| # taz.de -- Neues Album von Pantha Du Prince: Klingende Natur | |
| > Quarantäne-Sound: Elektro-Produzent Pantha Du Prince versucht sich auf | |
| > dem neuen Album „Conference of Trees“ an musikalischem „nature writing�… | |
| Bild: Der mit den Bäumen tanzt: Pantha du Prince | |
| Wer sich in letzter Zeit den Buchmarkt genauer angeschaut hat, wird gemerkt | |
| haben, dass das sogenannte Nature Writing in all seinen Facetten immer mehr | |
| Leser*innen begeistert – und sich bestens verkauft. Die von [1][Judith | |
| Schalansky] kuratierte Buchreihe „Naturkunden“, um ein Beispiel zu nennen, | |
| weiß in ihren Leinencovern das Bildungsbürgertum mit Texten über Hanf oder | |
| Brennnesseln zu Tränen zu rühren. | |
| Ein anderes Phänomen stellt Peter Wohllebens „Das geheime Leben der Bäume“ | |
| dar: Erst rockte es monatelang als Hardcover die Spiegel-Charts, nun kommt | |
| sogar seine Verfilmung in die Kinos. | |
| Zwischen „Hambi bleibt“ und Greta Thunberg hat sich ein riesengroßes | |
| Fenster für kulturelle „Naturprodukte“ aufgetan. Auch von daher ließe sich | |
| dem Hamburger Elektronikproduzenten Hendrik Weber ein gewisses Maß an | |
| Opportunismus bescheinigen. Denn der 45-jährige Musiker, den man eher unter | |
| seinem Alias [2][Pantha du Prince] kennt, schlägt mit seinem neuen Album | |
| „Conference Of Trees“ ebenfalls in die Natur-Kerbe. Apropos schlagen: In | |
| den zehn Tracks des Albums wird ausdauernd getrommelt, geklopft und | |
| gehämmert. | |
| Pantha du Prince tauchte Mitte der Nullerjahre auf der Tanzfläche auf. Sein | |
| feingliedriger, romantischer Deep-House-Entwurf war beim Hamburger Label | |
| Dial bestens aufgehoben. Von hoher Eleganz getragen war etwa „Saturn | |
| Strobe“, jener Überhit seines Albums „This Bliss“ (2007). Ein dandyesker | |
| Elektroniksound, gestützt von Streichern und akzentuiert von Glöckchen, | |
| platzierte sich in allen maßgeblichen Jahrescharts, weil der Sound minimal | |
| in seiner Struktur war, aber zugleich eben auch dick auftrug. | |
| ## Best of von Pantha Du Prince | |
| Danach folgten drei Alben für das britische Indielabel Rough Trade, wovon | |
| eines („Element of Lights“) für seinen Übergang zur Minimal Music zurecht | |
| hochgelobt wurde. Das neue Werk, „Conference of Trees“ wirkt nun wie ein | |
| Best-of des Künstlers, wenn auch vielleicht eher ungewollt. Trotz gewisser | |
| Winkelzüge klingt vieles sehr vertraut und es wurde eher wenig Neues | |
| gewagt. Weber habe zwischenzeitlich mit dem Gedanken gespielt, sich von der | |
| Musik zu verabschieden, so lässt sich der Künstler im Pressetext zitieren. | |
| Auf die Musik des Albums bezogen, könnte man auch sagen: Man findet lieb | |
| gewonnenes wieder. Hier klimpern die Trademark-Glöckchen, die sich immer | |
| wieder Bahn brechen, dort zur Mitte des Werks hin sind die | |
| Drum-Machine-Sounds, die man aus den House-Produktionen kennt, sehr | |
| prominent. | |
| Sie haben stets diesen leicht dubbigen Swing und sind im Zweifel immer als | |
| Pantha-du-Prince-Drums zu erkennen. Das wird Fans der | |
| dezent-experimentellen elektronischen Musik begeistern. Wer das Neue dem | |
| Bekannten vorzieht, wird allerdings enttäuscht zurückbleiben. | |
| Dabei beginnt „Conference of Trees“ sehr verheißungsvoll. Der Auftakt | |
| „Approach In A Breeze“ eröffnet mit langen Son-filé-Tönen eines Cellos, … | |
| in direkte Korrespondenz mit den dezenten Geräuschen aus verschiedensten | |
| (elektronischen) Soundquellen treten. Man hört förmlich das Holz zwischen | |
| allen Noten knarzen. | |
| ## Regenschauer im Wald | |
| Und gleitet über zu „Transparent Tickle Shining Glaze“, einem | |
| leicht-ätherischen Percussion-Exkurs, der haarscharf aber gekonnt an | |
| New-Age-Ästhetik vorbeischrammt – und trotzdem einen Regenschauer im Wald | |
| emuliert. Es trippelt und klopft; bis hierhin ist es wunderbar behagliche | |
| Stimmungs-Musik, die gerade in der zwanghaften Quarantäne dieser Tage im | |
| eigenen Wohnzimmer das Gefühl von Weitläufigkeit und offenem Gelände | |
| vorgaukeln kann. | |
| Doch allmählich verfällt „Conference Of Trees“ etwas zu sehr in | |
| Idiosynkrasien und Zitieren der eigenen Vorgänger. Wie kombiniert man jene | |
| Soundflächen und Naturbezüge mit Bass- und Kick-Drum? Eine Problemstellung, | |
| an der schon manch andere gescheitert sind. | |
| Erstaunlicherweise kratzt das Album zum Finale hin noch mal die Kurve. Der | |
| abschließende Track „Lichtung“, der locker die Zehn-Minuten-Schallmauer | |
| überschreitet, ist ein Highlight. In den Ambient-Stücken scheint das | |
| Konzept des Werks – Kommunikation von Bäumen in Form von Klang darzustellen | |
| – aufzugehen. Doch leider wird diese Spannung nicht durchgezogen, die Angst | |
| bloß ein Ambient-Album zu produzieren, war wohl zu groß. | |
| Es wäre gleichwohl konsequent gewesen, auf Technologie zu verzichten. | |
| Nicht, weil es unmöglich ist mit technischen Mitteln Natur einzufangen, | |
| aber wer von naturbelassenen Rückzugsorten träumt, braucht gute Gründe für | |
| den Einsatz von Drumcomputern. Das Vertrauen in die Xylophone und | |
| selbstgebastelten Holz-Percussions hätte also gerne größer sein dürfen. So | |
| bleibt das Spannungsfeld zwischen Natur und Technik für dieses Album dann | |
| doch merkwürdig unaufgelöst. | |
| 11 Apr 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Lars Fleischmann | |
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