# taz.de -- Reaktion auf die Coronakrise: Dublin-Abschiebungen ausgesetzt | |
> Das Bamf schickt keine Flüchtlinge mehr in andere EU-Länder zurück. Um | |
> die Asylverfahren will sich Deutschland aber trotzdem nicht selbst | |
> kümmern. | |
Bild: Abschiebung aus Sachsen nach Afghanistan. Archivbild aus dem Sommer 2019 | |
BERLIN taz | Das Bundesinnenministerium hat aufgrund der [1][Coronakrise] | |
sämtliche Abschiebungen in andere EU-Staaten gestoppt. Damit wird die | |
sogenannte „Dublin-Überstellung“ vorerst außer Kraft gesetzt. | |
Gemäß der Dublin-Verordnung wird bei einem Asylantrag überprüft, welches | |
Land für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bei | |
Anhaltspunkten für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates leitet | |
das für Asylverfahren zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge | |
(Bamf) ein sogenanntes Dublin-Verfahren ein, das zu einer Abschiebung in | |
das zuständige EU-Land führen kann. | |
In der Praxis hatte das Bamf bereits seit vergangener Woche alle | |
Dublin-Überstellungen ausgesetzt, wie aus laufenden Dublin-Verfahren | |
bekannt wurde. | |
Der Grund: Wegen derzeit geschlossener Grenzen und geltender Reiseverbote | |
seien solche Abschiebungen „nicht zu vertreten“, teilte das Bundesamt in | |
einem Schreiben vom 18. März an die Verwaltungsgerichte mit. Die zeitweise | |
Aussetzung der Überstellungsverfahren bedeute jedoch nicht, dass die | |
Dublin-Staaten nicht mehr zur Übernahme bereit und verpflichtet wären, | |
heißt es weiter. Vielmehr sei der Vollzug nur vorübergehend nicht möglich. | |
## Kritik von Pro Asyl | |
Das Bamf werde die anderen Mitgliedstaaten umgehend über diese Entscheidung | |
informieren, teilte die Behörde nun am Montag mit. Die zeitweise Aussetzung | |
der Abschiebungen führt laut Bundesamt jedoch nicht zum Ablauf der | |
jeweiligen Dublin-Überstellungsfrist. Diese sechsmonatige Frist, nach deren | |
Ablauf die Zuständigkeit für das Asylverfahren auf Deutschland übergehen | |
würde, werde unterbrochen, laufe also nicht weiter. | |
Das Bundesinnenministerium plant, mit der EU-Kommission in Kontakt zu | |
treten und diese um die Koordinierung eines einheitlichen europäischen | |
Vorgehens zu bitten, um bereits geplante Überstellungen zu einem späteren | |
Zeitpunkt nachzuholen, teilte eine BMI-Sprecherin der taz am Dienstag mit. | |
Kritik an der Aussetzung der Überstellungsfristen äußerte die | |
Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. „Die Überstellungsfristen müssen | |
weiterlaufen, da ansonsten die Betroffenen in einem zermürbenden | |
Schwebezustand sind und noch länger als üblich nicht wissen, wie es mit | |
ihnen weitergeht“, erklärte Wiebke Judith, rechtspolitische Referentin von | |
Pro Asyl, der taz. Daher fordert die Flüchtlingsorganisation, dass | |
Deutschland sein Selbsteintrittsrecht nutzen und die Asylverfahren in | |
Deutschland durchführen solle. | |
Ob die Aussetzung der Abschiebungen in Zukunft auch für Nicht-EU-Staaten | |
gelten soll, ist derzeit unklar. Laut Angaben von Pro Asyl wurde eine für | |
die zweite Aprilwoche geplante Sammelabschiebung nach Kabul bereits | |
abgesagt. Aus Sachsen waren aber letzte Woche noch [2][viele gut | |
integrierte Geflüchtete nach Afghanistan zurückgebracht worden.] | |
In anderen europäischen Ländern werden Rückführungen nach Afghanistan | |
derweil eingestellt. So teilte die schwedische Polizei mit, dass die | |
afghanischen Behörden keine Rückkehrer aus Schweden mehr aufnehmen würden. | |
„Was für Dublin-Überstellungen gilt, muss erst recht für Abschiebungen in | |
Drittstaaten gelten“, forderte Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin | |
der Grünen-Bundestagsfraktion. Die medizinische Versorgungssituation und | |
die teils unklare epidemiologische Lage in vielen Drittstaaten würden eine | |
erfolgreiche Eindämmung des Coronavirus gefährden, sagte Polat der taz. | |
„Insbesondere Sammelabschiebungen sind unzumutbar und müssten sofort | |
eingestellt werden“, so die Grünen-Abgeordnete. | |
24 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Georg Sturm | |
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