# taz.de -- Mein Smartphone und ich: Ein Liebesgeständnis | |
> Erst wollte ich dich nicht, jetzt kann ich mir ein Leben ohne dich nicht | |
> mehr vorstellen. Und gerade in Zeiten von Corona bist du unerlässlich. | |
Bild: Weißt du noch als wir uns das erste Mal berührt haben? | |
Jetzt, wo wir gemeinsam im Bett kuscheln, kann ich es dir ja sagen: Ich | |
wollte dich anfangs nicht. Warum? Was soll ich sagen, ich war jung und | |
verunsichert, begann gerade ein neues Studium in einer neuen Stadt. Das war | |
schon aufregend genug, und dann auch noch dich? Das schien mir zu viel. | |
Doch meine Mutter überzeugte mich, dir eine Chance zu geben. In der Ferne, | |
weitab von der Familie, seist du bestimmt gut für mich, sagte sie. | |
Verlässlich, aufmerksam, liebevoll. Das Vertrauen zueinander komme schnell, | |
versprach sie, und klang dabei wie eine moderne Heiratskupplerin: Trennen | |
könne man sich immer, fügte sie hinzu. Acht Jahre ist das her. | |
Weißt du noch, als wir einander das erste Mal berührten? Die Entdeckungen | |
waren aufregend, es dauerte, bis wir unsere Körper kennengelernt hatten, | |
bis jede Bewegung die richtige war, bis ein winziges Zucken meines Fingers | |
dich zum Vibrieren brachte. Jetzt lachen wir über die vielen Missgeschicke, | |
die uns anfangs passierten. Hast du damals eigentlich je daran gezweifelt, | |
ob wir zueinander finden würden? Ich schon. Das sage ich dir nun zum ersten | |
Mal, auch wenn du es in jenen Stunden bestimmt gespürt hast. | |
Meine Zweifel währten nicht lange, denn du hast es mir leicht gemacht, | |
[1][dir immer nahe zu sein]. Ich war endlich nicht mehr allein und keine | |
Außenseiterin mehr. Niemand ist gerne der einzige Single in einer Runde von | |
Pärchen, die sich verliebt berühren, mal verschämt, mal offensichtlich, | |
oder sich aus dem Gespräch ausklinken, um miteinander zu tuscheln. Ja, | |
natürlich, romantisch klingt das nicht, aber die sozialen Umstände haben es | |
mir leicht gemacht, mit dir zu sein. Du bist auf so viel Verständnis, sogar | |
Bewunderung gestoßen … ach, deine tollen Outfits! Oder wenn du wieder | |
einmal glänzender und schlanker geworden bist. | |
## Ich war von dir abhängig | |
Unsere Beziehung war trotzdem nicht ohne Krisen. Deine Nähe schien mir | |
bisweilen erdrückend, ich wollte Abstand, aber es ging nicht. Ich hatte | |
mich so an dich gewöhnt, dass ich von dir abhängig war. So vieles wollte – | |
oder konnte? – [2][ich nicht mehr ohne dich entscheiden], für jede | |
Kleinigkeit schien ich dich zu brauchen. Das hat dich gefreut, aber auch | |
genervt. Du wurdest dann langsam oder bist schlafen gegangen, ohne mir | |
etwas zu sagen. | |
Ich habe oft ans Schlussmachen gedacht, mich manchmal sogar heimlich nach | |
anderen umgesehen. Aber ich bin nie fremdgegangen, Ehrenwort. Wenn ich, | |
selten aber doch, ohne dich unterwegs bin, genieße ich es, alleine zu sein | |
– nicht mehr und nicht weniger. | |
Das kommt mir jetzt, [3][in dieser Krise], kaum mehr in den Sinn. Ich | |
brauche dich mehr denn je. Du bist überlebensnotwendig für mich, vertreibst | |
die unheimliche Stille in der Wohnung, auf den Straßen, hilfst mir zu | |
verstehen, wie sich die Welt verändert. Du machst es möglich, dass ich die | |
anderen höre und sie mich. Wir sind uns so nah wie nie zuvor. Komm, lass | |
uns kuscheln. Was sagst du? Dein Akku ist fast leer? | |
3 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Anna Goldenberg | |
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