| # taz.de -- Regierungsvereidigung in Israel: Der Mut des Verräters | |
| > Linke im In-und Ausland sind wütend auf Benny Gantz. Dabei verhindert er | |
| > eine weitere Spaltung Israels. | |
| Bild: Benny-Gantz-Plakat vor der Kulisse Tel Avivs | |
| Es ist vollbracht. Israel hat nach mehr als einem Jahr Dauerkrise im | |
| politischen Vakuum wieder [1][eine Regierung], die die Wahlergebnisse | |
| widerspiegelt. Der Herausforderer Benny Gantz hat sich auf eine | |
| [2][Koalition mit Bibi Netanjahu] eingelassen, dem langjährigen Anführer | |
| des rechten Lagers. [3][Israels Linke] ist über die Vereidigung wütend und | |
| enttäuscht. Sie sieht den ehemaligen Armeechef Gantz als Verräter an. Hatte | |
| er nicht geschworen, der Ära Netanjahu endlich den Garaus zu machen? | |
| Hatte er. Doch dann kam die Realität. [4][Die Wähler*innen in Israel] sind | |
| nicht weniger als dreimal in einem Jahr zu den Urnen gerufen worden. Gantz | |
| hat bis zuletzt darauf bestanden, dass eine Koalition mit ihm nur zustande | |
| kommen kann, wenn der wegen Korruption angeklagte Netanjahu seinen Hut | |
| nimmt – vergeblich. | |
| Was also hätte Gantz nach Ansicht seiner Kritiker im In- und Ausland denn | |
| tun sollen? So lange wählen lassen, bis das Ergebnis dem linken Lager | |
| gefällt? Es wird Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Wahlergebnisse nur | |
| das zeigen, was ist: Eine starke israelische Linke existiert nur noch | |
| [5][in der Erinnerung], das Israel von heute ist mehrheitlich rechts. Zu | |
| glauben, für das wahre Israel zu stehen, drückt lediglich linke | |
| Selbstüberschätzung aus. | |
| Eine Einheitsregierung mag keine politische Wende bringen, aber im Ergebnis | |
| wird sie das Land besser führen können als ein rein rechtes Bündnis. Gantz | |
| und seine Minister geben einer großen Minderheit endlich wieder eine | |
| Stimme, sie können vieles abmildern und vor allem der tiefen Spaltung | |
| entgegenwirken. Die politische Polarisierung hat in Israel – man erinnere | |
| sich an das Attentat auf Jitzhak Rabin – in der Vergangenheit schon | |
| schlimme Folgen nach sich gezogen. | |
| Gantz mag vielen nun als Verräter gelten, aber er hatte immerhin den Mut, | |
| sich seine fortgesetzte Niederlage einzugestehen, Konsequenzen zu ziehen | |
| und den Zorn seiner Unterstützer auszuhalten. Dass er seine Glaubwürdigkeit | |
| aufs Spiel setzt, um das Wahldrama zu beenden und Israel in der Coronakrise | |
| zu stabilisieren, verdient Anerkennung. | |
| 14 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Silke Mertins | |
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