# taz.de -- Paralympicssiegerin über Fußballprofis: „Das kann in die Hose g… | |
> Spitzesportlerin Manuela Schmermund im Gespräch über König Fußball und | |
> die Wünsche und Bedürfnisse von Athleten anderer Sportarten. | |
Bild: Mit Pappaufstellern eine richtige Fankulisse imitieren: Borussia-Park in … | |
taz: Frau Schmermund, Sie sind Spitzensportlerin, und Sie haben sechs Jahre | |
für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) gearbeitet. Freuen Sie sich auf den | |
Start der Fußball-Bundesliga am Wochenende? | |
Manuela Schmermund: Ich bin wie viele Menschen in Deutschland Fußballfan. | |
Freuen ist aber nicht der richtige Ausdruck. Unter den aktuellen | |
Voraussetzungen habe ich eher Bauchweh damit. | |
Warum? | |
Seit dem vergangenen Wochenende und dem gezeigten Verhalten der Menschen | |
kommt es einem fast so vor, als ob die Pandemie weg wäre. Das Virus ist | |
aber weiter unter uns, wir haben kein Impfmittel, kein wirklich sicheres | |
Arzneimittel zur Behandlung. Deshalb habe ich noch Angst. | |
Die Bundesliga fängt vor allen anderen großen europäischen Fußballligen, | |
vor jeder anderen Sportart hierzulande an. Zeigt sich inmitten der Pandemie | |
mehr denn je, welche Macht der organisierte deutsche Fußball hat? | |
Er hat eine Sonderstellung. Das ist auch ein Stück weit gerechtfertigt, es | |
ist die beliebteste Sportart in unserer Region der Welt. Es gibt jedoch | |
grundsätzlich nur einen Sport, den wir haben. In guten Zeiten wird immer | |
die Solidarität untereinander beschworen. Nicht nur in der Fußballblase, | |
sondern darüber hinaus, gegenüber der Gesellschaft. | |
Diese Solidarität sehen Sie nicht mehr? | |
Wenn es wirklich sicher ist, dann sollen sie gerne spielen. Aber die | |
Vorfälle der vergangenen Wochen in Köln, Berlin und Dresden sprechen nicht | |
dafür. Ich habe Angst, dass der Fußball wirklich Schaden nimmt, wenn das in | |
die Hose geht. Und leider ist die Chance, dass es in die Hose geht, größer | |
als andersrum. | |
Der Fußball ist der Aufgabe nicht gewachsen? | |
Das Video des Hertha-Profis [1][Salomon Kalou] hat eine arrogante | |
Grundhaltung anderen Menschen gegenüber gezeigt. Damit meine ich nicht nur | |
Kalou. Keiner hat sich da an etwas gehalten. Im ganzen System eines | |
Bundesligisten hat nichts gestimmt. | |
Eine Ausnahme, hieß es, nicht repräsentativ. | |
Die meisten Profis mögen das Konzept beachten. Dieser Ausreißer in dieser | |
Form zeigt aber, dass das Konzept eine Nummer zu groß ist. | |
Wie wird der von Ihnen befürchtete Schaden für den Fußball aussehen? Werden | |
die Fans ihrem Lieblingssport den Rücken kehren? | |
Das ist das eine. Es geht aber auch um den Ruf des Fußballs. Im DFB und | |
auch in der DFL wird viel positive soziale Arbeit für die Gesellschaft | |
geleistet. Das wird leider nur unterschwellig wahrgenommen. | |
Sie selbst haben im Nachhaltigkeitsbereich beim DFB gearbeitet. | |
Ja, und wenn das in die Hose geht, gibt es ein echtes | |
Glaubwürdigkeitsproblem. Das würde mir viel mehr wehtun. Der Fußball hat | |
eine [2][Vorbildrolle] auch in die Gesellschaft hinein. | |
Für das Image ist es auch nicht förderlich, dass der Fußball an diesem | |
Wochenende die Bühne des Profisports allein ausfüllt. Wie nehmen Athleten | |
anderer Sportarten das wahr? | |
Besonders toll wird es nicht gefunden. Wenn Sport auf Wettkampfniveau | |
betrieben werden kann, dann möchten das alle gerne. Es fühlt sich natürlich | |
sehr blöd an, wenn ein Bereich aus dem Gesamtsport so vorprescht und die | |
anderen im Regen stehen lässt – wobei man da differenzieren muss. | |
Inwiefern? | |
Beim Fußball geht es um direkte Arbeitnehmer und Arbeitsverträge. Es | |
bestehen ökonomische Abhängigkeiten. Dagegen sind viele Profis in anderen | |
Sportarten beispielsweise Studenten. Das ist eine andere und nicht | |
vergleichbare Konstellation. | |
Sie würden sich dennoch mehr Solidarität des Fußballs mit anderen | |
Sportarten wünschen? | |
Das wäre natürlich schön. Die Schwierigkeit ist eben, dass da sehr viele | |
Arbeitsplätze dranhängen, es um unermesslich viel Geld geht. Geld wiegt | |
aber keine Leben auf. Mehr Solidarität und Erdung wäre schöner. | |
Wobei einige Funktionäre anderer Sportarten das DFL-Konzept begrüßen. Sie | |
sehen den Fußball als Lokomotive, an die sie sich hängen können. | |
Ich möchte gern hören, was diese Leute sagen, wenn der erste Athlet mit | |
einem Profivertrag Sportinvalide wegen einer Covid-19-Erkrankung wird, weil | |
er sein Lungenvolumen nicht mehr erreicht und einen dauerhaften Schaden | |
hat. Ist das alles versicherungstechnisch abgedeckt? Sind die Athleten | |
abgesichert oder nicht? Ich weiß nicht, ob diese Risiken bis zum Schluss | |
durchkalkuliert sind. | |
Sie kämpfen für Athletenrechte. Beim DOSB wurden Athletenvertreter zuletzt | |
in die Gespräche miteinbezogen. Beim DFL-Konzept hatten die Fußballer | |
offenbar kein Mitspracherecht. | |
Ja, das ist ein Problem. Vielleicht ist es aber auch schwer, sich in so | |
einer Gesellschaft zu organisieren, wo es eigentlich jedem gut geht, und | |
Gemeinsamkeiten zu vereinbaren, wo man eigentlich alles hat. | |
Gegen die derzeitige Sonderstellung des Fußballs könnten Athleten anderer | |
Sportarten ihre Stimme erheben und für ihre Rechte kämpfen. Es ist aber | |
erstaunlich still. | |
Ich weiß nicht, ob es im Interesse der Athleten ist, das Gleiche wie der | |
Profifußball zu wollen. Es geht doch jetzt um viel mehr. Wir sollten uns | |
nicht wichtiger nehmen als die Gesellschaft. Der Sport kann auch positiv | |
auf Menschen und die Gesellschaft einwirken, ihnen sagen: Hey, Leute, wir | |
können gemeinsam vorwärtskommen, aber ihr müsst euch an diese und jene | |
Regeln halten. Da vermisse ich ein noch größeres Engagement der Athleten | |
und des Sports. | |
17 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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