Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Polen: In die Tonne
> Der Tag der Abstimmung gerät zur Realsatire. Mit der Geisterwahl, die
> ohne WählerInnen auskam, blamiert sich die Regierungspartei PiS komplett.
Bild: Gültig, ungültig, einfach nur schlecht? Die PolInnen diskutieren über …
Warschau taz | Vor den fantasievollen Wahlurnen in polnischen Parks und
Einkaufsstraßen stellen sich Flaneure an, lassen sich ihre
Briefwahlunterlagen aushändigen, kreuzen ihren Wunschkandidaten für das Amt
des polnischen Präsidenten an und werfen den verschlossenen Wahl-Umschlag
in die weißrote Abfalltonne.
Mit grotesken Wahlhappenings in mehreren polnischen Städten verspotteten
viele PolInnen am 10. Mai 2020 die Präsidentschafts-Geisterwahl, die ganz
[1][ohne WählerInnen] auskam. Statt die Anfang Februar für den 10. Mai
angekündigten Präsidentschaftswahlen wegen der [2][Coronapandemie]
abzusagen und auf einen späteren Termin zu verschieben, forcierten Polens
regierende Nationalpopulisten das Tempo für eine neue Wahlgesetzgebung, die
eine landesweite Briefwahl ermöglichen sollte. Einen Tag vor der Wahl trat
das Gesetz in Kraft. Viel zu spät.
Sinn für Realsatire zeigte am Wahlabend des 10. Mai auch die Staatliche
Wahlkommission. Deren Kompetenzen hatte [3][die PiS] zuvor fast vollständig
auf einen Regierungs-Wahl-Bevollmächtigen und PiS-Parteifunktionär
übertragen. Kurz nach der Schließung der gar nicht erst geöffneten
Wahllokale verkündete die Kommission, dass „es bei den am 10. Mai
durchgeführten Wahlen keine Möglichkeit gab, für Kandidaten zu stimmen“.
Dies sei gleichbedeutend mit einer Situation, in der nur eine Person zur
Wahl antrete, es also keine Wahl zwischen mehreren Kandidaten gebe.
Trocken setzten die Mitglieder der Wahlkommission hinzu, dass diese
Erklärung gemäß geltendem Gesetz der Vorsitzenden des polnischen
Abgeordnetenhauses zugeleitet, im Gesetzbuch publiziert und öffentlich
zugänglich gemacht werde. Entscheidend ist dabei der fehlende Adressat, das
oberste Gericht.
## Schlecht organisiert
Nach dem Willen der beiden Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński und
Jarosław Gowin von der Regierungskoalition „Vereinigte Rechte“ sollte
dieses eigentlich in einem Urteil die Ungültigkeit der Wahl feststellen, so
dass problemlos ein neuer Wahltermin hätte festgelegt werden können. Doch
die Wahlkommission ließ nun keinen Zweifel daran, dass die Präsidentenwahl
weder gültig noch ungültig sei, sondern ganz einfach schlecht organisiert
war.
Die Blamage hätte die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sich ersparen
können. Es war von vornherein klar, dass die Änderung des Wahlrechts nur
dann verfassungsgemäß sein würde, wenn der Sejm, Polens Abgeordnetenhaus,
sie sechs Monate vor den nächsten Wahlen auf den Weg bringen würde.
Das kümmerte die Partei aber nicht. Obwohl die seit 2015 regierende PiS
inzwischen fast alle staatlichen Institutionen kontrolliert, stieß sie bei
der Corona-Wahlorganisation auf massiven Widerstand. Da die Wahlkommission
sich an geltendes Recht halten wollte, wurden fast alle ihre Kompetenzen
auf einen Regierungs-Wahl-Beauftragten übertragen.
Als dann die Postler dagegen protestierten, Briefwahlunterlagen an 30
Millionen Wahlberechtigte auszutragen und die organisatorische
Verantwortung für die Wahl zu übernehmen, entließ die PiS-Regierung
kurzerhand den Post-Chef und ersetzte ihn durch einen Beamten des
Verteidigungsministeriums.
## Anzeige wegen „Datenklaus“
Dann wollten viele Einwohnermeldeämter die Melderegister nicht per Mail
verschickten und zeigten die Post wegen „Datenklaus“ an. Dann meinte
Jarosław Gowin, dass eine Verfassungsänderung und Verschiebung der Wahl um
zwei Jahre doch noch viel besser wäre.
Das wieder fand die PiS hanebüchen. Wie es nun weitergehen soll, ist
unklar: Theoretisch könnte die PiS aus dem Debakel eine Lehre ziehen und
endlich den Naturkatastrophenzustand ausrufen, um zu geltendem Recht
zurückzukehren. Praktisch ist das eher unwahrscheinlich. Den nächsten
Wahltermin muss die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses bekannt geben.
11 May 2020
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahl-in-Polen/!5683536
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] /Praesidentschaftswahl-in-Polen/!5683452
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
Präsidentenwahl
PiS
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
Polen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Polens Präsident in den USA: Wahlkampfhilfe für Duda
Kurz vor der Abstimmung am Sonntag wird der Staatschef von US-Präsident
Trump empfangen. Er hofft auf eine positive Wirkung bei den Wähler*innen.
Präsidentenwahl in Polen: Demokratie im Schweinsgalopp
Nach der verpatzten Wahl im Mai sollen die Pol*Innen Ende Juni ihr
Staatsoberhaupt wählen. Auch diese Abstimmung ist nicht verfassungskonform.
Präsidentschaftswahl in Polen: Prügeln für ein „starkes Polen“
Die liberale Opposition ist in der Krise und tauscht ihre bisherige
Kandidatin gegen einen „Fighter“ aus. Nun soll Warschaus OB Andrzej Duda
bezwingen.
Polnisches Wahldesaster: Gegen den Geist der Verfassung
Polen organisiert am Sonntag eine ungültige Präsidentenwahl. Das verrät
einiges über den Zustand des politischen Systems.
Präsidentschaftswahl in Polen: Abstimmung ohne Wähler
Die Präsidentschaftswahl findet am Sonntag statt, allerdings ohne Wähler.
Ein Gericht soll sie für ungültig erklären, um sie im Sommer nachzuholen.
Präsidentschaftswahl in Polen: Tick, tack...
Für die PiS-Regierung läuft der Countdown, sie will die Abstimmung am
Sonntag durchziehen. Doch das Vorhaben könnte noch scheitern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.