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# taz.de -- Berufung im G20-Prozess: Fischerhut auf Bewährung
> Anhand seines Hutes wollen ihn Polizisten als G20-Flaschenwerfer
> identifiziert haben. Kein Knast wegen guter Sozialprognose.
Bild: Demo 2019 in Kiel: Wie viele Fischerhüte verstecken sich hinter diesen T…
Hamburg taz | Manche sind mit Anglerhut gekommen. Vor dem Hamburger
Landgericht stehen rund 30 Personen verteilt auf zwei Straßenseiten, sie
haben Transparente mit der Aufschrift „Free Toto“ und „Kampf der
Klassenjustiz“ dabei. Einige von ihnen sind aus Kiel angereist, um den
Angeklagten zu unterstützen.
Der 33-Jährige Angeklagte, den seine Unterstützer*innen Toto nennen, war
wegen eines Flaschenwurfs beim G20-Gipfel zu einer [1][Haftstrafe von einem
Jahr und vier Monaten verurteilt worden.] Das Strafmaß war unter anderem so
hoch ausgefallen, weil er damals unter Bewährung wegen eines
Betäubungsmitteldelikts stand. Beide Seiten waren in Berufung gegangen.
Laut der Verteidigung sei die Schuld Totos nicht bewiesen. Der
Staatsanwaltschaft hingegen war die Strafe zu niedrig.
Am 7. Juli 2017 soll der 33-Jährige an der Ecke Altonaer
Straße/Schulterblatt eine Flasche in Richtung eines Wasserwerfers und
einiger Polizist*innen geworfen haben. Niemand wurde getroffen. Die
Beweisführung der Staatsanwaltschaft hatte sich in der ersten Instanz auf
die Aussagen von zwei Polizisten gestützt, die den Mann anhand eines
Fischerhuts in der Menge identifiziert haben wollen.
Allerdings ist unklar, ob Toto überhaupt einen Fischerhut trug, im
Polizeiprotokoll steht davon nichts. Zudem dürfte er, wenn er einen solchen
Hut trug, nicht der Einzige gewesen sein. Der modische Fehlgriff aus den
90er-Jahren ist ein beliebtes Accessoire bei Hooligans, Rapper*innen,
Wutbürger*innen, aber auch in Teilen der linken Szene.
## Keine Zeugen gehört
Gleich zu Beginn der Berufungsverhandlung machte Richter Carsten Engler
deutlich, dass er kein Interesse daran habe, den ganzen Prozess wieder
aufzurollen. Auf einen Freispruch brauche der Angeklagte nicht zu hoffen.
Engler stellte aber in Aussicht, sich vielleicht auf eine Bewährungsstrafe
einzulassen, wenn Toto das Urteil aus der ersten Instanz anerkenne.
Das käme allerdings einem Geständnis gleich – schwierig für jemanden, der
auf seine Unschuld pocht. Und unmöglich für jemanden, der einen politischen
Prozess im G20-Kontext führt und [2][von der Roten Hilfe] unterstützt wird.
Dennoch erkannte Totos Verteidiger Björn Elberling das Urteil widerstrebend
an. Der Anwalt betonte aber: „Ich bin überzeugt, dass mein Mandant die Tat
nicht begangen hat.“ Die Staatsanwältin forderte ein richtiges Geständnis
und eine Entschuldigung, aber die gab es nicht.
Am Ende ließ sich der Richter trotz der Vorstrafen des Angeklagten von
dessen guter Sozialprognose überzeugen. Der 33-Jährige sei nicht gut
integriert, „sondern exzellent“, sagte Engler. Toto ist stellvertretender
Betriebsrat bei einem Dienstleistungsanbieter, außerdem engagiert er sich
bei der Gewerkschaft Ver.di. Die Kammer einigte sich auf eine vierjährige
Bewährungsstrafe.
Verteidiger Elberling ist damit zufrieden, obwohl die Zweifel an den
Polizeiaussagen und die fragwürdige Identifizierung anhand des Fischerhuts
mit dem Urteil bestehen bleiben. Der Angeklagte selbst ist erleichtert:
„Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagt er.
16 Apr 2020
## LINKS
[1] /Fragwuerdiges-Urteil-in-G20-Prozess/!5653053/
[2] /Rechtsbeistand-fuer-Linksradikale/!5653609/
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
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Rote Hilfe
Justiz
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