| # taz.de -- Protestforscher über Klimadiskurs: „Das Klima wird ein Thema ble… | |
| > Was bedeutet die Coronakrise für Fridays for Future? Der Protestforscher | |
| > Simon Teune über Gefahren und Chancen für die Bewegung. | |
| Bild: Auch in Pandemie-Zeiten gibt es Klimaproteste – nicht nur im Netz: am F… | |
| taz: Herr Teune, ist der Klimadiskurs tot? | |
| Simon Teune: Die Diskussion über die Klimakrise ist mit dem | |
| Corona-Ausnahmezustand nicht beendet. Aber sie wird stark an den Rand | |
| gedrängt. Die aktuelle Situation ist für die Klimabewegung problematisch. | |
| Sie war schon vor der Pandemie in einer Phase der Neuorientierung. Nun | |
| absorbiert erstens das Coronavirus die öffentliche Aufmerksamkeit, zweitens | |
| sind die Möglichkeiten, sich über öffentliche Aktionen Aufmerksamkeit zu | |
| erkämpfen, begrenzt. Das [1][Versammlungsrecht] wird ja gerade selbst bei | |
| übersichtlichen Aktionen eingeschränkt, die das Abstandsgebot einhalten. | |
| Aber das gilt für alle gesellschaftlichen Akteur*innen. | |
| Bei der Klimabewegung ist es am sichtbarsten, weil sie davor so präsent war | |
| und gerade über Massenaktionen Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. | |
| Wird die Bewegung die Krise überleben? | |
| Ich denke, die Aktivist*innen haben Grund für Optimismus. Zum einen ist die | |
| Klimabewegung mit den Fridays for Future sehr erfolgreich dabei gewesen, | |
| sich auszubreiten und Allianzen jenseits der sozialen Bewegung zu | |
| schmieden. Das Thema ist jetzt breit gesetzt. Außerdem ist es nur eine | |
| Frage der Zeit, bis Klimathemen wieder auf die Agenda drängen – ganz ohne | |
| politische Anstrengungen. | |
| Sie meinen: Der nächste [2][Dürresommer] kommt bestimmt. | |
| Genau. Auch Journalist*innen, die keine Klimaexpert*innen sind, haben | |
| gelernt, dass die Klimakrise nicht nur im Kontext von Demos und | |
| Wetterextremen eine Rolle spielt, sondern an vielen Stellen. Und im | |
| Hinblick auf Wahlen mag Corona kurzfristig wichtig sein. Aber das Klima | |
| wird ein Thema bleiben, auf das Parteien dauerhaft Antworten entwickeln | |
| müssen. | |
| Aber viele Menschen werden mit gravierenden Problemen aus der Coronakrise | |
| kommen – Schulden, Arbeitslosigkeit, Existenznöte. Die Sorge um das Klima | |
| wird nachrangig sein. | |
| Deshalb ist es umso wichtiger, die soziale Dimension der Klimakrise in den | |
| Fokus zu stellen. Alle Formen von Ungleichheit werden durch die | |
| Coronakrise intensiviert. Fragen von Gewalt, Diskriminierung oder die | |
| Verteilung von Reichtum spitzen sich zu. Der Ausnahmezustand hat sehr | |
| unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene soziale Gruppen. Deshalb ist | |
| es wichtig, wenn man über das Klima redet, über Maßnahmen zu sprechen, die | |
| solche Verwerfungen im Blick haben. FFF hat das schon vor der Krise | |
| verstanden, das ist im letzten Jahr deutlich geworden. Da hat bei den | |
| Aktivist*innen ein sehr schneller Lernprozess eingesetzt. | |
| Welche Chancen bietet die Situation für die Bewegung? | |
| Die Rhetorik des Ausnahmezustands ist politisch nutzbar. In der aktuellen | |
| Situation zeigt sich, dass radikal einschneidende politische Maßnahmen | |
| möglich sind, wenn klar ist, dass es um Leben und Tod geht. Diese rigorose | |
| Haltung lässt sich unter bestimmten Bedingungen auch auf die Klimakrise | |
| anwenden. Man wird hinterher sagen können: „In der Coronakrise ging dies | |
| und jenes auch, wieso sollte es in Bezug auf die Klimakrise nicht gehen?“ | |
| Gerade beim Klimathema sind die Bedingungen dafür gut, denn es gibt ein | |
| gesellschaftliches Problembewusstsein. Die Frage ist eher: Wie gelingt es, | |
| dass auch ein politischer Wille entsteht, der Klimakrise mit radikalen | |
| Maßnahmen zu begegnen? | |
| Wie bewerten Sie das Agieren von FFF in der Krise? | |
| Bisher zeigen die Aktivist*innen einen ziemlich intelligenten Umgang mit | |
| der Situation. Sie haben akzeptiert, dass Corona jetzt das Thema ist, und | |
| gehen verantwortungsvoll damit um. FFF wurde sehr früh mit dem Aufruf | |
| wahrgenommen, nicht auf die Straße zu gehen, sondern im digitalen Raum zu | |
| protestieren. | |
| Für junge Aktivist*innen, die sich erst in diesem starken Klimajahr | |
| politisiert haben, ist es frustrierend, jetzt so ausgebremst zu werden. | |
| Wird die Bewegung schrumpfen? | |
| Die Sympathien sind ihnen bislang nicht weggeschrumpft. Die Frage ist, | |
| inwiefern der jetzige Zustand an den Kräften der Leute zehrt, die sich | |
| engagieren. Aber viele von ihnen sind eher privilegiert. Sie haben | |
| wahrscheinlich ein Polster, einen Arbeitsvertrag, der ihnen das Einkommen | |
| sichert. Es wird also nicht so sehr an ihrer Substanz zehren. | |
| 19 Apr 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Schipkowski | |
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