemitism/roger-waters-sings-well-take-ba… | |
| [6] https://www.bdsmovement.net/pacbi | |
| [7] https://www.deutschlandfunkkultur.de/achille-mbembe-antwortet-kritikern-die… | |
| ## AUTOREN | |
| Remko Leemhuis | |
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