# taz.de -- Alleinerziehende Frauen zu Coronazeiten: Wir kommen schon klar | |
> Eine Frau, zwei Kinder, ihr Alltag zu Coronazeiten: Morgens Haferflocken, | |
> nachmittags Staubsaugen – und wer dreht durch? Eine Kurzgeschichte. | |
Bild: „Mit trockenen Augen trete ich zum Besenschrank und hole den Staubsauge… | |
Schon beim Aufstehen habe ich an Staubsaugen gedacht, aber da ging es | |
natürlich noch nicht. Wir haben ja jetzt unseren Rhythmus, es ist ja gerade | |
jetzt total wichtig, dass man den Rhythmus einhält. Nur wer einen Rhythmus | |
findet, kommt klar in Zeiten wie diesen, die anderen fallen irgendwie raus | |
aus der Zeit und verschwinden oder zerschellen, man sieht die dann einfach | |
nicht mehr. | |
Na ja, eigentlich sieht man ja gerade eh niemanden mehr, man sieht nur, was | |
die Leute posten. Erst wenn jemand nichts mehr postet, weiß man: Da ist | |
vermutlich wieder einer nicht mehr klargekommen, weil er seinen alten | |
Rhythmus verloren und keinen neuen gefunden hat. | |
Aber wir kommen klar. Die Kinder musste ich natürlich erst ein bisschen | |
anleiten, inzwischen ist der neue Rhythmus aber in ihnen drin. | |
Der Wecker klingelt um sieben, das ist eine halbe Stunde später als in der | |
alten Normalität. Wir sparen jetzt immerhin die Zeit für Schulweg, es ist | |
also nicht alles schlecht. | |
Um kurz vor halb acht sitzen die Kinder angezogen und mit gekämmten Haaren | |
am Frühstückstisch und löffeln ihre Haferflocken. Die dürfen sie mischen, | |
wie sie Lust haben. In drei formschönen Gläsern sind Mini-Marshmallows und | |
bunte Streusel und Schokostreusel, davon dürfen die Kinder sich etwa zwei | |
Esslöffel voll in die Haferflockenschüssel schütten. Insgesamt, versteht | |
sich. Manchmal nehmen sie aus Versehen zu viel, manchmal auch mit Absicht. | |
Das mit den Streuseln und den Haferflocken ist eine gute Idee, so können | |
sie schon morgens etwas aussuchen. Ich hoffe, dass sich das für sie wie | |
Freiheit anfühlt. Und schön sieht es aus, auf dem Tisch, diese drei bunten | |
vollen Gläser, die ich jeden Abend nachfülle. Wir hatten das mit den | |
Haferflocken auch vorher schon so, ich weiß nicht, warum mir das jetzt | |
irgendwie besser vorkommt als vorher, wie eine mütterliche Leistung. Man | |
muss ja das Positive sehen, darum bemühe ich mich nach Kräften, und das | |
hier mit den bunten Sachen in den schönen Gläsern habe ich wirklich gut | |
gemacht, das war mir vorher gar nicht so bewusst. | |
Ich hatte aber auch vorher nie Zeit, mir über so einen Scheiß wie | |
Haferflocken und Streusel Gedanken zu machen. Ich habe vorher so viele | |
andere Dinge im Kopf gehabt: Text, der zu lernen war, Kurse, die | |
vorzubereiten waren, Stress mit den Kollegen. Da hätte ich nie im Leben so | |
lang drei formschöne Gläser angestarrt, wie ich es jetzt manchmal tue. | |
Vor ein paar Tagen habe ich ein Foto von den Gläsern gemacht und | |
rumgeschickt, damit die da draußen sehen, wie gut wir klarkommen. | |
Vielleicht kommen die dann ja auch auf die Idee, es uns nachzumachen, damit | |
auch die anderen Kinder die Freiheit haben, sich schon beim Frühstück frei | |
wie ein Vogel für oder gegen Streusel entscheiden zu können. Ich helfe | |
anderen gern dabei, das Positive zu sehen. | |
„Guck mal, die Milch wird ganz bunt“, sage ich, als die Streusel den | |
Haferflockenmatsch des Jungen färben. Das stimmt. Er starrt in die | |
Schüssel, rührt mit dem Löffel, strudelt Farben. | |
Er fragt: „Warum ist das so? Ist es doch sonst nicht.“ | |
