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# taz.de -- Galerist über neue Formen der Kunst: „Kunst soll Zukunft generie…
> Die Berliner Galerie Eigen + Art öffnet nach den Corona-Schließungen ihre
> Türen wieder. Galerist Judy Lybke erzählt, was war und was kommen wird.
Bild: Installationsansicht der Ausstellung Ulrike Theusner, „All there is“
taz: Herr Lybke. Wann haben Sie Ihre Galerien wieder aufgemacht?
Judy Lybke: Seit dem 5. Mai arbeiten wir wieder in den Galerien in Berlin
und Leipzig sowie im Eigen + Art Lab. Die erste Ausstellung in der Berliner
Galerie ist die von Ulrike Theusner. Wir werden über die Dauer der
Ausstellung, die vom 28. Mai bis 4. Juli geht, Time Slots vergeben, in
denen die Sammler*innen die Ausstellung allein oder zu zweit ansehen
können. Gleiches gilt auch für die Ausstellung von Uwe Kowski vom 1. August
bis 12. September in der Leipziger Galerie.
Die Auseinandersetzung mit der Kunst und den Künstler*innen wird wesentlich
intensiver sein. Die Sammler und Sammlerinnen bereiten sich für den Besuch
vor, setzen sich mit der Kunst auseinander, und wir können viel
individueller auf die Besucher und Besucherinnen eingehen. Und wenn Slots
frei sind, empfangen wir unsere Sammler*innen natürlich auch spontan. Was
Ausstellungen im Eigen + Art Lab angeht, sind wir im Gespräch mit den
Künstler*innen.
War das alles so geplant? Oder haben Sie umgeplant?
Da wir ja langfristig mit unseren Künstler*innen arbeiten und sie sich über
lange Zeit auf die Ausstellungen vorbereiten, können wir nur gemeinsam mit
den Künstler*innen auf die sich immer wieder ändernden Situationen
reagieren. Wir zeigen die Ausstellung von Ulrike Theusner, auf die sie ein
Dreivierteljahr hingearbeitet hat, genau zu dem Zeitpunkt wie geplant. Die
Ausstellung mit Arbeiten des Italienischen Künstlers Nicola Samorì läuft
anders als geplant, sie haben wir auf die Zeit vom 3. September bis 31.
Oktober verschoben.
Was die finanzielle Lage angeht, bekomme ich widersprüchliche Meldungen.
Auktionshäuser wie Ketterer sprechen von höheren Umsätzen als üblich, weil
die Leute nach den Verlusten am Aktienmarkt hier sichere Wertanlagen
vermuten. Wie ist die Nachfrage nach Kunst in Ihren Galerien?
Im Online Viewing Room der Art Basel Hongkong haben wir Arbeiten verkauft.
Das lief erstaunlicherweise ganz gut. In der Galerie muss man sehen, wie
die nächsten Ausstellungen angenommen werden. Der intensivere Umgang mit
Zeit und die wieder tiefe Auseinandersetzung mit Kunst kann da helfen.
Die geplanten Ausgaben für die Art Cologne oder das Gallery Weekend in
Berlin, die jetzt nicht stattfinden, die können die Sammler doch trotzdem
realisieren? Die Sammler kennen ihre Galerien und die dort vertretenen
Künstler und Künstlerinnen. Und einen Künstler wie Neo Rauch muss die
Pandemie eigentlich nicht kümmern, oder?
Die Pandemie kümmert eigentlich alle. Bei Messen kommen viele Leute in
einem Moment zusammen. Sammler*innen, Galerist*innen, Künstler und
Künstlerinnen tauschen sich aus, man ist im Kontakt mit allen. Da sind
Messen einmalige Marktplätze und nicht zu ersetzen. Ausstellungen in den
Galerien können vielleicht sogar von der Einschränkung profitieren. Die
Ausstellung von Neo Rauch zeigen wir in unserer Leipziger Galerie vom 26.
September bis 28. November.
Wir werden dort, wenn sich an der Situation nichts ändert, wie jetzt bei
der Ausstellung von Ulrike Theusner, natürlich immer nur so viele Leute in
die Galerie lassen können, wie es die Bestimmungen erlauben. Wir werden
auch da mit Time Slots arbeiten. Da ist die Hinwendung zur Kunst und das
Sichvorbereiten durch den Besucher schon von den Rahmenbedingungen
bestimmt. Das wird eine sehr intensive Zeit für alle, natürlich auch für
die Galerie und die Künstler*innen.
Die Rolle der Messen ist natürlich zentral für das Auskommen der Galerien.
Gleichzeitig sind auf der Art Basel Aktivitäten schon vergangenes Jahr
stark über Onlinepräsentationen gelaufen. Ich erinnere an „Art Basel
Hongkong Online Viewing Room“ von Gagosian mit einem einzigen Gemälde von
Albert Oehlen, das für sechs Millionen Dollar verkauft wurde. Wie stark hat
sich der Handel schon vor Corona ins Internet verlagert?
Wir nutzen die digitalen Plattformen schon immer. Seitdem wir nicht mehr
mit Ektachromen arbeiten, arbeiten wir digital und sind im Internet
unterwegs. Auch Angebote wurden bereits vor Corona online versendet. Die
Online Viewing Rooms sind keine Neuerfindung, ersetzen natürlich aber auch
nicht den Besuch einer Ausstellung.
In Berlin muss die Flick Collection die Rieckhallen räumen. Und geht weg.
Ihr Mietvertrag wird nicht verlängert. So geht es auch vielen Künstlern und
Künstlerinnen. Günstige Lebenshaltungskosten, günstige Räume gibt es in der
Investorenhochburg Berlin nicht mehr. Hat die Stadt überhaupt noch Trümpfe,
weiter Standort der Kunst, der Künstler und Künstlerinnen zu sein?
Berlin wurde so oft hochgelobt und dann wieder totgeschrieben. Berlin hat
einen eigenen Rhythmus. Solange es nicht eine adäquate Stadt in Deutschland
gibt, die für Künstler*innen und Kreative längerfristig interessanter ist,
wird Berlin die Hochburg bleiben. Die einzige Stadt, die auch infrage
kommt, ist Leipzig. Leipzig ist ja auch immer wieder im Gespräch, auch dort
geht es rauf und runter mit den Zuschreibungen von außen. In Leipzig lebt
eine Gemeinschaft von jungen Leuten, die die Stadt bestimmt. Die nächste
junge Generation fragt sich nicht, ob es schlechter oder besser ist. Sie
lebt dort und entwickelt ihre Zukunftsvisionen für diese Stadt.
Kommt das bittere Ende für den Kunstbetrieb erst noch? Im Herbst, wenn die
Messen doch ausfallen, auch weil der internationale Flugverkehr noch immer
darniederliegt?
Im September wird es für alle etwas realer werden, was die Auswirkungen
dessen, was wir heute erleben, betrifft. Erst dann sind sie wahrscheinlich
in der Realität angekommen, und ich glaube, Kunst hat dann die Aufgabe, die
Kunst schon immer hatte, Zukunft zu generieren, Fragen zu stellen, aber
auch sinnbildend zu sein für eine Existenz, die außerhalb von allen
Paradigmen den Menschen ausmacht, und das ist Kreativität und
schöpferischer Reichtum. Das ist ein Wert, den wir auf jeden Fall auch im
September noch einmal viel deutlicher sehen werden und der bestimmt zu
einem Ausgleich herangezogen werden kann.
2 Jun 2020
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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