| # taz.de -- Schnapsläden in Indien: Kein Alkohol gegen Corona-Kater | |
| > Gedränge in Mumbai: In der indischen Metropole haben Tumulte bei der | |
| > Wiedereröffnung der Schnapsläden zu erneuten Schließungen geführt. | |
| Bild: Angespannte Stimmung vor einem Schnapsladen in Mumbai am 4. Mai | |
| Mumbai taz | Kilometer lange Schlangen von Männern sind auf den Videos zu | |
| sehen. Sie zeigen den Versuch, [1][in Indiens Wirtschaftsmetropole Mumbai] | |
| wieder den Verkauf von Spirituosen zu erlauben, der zur Bekämpfung der | |
| Coronapandemie verboten worden war. Doch kam es oft zu dichtem Gedränge. | |
| Manche Männer übernachteten gar vor den Läden, um am nächsten Morgen weiter | |
| vorn in der Schlange zu sein. Es sind zum Teil schockierende Aufnahmen, die | |
| tausendfach im Netz geteilt werden. | |
| Ganze zwei Tage waren knapp die Hälfte von Mumbais 475 | |
| Spirituosengeschäften geöffnet. Immer wieder mussten Polizisten zum Teil | |
| mit Schlagstöcken eingreifen, so hoch war der Andrang, dem Mumbais | |
| Stadtkommissar Praveen Pardeshi, kurzer Hand wieder ein Ende bereiten | |
| musste. | |
| Die Männermassen brachten Unruhe in [2][die Stadt, die sich eigentlich seit | |
| 25. März coronabedingt im Lockdown befindet]. | |
| ## Belagerng der Schnapsläden | |
| „Es fühlt sich an, als wären die Wochen, in denen wir zu Hause ausgeharrt | |
| haben, umsonst gewesen“, sagt die Drehbuchautorin Aditi verärgert. An dem | |
| Tag, an dem der Laden Irish Wines in ihrer Straße wieder aufmachte, war | |
| sie gerade für Besorgungen draußen: „Als ich über die Straße lief, fing e… | |
| Betrunkener an, mich anzumachen. Das war beschämend.“ | |
| Männer saßen in einer Rikscha und lachten. „Ich dachte zuerst, ich sehe | |
| nicht richtig, als ich so viele in der Mittagshitze dicht an dicht draußen | |
| vor dem Laden stehen sah,“ sagt Aditi | |
| Sonst sind die „Wine Shops“ in Mumbai, in denen es nur alkoholische | |
| Getränke gibt, eher unauffällig. Sie stammen aus der Zeit vor Indiens | |
| Unabhängigkeit. Erst abends entdeckt man die oft vergitterten Läden, wenn | |
| sich ihre meist männlichen Kunden vor dem Außenkauf über die Ladentheke | |
| lehnen, um ins Innere zu blicken. | |
| Denn betreten kann man nur die wenigsten. Die Schnapsflaschen gibt es nur | |
| aus diebstahlsicherer Ferne zu sehen. Doch zu Beginn dieser Woche wurden | |
| die Läden unübersehbar belagert. | |
| ## Verkauf durch geschlossenes Gitter | |
| „Die Leute waren schwer zu kontrollieren. Wir konnten selbst nur ein paar | |
| Häuser hinter uns die Lage im Griff behalten, damit zumindest dort der | |
| Sicherheitsabstand eingehalten wurde. Das gelang nur mit Hilfe privater | |
| Sicherheitsleute und der Polizei“, sagt Ladenbesitzer Munish Tahiliani. Am | |
| Montag hatte er erfahren, dass er am Dienstag wieder öffnen durfte. Doch er | |
| hatte schon ein mulmiges Gefühl. | |
| Verkauft habe er nur durch das geschlossene Gitter, dass er aus | |
| Sicherheitsgründen heruntergezogen hatte. Trotz Handschuhen, Masken und | |
| Desinfektionsmitteln war er besorgt, dass sich jemand aus seinem Team | |
| anstecken könnte: „Es kamen so viele. Wir hatten nicht mal Zeit, eine | |
| kleine Pause zu machen oder Wasser zu trinken“. | |
| Daher schloss er an seinem einzigen Verkaufstag seit Wochen zwei Stunden | |
| früher als geplant. Tahiliani machte mit Rum und Whisky einen guten Umsatz, | |
| doch bestärkte ihn dieser Tag darin, dass es für eine Eröffnung zu früh | |
| war. Kurz darauf kam denn auch das Verbot. | |
| Bis dahin durfte nur das Nötigste eingekauft und produziert werden. Umso | |
| überraschender kam die Ankündigung aus Delhi, dass die „Weinläden“, wie | |
| sich hier viele nennen, plötzlich öffnen durften. Viele Sozialarbeiter und | |
| Hausfrauen schüttelten nur mit den Köpfen. | |
| ## Mumbai braucht das Geld aus der Alkoholsteuer | |
| Denn plötzlich schienen die strengen Ausgangsbeschränkungen nicht mehr zu | |
| gelten. Mumbai ging das Risiko aber auch aus finanzieller Not ein. Seit | |
| dem Lockdown brachen die Steuereinnahmen im Bundesstaat Maharashtra | |
| komplett zusammen, es fehlte schlicht das Geld, um die Gehälter der Beamten | |
| zu bezahlen. | |
| Mit der Alkoholsteuer, die in Mumbai die höchste im gesamten Land ist, | |
| sollten die Kassen wieder etwas gefüllt werden. In anderen Regionen wurden | |
| deshalb eigens die Alkoholsteuern drastisch erhöht. | |
| Doch dass sich dann Tausende dicht aneinanderdrängen würden, hatte man wohl | |
| unterschätzt. Die Ingenieurin Gayatri war jedenfalls nicht überrascht: | |
| „Nach so langer Zeit war das zu erwarten.“ Hätte man die Spirituosenläden | |
| gleich offengelassen, wäre es sicher auch nicht so chaotisch geworden, | |
| meint sie. | |
| Sie hat aber Verständnis für die Entscheidung für die kurzfristige Öffnung. | |
| Denn auch ihr Gehalt als städtische Angestellte hängt von den | |
| Steuereinnahmen ab. Doch so viel Sympathie hatten nur wenige, mit Ausnahme | |
| derjenigen, die ihren Rausch genossen. | |
| 10 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Natalie Mayroth | |
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