# taz.de -- Haftars Niederlage in Libyen: Die Söldner ziehen ab | |
> Über 1.000 Russen und Syrer verlassen die Kriegsfront im Westen Libyens. | |
> Haftars Belagerung der libyschen Hauptstadt geht zu Ende. | |
Bild: Regierungstreue Kämpfer auf der eroberten Luftwaffenbasis Watia am 18. M… | |
TUNIS taz | Nach mehreren Niederlagen zieht die Libysche Nationalarmee | |
(LNA) von General Chalifa Haftar ihre ausländischen Söldner und | |
Militärberater aus Westlibyen ab. Drei Antonow-Militärtransporter landeten | |
am Sonntag auf dem Flughafen von Bani Walid südlich der Hauptstadt Tripolis | |
und flogen über 1.100 von der Front abgezogene russische und syrische | |
Kämpfer nach Bengasi, Haftars Hochburg im Osten des Landes. | |
Auf Handyvideos ist zu sehen, wie uniformierte Männer in Bani Walid | |
Propellermaschinen besteigen. Augenzeugen berichten der taz, dass russische | |
Kampfflugzeuge die Evakuierung begleiteten. Mohamed al-Haddat, der | |
regionale Kommandeur der in Tripolis amtierenden Regierung von | |
Ministerpräsident Fajis Sarradsch, hatte am Morgen den Befehl erteilt, | |
nicht auf die Flugzeuge zu schießen. | |
Insgesamt, so berichtete Haddat seinen Offizieren in Misrata, haben 400 | |
LNA-Fahrzeuge die Front vor Tripolis verlassen. Sie werden auf dem Landweg | |
nach Bengasi fahren, ohne angegriffen zu werden, sagte er nach Angaben aus | |
Teilnehmerkreisen. | |
Die drei Luftabwehrsysteme des russischen Typs Pantsir am Flughafen von | |
Bani Walid sind ebenfalls per Landstraße auf dem Weg nach Bengasi. Bani | |
Walids Bürgermeister, Salem Alaywan, sprach von 1.500 russischen Söldnern, | |
die bis Dienstag abziehen. | |
## Der Krieg in Westlibyen ist entschieden | |
Damit stellt Haftar nach über einem Jahr Kampf und Millioneninvestitionen | |
in ausländische Rüstung und Söldner die Belagerung von Tripolis ein, die er | |
im April 2019 begonnen hatte, um die Macht in Libyen zu ergreifen. Fast | |
alle der von Haftars Verbündeten kontrollierten Orte im Nordwesten Libyens | |
haben in den letzten Tagen ohne Blutvergießen die Seite gewechselt – an | |
erster Stelle die große Luftwaffenbasis Watia, die mit Haftar verbündete | |
Kräfte Anfang vergangener Woche aufgaben. | |
Obwohl weiterhin einige libysche LNA-Einheiten und sudanesische Kämpfer | |
entlang der 80 Kilometer langen Front ihre Stellungen halten, ist der Krieg | |
in Westlibyen entschieden. | |
Mit dem russischen Abzug wurde erstmals öffentlich bestätigt, dass | |
ausländische Kämpfer und Experten der entscheidende Faktor im Krieg um | |
Libyens Hauptstadt waren. In den letzten Monaten war Haftars Allianz aus | |
Stadtmilizen, Söldnern aus dem Sudan, Kämpfern aus Russland und | |
regimetreuen Syrern bis auf acht Kilometer auf das Zentrum von Tripolis | |
vorgerückt. | |
Von den Arabischen Emiraten gelieferte chinesische Wing-Loong-Drohnen | |
kontrollierten den Himmel, Haftars Überlegenheit motivierte viele Stämme | |
und Städte im Westen und Süden Libyens, sich der LNA anzuschließen. | |
Doch [1][türkische Drohnen und Luftabwehrsysteme] brachten für die | |
Regierung die Wende. Immer wieder zerstörten die türkischen | |
Bayraktar-Drohnen Waffen- und Treibstofftransporter der LNA auf der 800 | |
Kilometer langen Nachschubroute aus Ostlibyen. Mindestens fünf russische | |
Luftabwehrpanzer vom Typ Pantsir wurden in den letzten beiden Wochen von | |
den Drohnen zerstört. Auf der Seite der Sarradsch-Regierung sind laut der | |
Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte außerdem mindestens 5.000 | |
syrische Rebellen im Einsatz. | |
Nach der [2][Einnahme des Militärflughafens Watia] vor einer Woche fielen | |
mehrere weitere Städte an die Sarradsch-Truppen. Wäre auch die letzte | |
Versorgungsroute über Bani Walid und Tarhuna gefallen, wären die | |
LNA-Einheiten und die russischen Kämpfer am südlichen Rand von Tripolis | |
eingekreist worden. | |
## Vereinbarung zwischen den Großmächten? | |
Die Ausschaltung der russischen Pantsir-Systeme hat wohl Moskau zu einem | |
Umdenken bewogen, nehmen regierungstreue libysche Kommandeure an. Sie gehen | |
davon aus, dass Haftars Rückzug Ergebnis einer Vereinbarung zwischen | |
Russland, der Türkei und den USA ist. | |
Donald Trump und Recep Tayyip Erdoğan hatten sich in einem Telefonat am | |
Sonntag geeinigt, ihre „enge politische und militärische Zusammenarbeit“ | |
fortzusetzen, und sich „besorgt über die [3][zunehmende ausländische | |
Einmischung]“ in Libyen gezeigt. | |
Von Generälen wie al-Haddat wird abhängen, ob in Libyen eine ostlibysche | |
russische und eine westlibysche türkische Einflusssphäre entstehen. Vorbei | |
ist der Krieg sicher nicht. Solange Haftar den sogenannten Ölhalbmond | |
Libyens bei Bengasi hält, kontrolliert der 76-jährige Feldmarschall über 70 | |
Prozent der [4][Ölvorkommen Libyens]. | |
Am Sonntag rief US-Außenminister Mike Pompeo in Tripolis an und forderte | |
Premier Sarradsch zu einer politischen Lösung des Konflikts auf. | |
Kommandeure der Einheitsregierung verstehen dies als Warnung, nicht nach | |
Bengasi zu marschieren. „Viele von uns glauben jedoch, dass ein solcher | |
Kompromiss zur Verlängerung des Krieges führt“, fasst ein Kämpfer aus | |
Tripolis die Stimmung am Telefon zusammen. | |
Auch Haftar gibt sich weiter siegesgewiss. Über seinen TV-Sender Karama | |
rief er dazu auf, die „türkischen Invasoren“ aus Libyen zu werfen. Doch es | |
wird wohl längst nicht mehr in Libyen entschieden, wie der Konflikt um | |
Afrikas größte Ölvorräte weitergeht. | |
26 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
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