Das stimmt. „Ich glaube, die Milch war warm.“ Ich habe die Milch gestern | |
draußen stehen lassen, das kann sein. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht mehr | |
genau, was ich gestern Abend gemacht habe, als die Kinder still und folgsam | |
in ihren Betten verschwunden sind zu ihren iPads. Möglicherweise habe ich | |
die Milch nicht in den Kühlschrank gestellt. Heute Morgen musste ich mehr | |
aufräumen als sonst in der Küche, das weiß ich noch. Aber ich habe nicht | |
gestaubsaugt. Ich hätte gern, aber ich habe nicht, da bin ich mir sicher. | |
Ich sage: „Schön, so bunt!“ | |
Wir starren in die Schüssel des Jungen. Die Kleine starrt mit. Ich | |
fotografiere die bunten Strudel. Das sieht sehr positiv aus, ich überlege, | |
ob ich es rumschicken soll oder ob das thematisch zu sehr an den | |
formschönen Gläsern ist. Ich will nicht, dass unsere [1][neue Normalität] | |
zu klein aussieht. Dann könnte es aussehen, als kämen wir nicht klar. | |
Der Junge sagt: „Wenn die Milch warm ist, wird es so bunt?“ | |
Ich sage: „Ja, genau“, obwohl ich es nicht sicher weiß. | |
Die Kleine sagt: „Von den Streuseln.“ | |
Ich sage: „Und wegen der Wärme der Milch, genau. In warmen Flüssigkeiten | |
löst sich alles leichter auf.“ | |
Wir haben ein Gesprächsthema, das tut uns gut. Wir reden nicht mehr viel. | |
Und wenn, dann über andere Dinge als vorher. | |
Wir reden inzwischen viel über Sachen wie Haferflocken und Nudeln und | |
Stifte und Seife. Über einfache Sachen, die keinen aus der Fassung bringen. | |
Die Kinder haben sofort begriffen, dass man mit mir nur noch über solche | |
Dinge reden kann. Sie haben sich toll an die Situation angepasst, auch an | |
den Rhythmus haben sie sich toll angepasst. | |
„Ich will das auch“, sagt die Kleine, sie greift entschlossen nach dem | |
formschönen Glas und schüttet sich Streusel in die Schüssel. Eine Menge | |
Streusel verteilen sich auf dem Tisch. Niemand von uns erschrickt. Die | |
Kinder wissen, dass ich nicht schimpfe. Ich schimpfe nicht morgens und | |
nicht nach der Staubsaugerzeit. | |
Ich denke wieder an den Staubsauger, aber es ist viel zu früh dafür. Wir | |
sind ja noch beim Frühstück. Dann ist Zeit für die Arbeitsblätter der | |
Kinder. | |
Die habe ich schon gestern Abend ausgedruckt. Ich denke an die | |
Arbeitsblätter und verdränge den Gedanken ans Staubsaugen, so gut das geht. | |
Ich hab das gelernt inzwischen. Auch meine Gedanken haben sich dem neuen | |
Rhythmus angepasst. Ich mache einfach meinen Kopf so leer wie möglich. Das | |
kann ich. Früher habe ich das vor einer Premiere gemacht, wenn ich | |
schlimmes Lampenfieber hatte. Wie gut, dass ich diesen Trick beherrsche. | |
## Schlieren und Zieren, Frieren, Viren – das reimt sich ja | |
Jetzt kann ich das Durchdrehen verhindern, wenn ich ihn anwende. Ich wende | |
ihn sehr oft an. Ich mache meinen Kopf also leer und denke nur an die | |
Arbeitsblätter, die im Auswurffach meines Druckers liegen, wo mein Drucker | |
sie gestern ausgeworfen hat. Die Kinder essen ihre Schüsseln leer. Starren | |
die bunten Schlieren an, die den Boden der leerer werdenden Schüsseln | |
zieren. Ich starre mit. | |
Das reimt sich ja sogar, Schlieren und Zieren. Und Frieren. Verlieren. Und | |
Viren. | |
Ich mache meinen Kopf wieder leer und gehe zu meinem Drucker und hole die | |
Arbeitsblätter. | |
Die Kinder reißen sie mir förmlich aus den Händen. Es ist ein Wunder. Ich | |
kann es noch immer nicht glauben. Nie waren sie so brav wie jetzt. So | |
