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# taz.de -- Ex-AfDler wird Enthüllungsjournalist: Es wallrafft in Bremen
> Seine Mitgliedschaften in der AfD und der rechtspopulistischen BIW waren
> ein „Experiment“, sagt Hinrich Lührssen. Jetzt schreibt er ein Buch.
Bild: Nach Mitgliedschaften in AfD und BIW gibt er sich geläutert: Der ex-Repo…
BREMEN taz | | Hinrich Lührssen wird Enthüllungsjournalist. Nachdem er
früher einmal launige Beiträge für das Radio-Bremen-Regionalmagazin „buten
un binnen“ über niedersächsisch-bremische Grenzen auf Campingplätzen machte
oder für „Stern TV“ als „Pommes-Polizist“ unterwegs war, schreibt er n…
ein Buch. Über die AfD. Und über die rechtspopulistische Bremer
Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW).
Denn nun ist es beendet, sein 22-monatiges „persönliches und
journalistisches Experiment“, wie er sagt. Das sah folgendermaßen aus:
[1][Im Sommer 2018 trat Lührssen in die AfD ein], um als ihr
Spitzenkandidat für die anstehende Bremer Bürgerschaftswahl anzutreten.
Seinen Parteieintritt begründete er damit, dass Bremen eine „starke
konservative Kraft“ bräuchte.
Es müsse auf Themen wie „die anhaltende Vergeudung von Steuergeldern, auf
die enorme Verschuldung, auf die Versäumnisse in der Bildungspolitik und
auf die Hilf- und Handlungslosigkeit in der Asylpolitik klare konservative
Antworten geben“.
Nachdem allerdings der durch einen [2][angeblichen Kantholz-Angriff]
bundesweit bekannt gewordene Bremer AfD-Landeschef [3][Frank Magnitz]
Lührssens Plan, Spitzenkandidat zu werden, in letzter Minute durchkreuzt
hatte, verließ Lührssen im Februar 2019 die AfD wieder. „Der Spuk ist
endlich beendet“, teilte er mit – und wechselte zur Bremer AfD-Konkurrenz,
den Bürgern in Wut.
Auch dort wurde Lührssen, der aufgrund seiner politischen Tätigkeit nun
keine journalistischen Aufträge mehr erhielt, Spitzenkandidat. [4][„Weil er
Klartext redet“], stand auf seinen Wahlplakaten für die BIW.
„Er hat sich sehr eingebracht und sich intensiv am Wahlprogramm beteiligt“,
sagt der BIW-Vorsitzende Jan Timke. Er erinnere sich noch, dass damals in
einschlägigen sozialen Netzwerken Gerüchte kursiert hätten, nach denen
Lührssen „ein U-Boot“ sei: „Darüber haben wir natürlich auch gesproche…
Lührssen habe das aber glaubhaft von sich gewiesen. „Sein Eintritt bei uns
war ein ernsthaftes Anliegen.“
Dass Lührssens Ausflug in die rechte parteipolitische Welt ein „Experiment“
gewesen sein soll, glaubt er nicht: „Vielleicht steckt eher dahinter, dass
Not erfinderisch macht.“ Denn schließlich hat’s mit der Kandidatur für die
BIW auch nicht geklappt; Lührssen verpasste im Mai 2019 den Einzug in die
Bürgerschaft. Und Jobs als Reporter hat er auch keine mehr.
Er habe die deutsche Flüchtlingspolitik nach 2015 kritisch gesehen, sagt
Lührssen. Gleichwohl sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich bei
seinem Eintritt in die AfD um ein Experiment handeln sollte „und dass ich
ein Buch darüber schreiben will – allerdings mit offenem Ausgang und
natürlich nicht so wie Wallraff. Schließlich bin ich ja mit meinem echten
Namen aufgetreten.“ Bei den Bürgern in Wut habe er dann weitere politische
Erfahrungen sammeln wollen.
Während er über die BIW nicht viel zu erzählen hat, außer dass sein Buch
die Frage beantworten wird, „was die Bürger in Wut mit Hygiene-Spray und
Nahrungsergänzungsmitteln zu tun haben“, hat er über die AfD eine ganze
Menge zu sagen: Dass dort die Demokratie in Deutschland mit der
DDR-Diktatur gleichgesetzt werde. Dass über Angela Merkel behauptet werde,
sie habe als „IM Erika“ für die Stasi gearbeitet. Dass die Kanzlerin den
„Morgenthau-Plan“ verwirklichen wolle. Dass Geflüchteten der Tod gewünscht
und Xavier Naidoo als Nationalheld verehrt werde. Und dass es all das, so
glaubt es zumindest Lührssen, „im Jahr 2018 so noch nicht gegeben hat. Da
ging es noch viel mehr um den Ärger über die Flüchtlinge.“
Nichts von alldem, was Lührssen der AfD oder zumindest vielen ihrer
Mitglieder vorwirft, ist neu. Aber vielleicht behält er die spektakulärsten
Enthüllungen auch für sich, schließlich will er ja, dass die Menschen sein
Buch kaufen, das im Herbst erscheinen soll. Da soll es nämlich auch um den
„Umgang mit Steuergeldern und falschen Bescheinigungen“ und „die
Hintergründe der Kantholz-Affäre“ gehen. Weiß er gar, wer die Täter waren?
Natürlich verrät er nicht, was er damit meint: „Die Kantholz-Geschichte
soll eine Überraschung werden“, sagt er.
## Austritt per Whatsapp
Timke sieht dem Buch gelassen entgegen: „Ich wüsste nicht, was es über die
BIW zu enthüllen gäbe“, sagt er. „Ich fände es aber einen groben
Vertrauensmissbrauch, wenn er über interne Vorstandssitzungen schreiben
würde.“ Viele BIW-Mitglieder seien menschlich sehr enttäuscht von Lührssen:
„Er war zwar schon seit Monaten inaktives Mitglied, aber wir hatten nie
irgendeinen Dissens.“
Und schließlich sei Lührssen nicht nur schweigender Beobachter gewesen,
sondern Spitzenkandidat: „Auch für die AfD wollte er das ja werden – damit
sollte man keine Experimente machen, schließlich missbraucht man damit das
Vertrauen der Wähler. “ Er hätte sich wenigstens ein persönliches Gespräch
gewünscht, Lührssen aber habe seinen Austritt per Whatsapp erklärt.
Nicht alles, was er getan habe, sei durchdacht gewesen, sagt Lührssen und:
„Ich will nicht mehr als rechts gebrandmarkt werden.“ Der Frage, ob denn
irgendjemand eingeweiht gewesen sei in sein „Experiment“ und seine
Buchpläne, weicht er aus. Sein ehemaliger Auftraggeber Radio Bremen
jedenfalls weiß von nichts: „Herr Lührssen hat uns nicht darüber informiert
hat, dass er ein journalistisches Experiment plant oder ein Buch schreibt“,
heißt es dort.
16 Apr 2020
## LINKS
[1] /!5525599/
[2] /Neues-zum-Ueberfall-auf-AfD-Politiker/!5561196&s=kantholz+magnitz/
[3] /AfD-Bremen-konzentriert-die-Macht/!5566640&s=frank+magnitz/
[4] /Archiv-Suche/!5593068&s=hinrich+l%C3%BChrssen+klartext&SuchRahmen=…
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
AfD Bremen
Bürger in Wut
Schwerpunkt Bürgerschaftswahl Bremen 2023
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