| # taz.de -- Streit um Waffenladen in Berlin: Waffen in der böllerfreien Zone | |
| > Die Gewobag hat in der Potsdamer Straße einen Gewerbemietvertrag mit | |
| > einem Waffenhändler abgeschlossen. Jetzt hangelt es Proteste. | |
| Bild: Wildschweine aus Metall als Zielscheibe: Auslage des Waffenladens in der … | |
| Das Geschäft in der Potsdamer Straße 183 war noch nicht eröffnet, da | |
| schlugen die ersten Anwohner schon Alarm. Neben Munition und Pistolen war | |
| eine Maschinenpistole im Schaufenster ausgestellt. Ob es sich um scharfe | |
| Waffen handelte, war für Laien nicht erkennbar. | |
| Das war Mitte April. Jetzt, vier Wochen später – der Waffenladen hat längst | |
| aufgemacht –, hängen nur noch zwei Luftdruckgewehre im Schaufenster, | |
| darunter sind Zielscheiben ausgestellt. Zum Beispiel Ratten und | |
| Wildschweine aus Metall, die bei Treffern nach hinten kippen. | |
| Kiezinitiativen hatten das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg eingeschaltet, | |
| und das hatte beim Gebäudeeigentümer Druck gemacht. Das Pikante ist: Das | |
| Haus gehört der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. | |
| Mit der Vermietung der Gewerberäume an einen Waffenhändler hatte diese | |
| jegliches Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Gerade in Schöneberg-Nord, | |
| wo eine jugendliche Klientel lebt, die ein Faible für Krawall hat. Nicht | |
| von ungefähr hatte die Polizei im Bereich Potsdamer Straße, Ecke Pallas- | |
| und Goebenstraße für den Jahreswechsel 2019/20 zum ersten Mal eine | |
| [1][Böllerverbotszone] ausgerufen. | |
| Keine hundert Meter davon entfernt befindet sich nun der Waffenladen. Am | |
| morgigen Mittwoch wird sich die Bezirksverordnetenversammlung mit dem Thema | |
| beschäftigen. Zwei Anträge liegen vor. SPD und Linke fordern das Bezirksamt | |
| auf, erneut auf die Gewobag einzuwirken. Dass das Schaufenster umdekoriert | |
| worden ist, ist den Parteien nicht genug. | |
| Der Mietvertrag möge entweder beendet werden oder der Ladeninhaber müsse | |
| sein Sortiment – weg von Waffen oder Anscheinswaffen – verändern, fordert | |
| die SPD. Der Antrag der Linken ist in die Zukunft gerichtet. | |
| Viel Geld sei in den letzten 20 Jahren zur Gewaltprävention in den | |
| Schöneberger Norden geflossen. Die Gewobag müsse die Vermietungspraxis | |
| darauf ausrichten. Ein Waffengeschäft sei das falsche Signal. „Wir brauchen | |
| Räume für soziale Träger und Menschen, die verdrängt worden sind“ sagte | |
| Christine Scherzinger (Linke) am Montag zur taz. | |
| Die Situation ist verfahren. Gegenüber der Interessengemeinschaft Potsdamer | |
| Straße, dem Quartiersrat und dem Stadtteil-Forum hatte sich die Gewobag in | |
| einem Antwortschreiben darauf berufen, beim Vermietungsstart am 15. Februar | |
| „keinerlei Kenntnis über die Nutzung unserer Gewerbefläche als | |
| Waffengeschäft“ gehabt zu haben. Vermietet habe man das Objekt als Showroom | |
| für Sicherheitsartikel. Man sei somit „getäuscht“ worden und distanziere | |
| sich von dem Geschäftsinhalt. Man bedaure „die in der Bewohnerschaft der | |
| Potsdamer Straße eingetretene Unruhe“ und sei in der mietrechtlichen | |
| Klärung. | |
| Gegenüber der taz bestätigte Gewobag-Sprecherin Anne Grubert nur so viel: | |
| Man suche nach einer für alle tragbaren Lösung. Diese müsse aber unter | |
| Berücksichtigung von vertrags- und mietrechtlichen Bestimmungen erfolgen. | |
| „Das Verfahren wird nicht kurzfristig zu beenden sein.“ | |
| Der Betreiber des Ladens wollte sich am Montag gegenüber der taz nicht | |
| äußern. Im Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VdB) ist | |
| er mit seinem Laden nicht Mitglied. In Berlin sind 19 Unternehmen bei dem | |
| Verband registriert, der seinen Sitz in Marburg hat, wie | |
| VdB-Geschäftsführer Ingo Meinhard zur taz sagte. | |
| Bundesweit sind es 1.400 Unternehmen. Gehört habe er von dem Problem in | |
| Berlin aber schon, sagt Meinhard. Er empfehle, mit den Anwohnern den Dialog | |
| zu suchen. Von Schreckschusswaffen gehe keine Gefahr aus, „da muss sich | |
| keiner Sorgen machen“, sagte er. | |
| Thilo Cablitz, Leiter der Pressestelle der Polizei, reagierte verwundert. | |
| Die Verletzungen durch den Abschuss von Pyrotechnik und | |
| Schreckschussmunition reichten vom Knalltrauma bis hin zu Brandwunden. | |
| Nicht nur an Silvester zeige sich das immer wieder. | |
| Der Quartiersrat Schöneberger Norden hatte in einem offenen Brief an die | |
| Gewobag schwere Vorwürfe erhoben: „Nachdem die Polizei das Gebiet beim | |
| Jahreswechsel vernünftigerweise zur böllerfreien Zone erklärt hatte, | |
| ermöglichen jetzt ausgerechnet Sie als kommunales Wohnungsunternehmen die | |
| Eröffnung eines Waffengeschäfts in unserer Nachbarschaft.“ Und: „Waffen | |
| stehen für Gewalt, Tod und Krieg.“ | |
| Die Potsdamer Straße sei kein guter Standort für einen Waffenladen, sagte | |
| auch Bezirkstadträtin Christiane Heiß (Grüne). Der Kiez habe viele soziale | |
| Probleme, die Menschen müssten nicht auch noch zum Kauf von Waffen verführt | |
| werden. „Wir wollen keine Aufrüstung des öffentlichen Raums“, darüber sei | |
| man sich parteiübergreifend einig, sagte Heiß. | |
| Auf der anderen Seite sei da aber auch die Freiheit der Ausübung des | |
| Gewerbes, „ob uns das gefällt oder nicht“. Die Möglichkeiten für den | |
| Bezirk, einzugreifen, seien sehr begrenzt. Spielhallen gehörten zu den | |
| wenigen Ausnahmen, wo das möglich sei. | |
| Sie selbst habe öfter mit Beschwerden von Anwohnern gegen Shishabars zu | |
| tun, sagte Heiß. Auch deshalb sei es gut, dass es die Gewerbefreiheit gibt. | |
| Nicht auszuschließen sei, dass die ein oder andere Beschwerde auch aus | |
| rassistischen Motiven erfolge. Auch Bezirksbürgermeisterin Angelika | |
| Schöttler (SPD) verwies auf die Bedeutung der Gewerbefreiheit. Oder, um | |
| ganz in der Sprache zu bleiben: „Unser Schwert ist da praktisch stumpf“. | |
| 26 May 2020 | |
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| Plutonia Plarre | |
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