lernwillig auch. Sie räumen sogar von selbst ihre Schüsseln in die | |
Spülmaschine und gehen ins Bad, um sich die Zähne zu putzen. Wie oft musste | |
ich sie früher ermahnen wegen solcher Dinge! Manchmal habe ich auch | |
geschimpft und geschrien. Jetzt nicht mehr. Wir leben ganz im neuen | |
Rhythmus. | |
Die Kinder setzen sich noch vor halb neun an den Küchentisch, sie tun das | |
automatisch. Sie holen ohne Widerrede ihre Mäppchen, während ich die neuen | |
Arbeitsblätter vor sie lege, neben die Schulbücher, die sie selbstständig | |
und ohne zu murren aus ihren Schulranzen geholt haben. | |
Die Kleine greift als Erste nach dem Bleistift. Dann hebt sie die linke | |
Hand und kratzt damit gedankenverloren die roten Schrunden auf den | |
Fingerknöcheln. Ich kann hören, wie ihre Nägel die wunde Haut kratzen. Ich | |
stehe auf und hole die Salbe, obwohl sie nicht viel hilft. | |
Seit Wochen breiten sich diese Schrunden über die Kinderhände aus, egal wie | |
viel Salbe ich darauf streiche. Google sagt, es ist ein Waschekzem. Das | |
haben jetzt viele Kinder. Manche Mütter haben die Hände ihrer Kinder | |
fotografiert und rumgeschickt, das finde ich nicht gut. Ich vermute, das | |
sind die Mütter, von denen man bald nichts mehr sehen wird, weil sie | |
irgendwie durch die Zeit gefallen und nicht mehr klargekommen sind. Die | |
haben es nicht geschafft. | |
Die Kinder fangen an. Ich werde mich nachher zu ihnen an den Tisch setzen | |
und meinen Laptop aufklappen, aber erst muss ich etwas anderes tun. Ich | |
sammle das Altglas zusammen. Heute ist Montag. Montag, Mittwoch und Freitag | |
bringe ich Altglas weg, Dienstag, Donnerstag und Samstag Müll hinunter. Am | |
Sonntag tue ich keins von beidem. Da vermisse ich es richtig. Der Rhythmus | |
wirkt also. | |
Ich habe schon überlegt, ob ich das bei der nächsten Verlängerung verändern | |
soll, als kleine Belohnung für mich sozusagen, weil ich alles so gut im | |
Griff habe. Dann würde ich am Sonntag sowohl Müll als auch Altglas | |
wegbringen. Das sind 400 Meter extra da draußen. Natürlich darf man | |
sonntags eigentlich kein Altglas wegbringen, aber das ist momentan egal | |
geworden. Verbote haben sich verändert. | |
Ich staubsauge ja jetzt auch am Sonntag, es hat sich noch niemand von den | |
Nachbarn beschwert, was mich wundert. Früher haben die sich wegen allem | |
Möglichen beschwert, das gehört zu den Dingen, die sich verbessert haben. | |
Es ist jetzt also wirklich nicht alles schlechter als früher, man muss das | |
Positive sehen, vor allem da, wo es eindeutig da ist. | |
Das Positivste ist, dass gleich Zeit für den Staubsauger ist. Das kann ich | |
kaum erwarten. | |
Vorher mache ich Nudeln. Die essen wir um ein Uhr. | |
Ich lobe die Kinder, wie gut sie ihre Aufgaben machen und wie brav sie | |
sind. Das ist nicht nur, weil ich ihnen helfen will, das Positive zu sehen. | |
Es ist auch, weil ich jeden Tag wirklich staune, wie gut das bei uns | |
klappt. Ich weiß aus anderen Familien, dass die Kinder durchdrehen. Bei uns | |
nicht. Also jedenfalls nicht mehr. | |
Zum Teil liegt das an der Angst der Kinder. Sie wissen, wenn sie | |
durchdrehen, nehme ich ihnen die iPads weg. Das ist das Schlimmste, was sie | |
sich vorstellen können. Es ist ja ganz neu für die, dass sie überhaupt | |
damit spielen dürfen. Früher habe ich gedroht, ihnen Eis und Schwimmbad zu | |
streichen, das hat auch super gewirkt. Aber inzwischen haben sie sich so an | |
das iPad gewöhnt, dass ich sie damit vor dem Durchdrehen bewahren kann. | |
