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# taz.de -- Sport im Shutdown: Ringen vor Geistern
> Im Wrestling läuft die Show schon wieder – ohne Live-Publikum. Das Event
> könnte Vorbild sein für die großen Profi-Ligen im US-Sport.
Bild: Unverwüstlich: Dem Undertaker (r.) kann weder Gegner noch Corona etwas a…
Okay, wir könnten jetzt beschließen, dass Wrestling nicht nur knallbuntes
Entertainment mit Comic-Charakteren in clever inszenierten Storylines ist,
sondern echter Sport. Dann, ja dann könnten wir in dieser Kolumne
tatsächlich mal wieder über Sport berichten. Denn die Show muss weitergehen
und so eine kleine Pandemie konnte die [1][WWE] nicht davon abhalten, das
„Wrestle Mania“-Event Nummer 36 über die Bühne gehen zu lassen.
Nicht wie geplant in einem Stadion in Tampa vor mehr als 60.000 Zuschauern,
sondern hinter verschlossenen Toren in einem Trainingskomplex in Orlando –
und mit Stars wie Becky Lynch, Charlotte Flair und Brock Lesnar, die sich
in insgesamt 18 Kämpfen reichlich mit schmierinfektionstauglichen
Körperflüssigkeiten eindeckten. [2][Der Undertaker war übrigens auch
dabei], obwohl er mit 55 Jahren kräftigen Schrittes in Richtung
Hochrisikogruppe unterwegs ist.
„Wrestle Mania“-Moderator Gronk, einst unter dem Namen Rob Gronkowski als
Football-Profi der New England Patriots dreimaliger Gewinner des „Super
Bowl“, gab die Linie vor: „Macht euch ein Bier auf, vergesst, was da
draußen in der Welt gerade passiert, und lasst euch unterhalten.“ Der
US-Sport hatte ja noch [3][nie große Berührungsängste zum Entertainment],
aber in diesem Fall blickten die Verantwortlichen der großen US-Ligen von
Basketball über Eishockey und Baseball bis zum Football aus anderen Gründen
interessiert zum Catchen.
Denn in Orlando wurde eines jener Szenarios durchgespielt, die hinter den
Kulissen längst eifrig diskutiert werden. Unter welchen Bedingungen kann
der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden? Denn auch wenn die NBA oder die
NFL ein paar Milliönchen mehr umsetzen als der Blumenladen an der Ecke –
ohne Einnahmen können auch die schwerreichen Teambesitzer nicht ewig die
laufenden Kosten decken. Ganz zu schweigen von den Jobs, die direkt oder
indirekt von der Sportindustrie abhängen, von Platzanweisern,
Merchandising-Verkäufern oder Parkwächtern, die jetzt Sozialhilfe
beantragen müssen.
## Vorbild Catchen
Dass ein Sportevent ohne Publikum und in Trainingshallen funktionieren
kann, hat „Wrestle Mania“ gezeigt. Auch wenn es Unterschiede zwischen einem
Basketballspiel und einem inszenierten Wrestling-Abend gibt, die
Produktionsbedingungen sind vergleichbar. Dass die Einschaltquoten
hervorragend waren und der Traffic in den sozialen Medien den von
vorherigen, regulären WWE-Events übertraf, bewies zumindest, dass das
TV-Publikum sich mit diesem kastrierten Format anfreunden kann – zumindest
für eine gewisse Zeit.
Dass diese Übergangszeit nicht allzu lang wird, liegt offensichtlich auch
im Interesse von Donald Trump. Am Samstag lud der Präsident die Chefs von
17 Sport-Ligen zu einer Telefonkonferenz. Dort verkündete er, dass er
hoffe, bereits im August oder doch spätestens im September wieder große
Sportveranstaltungen erlauben zu können – auch mit Zuschauermassen.
Er hofft, damit auch die Gesamtwirtschaft wieder ankurbeln zu können. Der
Präsident, so wird es kolportiert, sorgt sich vor allem um den pünktlichen
Beginn der NFL-Saison, deren erstes Vorbereitungsspiel für den 6. August
angesetzt ist. Unter den Anhängern des Profi-Football vermutet Trump wohl
nicht zu Unrecht den Großteil seiner Wähler. „Ich will die Fans zurück in
den Arenen“, sagte er nach der Konferenz, „und das so bald wie möglich.“
Andere teilen diesen Optimismus nicht, dass die Gladiatoren dermaßen
kurzfristig zurückkommen, um abzulenken vom Versagen der Politik in der
aktuellen Krise. Gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass im August
Football-Spiele mit mehreren Zehntausend Zuschauern stattfinden werden,
antwortete Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien: „Nein, nicht in
diesem Bundesstaat.“ Ähnliches ließ New Yorks Andrew Cuomo wissen: „Ich
wünschte, es gäbe wieder Sport zu sehen – schon als Mittel gegen den
Lagerkoller.“ Aber, so Cuomo, das sei bloß Wunschdenken – und die Realität
ist eben kein Wrestling-Drehbuch.
8 Apr 2020
## LINKS
[1] https://www.wwe.com/
[2] /Krise-der-Wrestlingbranche/!5608031
[3] /US-Sport-als-Show/!5621266
## AUTOREN
Thomas Winkler
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