# taz.de -- Küstenfischer leiden unter Coronakrise: Kopf knapp über Wasser | |
> In Marokko werden aufgrund der Coronakrise immer weniger Nordseekrabben | |
> gepult. Außerdem brechen den Küstenfischern Absatzmärkte weg. | |
Bild: Bleiben wegen Corona ungepult im Land: Nordseekrabben | |
HAMBURG taz | „Die Lage ist nicht so einfach“, schnackt Dirk Sander, | |
Fischer aus Nessmersiel. „Weil das Corona-Virus auch in Marokko grassiert, | |
kriegen wir unsere Krabben nicht mehr gepult.“ In Marokko werden höchstens | |
noch 20 Prozent der früheren Mengen verarbeitet. Ein Frauenjob. Die meist | |
jungen Pulerinnen müssen mittlerweile aus Sicherheitsgründen weit | |
auseinandersitzen, viele Frauen kommen gar nicht mehr zur Arbeit, aus Angst | |
sich anzustecken, erzählt Sander, der im Ehrenamt auch Vorsitzender des | |
Verbandes der Deutschen Kutter- und Küstenfischer (VDKK) ist. | |
Es habe wohl auch schon Corona-Infektionen in den marokkanischen Betrieben | |
gegeben. Bislang hatten die Logistikketten zwischen der deutschen | |
Nordseeküste und dem Land an der südlichen Mittelmeerküste noch gehalten. | |
Zurzeit werden aber gar keine Krabben mehr aus Deutschland im Kühllaster | |
nach Marokko und zurück gefahren. | |
Als Erstes hatte die Corona-Pandemie im März die Ostseefischer erwischt. | |
Sie verkaufen normalerweise ihre Fänge direkt vom Kutter. Von heute auf | |
morgen fehlten Absatzmöglichkeiten, als Touristen erst wegblieben und dann | |
die verbliebenen von den Regierungen aus den Küstenländern ausgewiesen | |
wurden. Damit brach auch die Nachfrage der Restaurants zusammen, später | |
noch die Nachfrage von Schulen und Kantinen im ganzen Land. | |
Vor allem in abgelegenen Regionen wie Rügen oder Vorpommern gehen für | |
Fischer „die Lichter aus“, sagt Peter Breckling, Generalsekretär des | |
Deutschen Fischerei-Verbandes (DFV) in Hamburg. Die meisten Ostseefischer | |
lebten hauptsächlich von Tourismus und Gastronomie: „Corona“ bescherte den | |
Familienbetrieben Umsatzeinbrüche von 80, 90 bis zu 100 Prozent. | |
Auch international herrscht Flaute. Auf den vor allem für Küstenfischer an | |
der Nordsee wichtigen Märkten in Frankreich und Holland machte sich die | |
Krise schnell bemerkbar, so Breckling. Italien falle derzeit als Abnehmer | |
ganz aus, in Rest-Europa zumindest sinke die Nachfrage. | |
Mit der Nachfrage fielen die Preise rapide. Vor drei Wochen haben die | |
schleswig-holsteinischen Fischer ein Kilo Ostseescholle nach Holland noch | |
für 2,20 Euro verkauft. Zuletzt bekamen sie 1,10 Euro dafür – wenn es | |
überhaupt Nachfrage gab. Einige Arten wie Flunder sind kaum noch | |
abzusetzen. | |
„Corona“ traf auf eine ohnehin angezählte Branche. Viele Betriebe haben das | |
vergangene Jahr allein mit der Perspektive geschafft, dass 2020 alles | |
besser werde. Und der Absatz war gut angelaufen, die Preise stiegen. In der | |
ersten Aprilwoche blieben die Kutter dann ganz am Kai liegen, berichtet | |
Krabbenfischer Sander. | |
Vom Montag bis Mittwoch vergangener Woche ging es noch kurzzeitig auf | |
Fangfahrt, ob es nun nach Ostern wieder für wenigstens kurze Zeit raus aufs | |
Meer geht, bleibt aber ungewiss. Wie abertausende kleine und mittlere | |
Firmen warten auch die Fischer nun auf Zuschüsse und Notkredite von der | |
KfW-Bank. Für die Beschäftigten auf den rund 1.500 Kuttern an Nord- und | |
Ostsee wird Kurzarbeitergeld beantragt. Der „gute Wille“ in der Verwaltung | |
von Bund und Ländern, den Fischern möglichst schnell zu helfen, sei täglich | |
zu spüren, berichtet Fischverbandschef Breckling. | |
„Auch die EU bewegt sich dieses Mal richtig schnell“. Um die Fischerei mit | |
Zuschüssen über Wasser zu halten, muss eine europäische Rechtsgrundlage | |
her. Breckling gegenüber der taz: „Deutschland darf der Fischerei gar nicht | |
im Alleingang mit Zuschüssen helfen, das muss auf europäischer Ebene | |
zugelassen sein.“ | |
Für Corona-bedingte Liegetage im Hafen plant die EU-Kommission eine | |
Entschädigung, welche die Festkosten der Fischer deckt. Bereits für | |
kommende Woche erwartet Breckling eine Zustimmung des Europäischen | |
Parlaments in Brüssel. | |
15 Apr 2020 | |
## AUTOREN | |
Hermannus Pfeiffer | |
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