Nach dem Essen laufen die Kinder wie immer einige Male das Treppenhaus rauf | |
und runter. Dabei sind sie ziemlich laut, sie lachen sogar, es beschwert | |
sich trotzdem niemand von den Nachbarn. | |
Das Problem daran ist nur: Kaum sind sie raus, wird meine Sehnsucht nach | |
dem Staubsauger so groß, dass ich mich richtig zusammenreißen muss, um | |
nicht zu weinen. Zum Glück weine ich nicht mehr vor den Kindern. Das wäre | |
auch echt schlecht für die Kinder, es würde ihnen Angst machen. | |
Inzwischen kann ich die Augen zukneifen, ohne sie zuzukneifen, innerlich | |
sozusagen. Verrückt, wenn ich mir vorstelle, wie ich mich früher anstrengen | |
musste, das mit dem Weinen richtig hinzukriegen, wenn das Drehbuch es | |
verlangt hat. Das wäre jetzt gar kein Problem mehr. Umgekehrt ist es viel | |
schwieriger. Zum Glück klappt es inzwischen prima, meine Augen haben sich | |
offenbar auch gut an die neue Situation gewöhnt. | |
Endlich ist es drei Uhr. Die Kinder haben die Zähne geputzt und | |
verschwinden in ihre Zimmer zu ihren iPads. | |
Jetzt, endlich. Mein Moment. Mein täglicher Auftritt. Jetzt geht es nur um | |
mich. Mit trockenen Augen trete ich zum Besenschrank und hole den | |
Staubsauger heraus. Dann hebe ich Legosteine und Zeitungen auf und stöpsle | |
ihn ein. Das mache ich ganz langsam, jetzt, wo ich kurz davor bin, zögere | |
ich den Moment des Staubsaugens hinaus. Ich atme noch einmal tief und | |
zitternd ein. Gleich ist es so weit. | |
Ich schalte ihn an, und dann wird es laut. Der Staubsauger brüllt los. Es | |
ist ein ziemlich lauter Staubsauger, wenn man ganz bis zum Anschlag dreht. | |
Das wird dadurch noch verstärkt, dass ich mal ein Playmobilmännchen | |
eingesaugt habe, was sich jetzt irgendwo oben im Staubsaugerhals verkantet | |
hat. | |
Das sorgt noch für ein zusätzliches Klappergeräusch, das sich über das | |
ohrenbetäubende Brummen legt. Dass ich dieses Playmobilmännchen eingesaugt | |
habe, war im Nachhinein wirklich schicksalshaft. Das ist ein schönes | |
Beispiel dafür, dass ich das Positive an einer Sache zuerst nicht erkennen | |
konnte. Was für ein Segen ist es jetzt, dass der Staubsauger so laut ist! | |
Früher hat mich sein Geräusch gestört, inzwischen liebe ich es. Ich liebe | |
nichts so wie das. Wenn er richtig laut brüllt, kann ich loslegen. | |
Ein paar Schritte in den Flur, ein letzter Blick, ob die Kinderzimmertüren | |
geschlossen sind. Ich lockere ganz leicht den Kiefer, und dann kommt das | |
Heulen wie von selbst. Es spritzt so richtig aus beiden Augen, krass, was | |
für ein Druck dahinter ist, wenn man so lang angehalten hat. Der | |
Staubsauger brüllt, die Tränen spritzen, und ich öffne den Mund und brülle | |
auch. | |
Das tut so gut. Ich brülle nur mittellaut, relativ monoton brülle ich, | |
genau so, dass es im Pegel des Staubsaugers bleibt. Inzwischen haben wir | |
uns optimal aneinander angepasst, der Staubsauger und ich. So kann man | |
mich nicht hören, ich verschwinde im Brüllen des Staubsaugers. Das ist ja | |
der Sinn der Sache. | |
Und es tut so unglaublich gut, sich im Staubsauger aufzulösen, so fühlt | |
sich das nämlich an. Ich bin nicht allein, jetzt und hier, der Staubsauger | |
ist für mich da. | |
Ich fühle, wie das Brüllen sich anhören würde, wenn der Staubsauger aus | |
wäre. Es ist ein Brüllen, das Kinder auf keinen Fall hören dürfen. Es würde | |
ihnen Angst machen, ihre Mutter so brüllen zu hören, den Nachbarn würde es | |
auch Angst machen. Niemand sollte so brüllen, wie ich gerade brülle. | |
