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# taz.de -- Die Wahrheit: Der fahrige Feuerfatzke
> Eine Geißel der Welt ist fahrendes Volk. Die niedersten Künste bedienen
> auf Jahrmärkten und Rummelplätzen die niedersten Bedürfnisse.
Bild: Wahrheit-Reporter im Einsatz mit der einzig möglichen Dienstkleidung fü…
[1][Die Welt braucht keine Jongleure]“, hat der Liedermacher Sebastian
Krämer gesungen und singt es bisweilen heute noch, ist es doch das große
Glück und die stete Pein des Liedermachers, die geschriebenen Gassenhauer
trällern zu müssen, bis man vom Hinschied erlöst wird.
Wie recht Krämer mit seiner die Jongleure betreffenden These hatte, wurde
mir bei einem Stadtfest bewusst, wo ich im Kreis einiger Freunde stand,
Bier trank und, wie es sich für ein Stadtfest gehört, auch schon leicht
einen zwischen den Balken hatte. Das alles lange vor Corona.
Da tippte mir plötzlich ein Mittdreißiger mit kauziger Physiognomie auf die
Schulter, verschaffte sich Zugang zu unserem Trinkergrüppchen und warb
großäugig um Aufmerksamkeit: „Na, Leute? Habt ihr Lust auf eine Feuershow?
Dahinten im Zelt! Gleich geht’s los!“
Zumindest nach meinem Dafürhalten sprach praktisch alles dagegen, bildete
man Trinkergrüppchen doch einzig und allein um des Trinkens willen. Wer
zusätzlich noch etwas anderes unternehmen wollte, etwa eine Partie Darts
spielen oder eben einer Hobby-Varieté-Show beiwohnen, der war freundlich
dazu eingeladen, dies mit Personen außerhalb des Trinkergrüppchens zu tun
oder sich einen komplett anderen Freundeskreis zusammenzustellen.
## Manche geben auch 20
Leider überzeugte meine leidenschaftlich lallend zum Vortrage gebrachte
Sicht auf Sinn und Zweck unseres Trinkergrüppchens die übrigen nur wenig,
weshalb man kein weiteres Kaltgetränk wegschnäbelte, sondern sich in dieses
gottverdammte Zelt begab. Zu meinem Ärger sogar in die erste Reihe.
Der Kauz hatte sich umgezogen und trug ein gülden schimmerndes Jackett mit
viel zu weiten Ärmeln. Es war – o Scheiße! – ein Jongleur. Ein schlechter
obendrein, dem schon bei geringer Keulenzahl alle acht Sekunden etwas zu
Boden fiel, was ihn nicht daran hinderte, die Dinger im nächsten Schritt
anzuzünden. Loderndes Gerät entglitt ihm ebenfalls, einmal krachte es ihm
sogar auf den offenbar hitzeresistenten Schuh.
Mir, der ich anderthalb Meter von diesem unbeirrbaren
Werf-und-fang-Künstler entfernt saß, bereitete dessen Ungeschick zusehends
Unbehagen. Als er daraufhin mit zwei brennenden, an Schnüren befestigten
Bällen umherwirbelte, die man im Fachjargon laut Wikipedia übrigens
„Spinningelemente“ nennt, tat ich das einzig Vernünftige – nicht zuletzt,
weil auch Kinder in diesem recht kleinen und wohl leicht entflammbaren Zelt
saßen: Ich setzte mich hinter den größten meiner Freunde und betete zum
römischen Feuergott Vulcanus.
Als der Nervenkitzel nach einer Viertelstunde sein glimpfliches Ende
gefunden hatte, reichte uns der fahrige Feuerfatzke einen Hut und bat
darum, einen Zehn-Euro-Schein hineinzugeben. O-Ton: „Manche geben auch 20.“
Zu seinem Unglück hatte ich aber all mein Geld längst Gott vermacht und
selbigem versprochen, sofern er mich diese Jonglage überleben ließe, fortan
nichts anderes mehr zu tun, als zu trinken.
19 May 2020
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=jt5ZtwNLHlc
## AUTOREN
Cornelius Oettle
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