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# taz.de -- Projekt zur globalen Energiewende: Ideenaustausch in Irland
> In einem Masterkurs in Irland sprechen internationale Ingenieure über die
> Energiewende. Sie merken: Ihre Staaten haben ähnliche Probleme.
Bild: Ein Fischkutter aus Carrigaholt in der Mündung des Shannon River
Dublin taz | „Die Menschen sind sehr offen“, sagt Luis Restrepo. „Sie hab…
viele Ideen, wie man unabhängig von den großen Stromanbietern werden kann.“
Der 30-Jährige stammt aus Kolumbien. Er ist Wirtschaftsingenieur, arbeitete
in seiner Heimat in einer Bank, wo er für die Finanzierung nachhaltiger
Energieprojekte zuständig war. Doch jetzt ist er in Carrigaholt auf der
Halbinsel Loop Head im Südwesten der irischen Grafschaft Clare.
Zusammen mit zwölf anderen jungen Leuten aus Asien, Afrika und
Lateinamerika nimmt Restrepo an einem Masterkurs in Energie- und
Umweltmanagement der Europa-Universität Flensburg teil. Der fünfwöchige
Aufenthalt in Carrigaholt ist Teil des Studiums. Und es zeigt sich: Die
Probleme und Erfolgsstrategien für nachhaltige und dezentrale
Energieversorgung sind in Industrie- und Schwellenländern ähnlicher als
gedacht.
Die Kursteilnehmer verfügen über ein abgeschlossenes Bachelorstudium und
mehrere Jahre Berufserfahrung. Kanchan Bohara aus Nepal ist
Elektroingenieurin, in Kathmandu doziert sie an einer privaten Hochschule.
„In Entwicklungsländern wie Nepal herrscht Energiearmut. Wir sind hier, um
neue Ideen und Energiekonzepte kennenzulernen und sie später zu Hause
anzuwenden“, sagt die 28-Jährige. Die Bedingungen seien hier ähnlich wie in
den Heimatländern, fügt Restrepo hinzu.
Damit verschiebt sich auch im Umweltbereich der Begriff der
„Entwicklungshilfe“ in Richtung echter globaler Partnerschaft: Experten und
Praktiker aus dem globalen Süden suchen nach Lösungen für die Probleme des
Nordens. Gleichzeitig lernen sie aus der europäischen Situation für die
Arbeit in ihren Heimatländern.
Das Fischerdorf Carrigaholt liegt an der Mündung des Moyarta, der hier in
den Shannon fließt, den längsten Fluss der Britischen Inseln. Vom Hafen aus
fahren Boote zur Mündung des Shannon, wo die größte Tümmlerherde Europas
lebt. Loop Head ist 2010 zur European Destination of Excellence (EDEN) im
Bereich Wassertourismus ernannt worden – ein Projekt der Europäischen
Kommission zur Förderung nachhaltiger Tourismusmodelle.
Das ist auch das Konzept des Loop Head Energy Action Partnership (LEAP),
des irischen Partners des Flensburger Programms. „Dazu gehört nachhaltige
Energie“, sagt John Aston, ein Mitbegründer von LEAP. Mit Hilfe der
Flensburger will man zunächst herausfinden, wie viel Strom auf der
Halbinsel benötigt wird, wie viel davon importiert und wie viel vor Ort
generiert werden könnte. Die Mitarbeit der BewohnerInnen ist dabei
entscheidend. „Ziel ist es, eine lokale Initiative anzustoßen, bei der die
Menschen gemeinsam an Energieprojekten arbeiten, ob Wind, Wasser oder
Sonne. Der Anreiz ist, dass dadurch auch Jobs und Einkommen geschaffen
werden“, sagt Ashton. Ähnliches gilt auch für viele Projekte in Kolumbien
oder Nepal; die Kursteilnehmer fühlen sich an zu Hause erinnert.
Schlüssel zum Erfolg sei neben der Beteiligung der Bevölkerung auch die
Unterstützung durch staatliche Stellen, meint Aston. Es gab in der
Vergangenheit bereits ähnliche Projekte, aber die Initiative kam stets von
den großen Energieunternehmen. „Dieses Projekt ist dagegen in der
Gemeinschaft verankert“, sagt Aston. „Die Menschen sollen Teil der Lösung
werden. Und diese Lösung muss für Bewohner und Touristen attraktiv sein.“
In den vergangenen 18 Jahren habe man solche Projekte in Schottland
durchgeführt, sagt Bernd Möller, Professor an der Uni Flensburg, der das
Projekt vor Ort begleitet. „Aber wegen des Brexit mussten wir mit
Visaproblemen für die Studenten und Studentinnen rechnen“, sagt er. „Wir
haben deshalb nach einem sicheren Ort gesucht, an dem ähnliche Probleme wie
in den Heimatländern der Teilnehmer herrschen – eine schwache Infrastruktur
und Energiearmut.“ Das Programm ist populär, 200 Leute hatten sich
beworben.
Dabei ist es derzeit kalt und regnerisch in Carrigaholt, Touristen gibt es
um diese Jahreszeit auch ohne Coronakrise kaum. Erst wenn es wärmer wird,
kommen die Besucher – vor allem, um den Leuchtturm an der Spitze der
Halbinsel zu besichtigen. Dort wurden einige Szenen der 8. Episode von
„Star Wars“ gedreht. „Die meisten von uns sind solches Wetter nicht
gewöhnt“, sagt Bohara, „aber die Menschen hier sind viel freundlicher als
in Flensburg. Hier grüßt man sich auf der Straße.“ Man habe sehr viele
Gespräche mit Ortsansässigen geführt, mit Betreibern von Hotels, Pensionen,
Restaurants und Kleinunternehmen. Viele Bauern wollen kooperieren, sie
haben eigene Ideen eingebracht. „Das muss auch so sein“, sagt Bohara. „Die
Bewohner von Loop Head sollen diese Ideen ja umsetzen.“
Das Potenzial sei da, die Abhängigkeit von importiertem Strom zu
reduzieren, sagt Möller: „Diese Initiative kann den Weg für andere
Gemeinden ebnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir kommen nächstes
Jahr zurück nach Loop Head.“
10 Jun 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Erneuerbare Energien
Irland
Nepal
Schwerpunkt Klimawandel
Datteln
Energiewende
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)
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