Einmal ist mir das abends passiert, das war am Anfang, als ich noch keine | |
Erfahrung mit der Situation hatte. Ich habe Wein getrunken und dabei | |
telefoniert, und da bin ich unvorsichtig geworden und habe vergessen, wie | |
dünn hier die Wände sind. Da muss ich gebrüllt haben oder geweint, was | |
inzwischen dasselbe ist bei Menschen, die beides so lang unterdrücken, | |
mischt sich das irgendwann. | |
Der Junge ist aufgewacht und in die Küche gestürzt, das war nicht gut für | |
den Optimismus und für den Rhythmus auch nicht, weil er dann auch geweint | |
hat und lange nicht schlafen konnte. Darum haben wir das mit dem | |
regelmäßigen Aufstehen am nächsten Tag nicht geschafft. | |
Zum Glück habe ich den Trick mit dem Staubsauger begriffen. Der hat mich | |
gerettet. Es rettet mich jeden Tag aufs Neue. Ich liebe den Staubsauger. | |
Ich kann gar nicht begreifen, dass ich ihm vorher so wenig Aufmerksamkeit | |
geschenkt habe. Meine größte Angst nach der, dass das WLAN ausfällt, ist | |
jetzt die, dass der Staubsauger kaputtgeht. | |
Ich habe sogar seine Haltbarkeit gegoogelt, das Ergebnis hätte mich | |
beruhigen können, im Durchschnitt hält sich unser Modell sieben Jahre, so | |
lang wie meine Ehe. | |
Das hat mich beruhigt für den Moment. Trotzdem überfällt es mich manchmal | |
nachts, wenn ich wachliege. Nachts ist mein Bedürfnis zu staubsaugen am | |
größten, aber das geht natürlich nicht. | |
Wenn es nachts gut läuft, dann denke ich wirklich ganz intensiv darüber | |
nach, was ich wie machen werde am nächsten Tag um drei, wie ich dann den | |
Stecker in die Dose stecke, wie ich den Staubsauger, der so unbeholfen ist | |
und schwer, hinter mir herziehe, wie ich meine Hand auf den Startknopf | |
zubewege. Weiter darf ich nicht denken, sonst verliere ich die Kontrolle. | |
Wenn es nachts schlecht läuft, überfällt mich diese Angst, dass der | |
Staubsauger kaputtgehen könnte. Ich könnte dann ja einen neuen bestellen, | |
die Lieferzeit beträgt vier bis fünf Tage. Ich habe schon den Anbieter | |
herausgesucht, der am schnellsten versendet. Aber was mache ich an diesen | |
staubsaugerfreien Tagen? Und was geschieht erst, wenn ein Wochenende | |
dazwischenliegt, das würde ja zusätzliche Zeit kosten? | |
Aber jetzt ist es kurz nach drei, meine Zeit. Ich sauge sehr lange Staub. | |
Wie immer sauge ich als Letztes das Badezimmer. Ich lege den brüllenden | |
Staubsauger auf den Boden und drehe das kalte Wasser auf. Ich mache den | |
Staubsauger erst aus, als ich leer geweint bin und meine Augen mit Wasser | |
gekühlt und getrocknet und mich nachgeschminkt habe. Jetzt bin ich bereit | |
für den nächsten Punkt. Jetzt wird gebastelt. | |
Ich denke positiv und öffne die Tür zum Kinderzimmer. „So, es ist halb | |
vier! Jetzt basteln wir erst mal was Schönes. Und dann machen wir ein Foto | |
davon und schicken es Oma und Opa, ja?“ | |
Der Große sieht von seinem iPad auf und nickt. Es ist unglaublich, wie brav | |
diese Kinder geworden sind. Dann fragt er, zaghaft: „Fußball geht immer | |
noch nicht, oder?“ | |
„Bald, mein Schatz“, sage ich und lächle ihn an. Und sehne mich sehr nach | |
Staubsaugen. Aber das darf ich erst morgen wieder. Ich kneife ich die | |
Augen innerlich sehr fest zusammen. Und sehe das Positive. Wie immer. | |
24 May 2020 | |
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[1] /Jenseits-der-Normalitaet/!5669143 | |
## AUTOREN | |
Judith Merchant | |
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