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# taz.de -- Corona-Notbetreuung in Berlin: Wo sind all die Kinder hin?
> Deutlich weniger Eltern als erwartet nehmen die Betreuung in Kitas und
> Schulen in Anspruch. Die Lockerung des Zugangs ändert daran bisher wenig.
Bild: Manchmal ganz allein in der Kita: In der Notbetreuung herrschen Top-Bedin…
„Von ganz vielen unserer Einrichtungen hören wir nichts – und das werten
wir gerade eher als gutes Zeichen“, sagt Roland Kern vom Dachverband der
Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS). Seit dem 17. März sind die
Schulen und Kitas in Berlin als Maßnahme gegen das Coronavirus geschlossen,
und seitdem haben Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen Anspruch
auf eine Notbetreuung für ihre Kita- und Grundschulkinder.
Auch von Kita-Trägern, Lehrern und Eltern hört man: Das läuft eigentlich
ganz okay dafür, dass man da gerade quasi „aus dem Stand mit Volldampf“,
wie Kern sagt, improvisiert.
Allerdings war der Druck auf den Notbetrieb bisher auch nicht sonderlich
hoch, weil nur wenige Eltern die Notbetreuung überhaupt in Anspruch nahmen.
Zunächst hatten nur ÄrztInnen, Supermarktpersonal, Feuerwehr, Polizei und
einige andere Berufsgruppen etwa aus der Justiz einen Anspruch auf die
Kinderbetreuung – aber auch nur, wenn die Berufstätigkeit beider Eltern in
die Kategorie „systemrelevant“ fiel.
Das könnte sich nun allmählich ändern, denn nach der ersten Schul- und
Kitawoche zu Hause war klar: Gerade mal rund 6 Prozent der Kinder von
Eltern in systemrelevanten Berufen fanden den Weg in die Notbetreuung.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte zuvor mit 15 Prozent
kalkuliert.
In Woche zwei nach dem Kita- und Schul-Shutdown galt deshalb: Es reicht,
wenn nur ein Elternteil zum Beispiel an der Supermarktkasse sitzt, damit
das Kind in die Kita kann. Man wolle, sagte Scheeres, „gezielt jene derzeit
lebenswichtigen Bereiche im Gesundheitssektor und anderswo unterstützen,
die aktuell einen besonders großen Personalbedarf haben“.
Anders gesagt: Man möchte verhindern, dass die Kassiererin oder der
Krankenpfleger zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert – um dem
besser verdienenden, aber eben gerade nicht systemrelevanten Partner im
Homeoffice den Rücken frei zu halten.
Tatsächlich hielt sich der Run auf die Notbetreuung auch nach der Lockerung
der Zugangsbeschränkung in Grenzen, bilanzierte ein Sprecher von Senatorin
Scheeres am Freitag. In den Grundschulen werden derzeit nur 3.000 von rund
180.000 SchülerInnen betreut, knapp 1,7 Prozent. Treptow-Köpenick und
Pankow haben die größte Auslastung, ganz hinten liegt Reinickendorf.
Im Kita-Bereich sei die Zahl der notbetreuten Kinder „moderat auf etwa acht
Prozent angestiegen.“ Insgesamt, so auch der Eindruck der
Bildungsverwaltung, laufe es „weitgehend reibungslos.“ Es hätten sich auch
bereits Lehrkräfte freiwillig für die Osterferien gemeldet.
## Mehr Schutz vor einer Infektion gefordert
Ein bisschen Reibung ist dann aber doch: Rund 17.000 Menschen
unterschrieben binnen wenigen Tagen eine Onlinepetition an Regierungschef
Michael Müller (SPD), „Schutz der Pädagog*innen in Berlin vor Covid-19“.
Ihre Befürchtung: Man werde nun nach der Lockerung des Zugangs „eine
deutlich größere Zahl von Kindern“ zu betreuen haben – und fühlt sich
zugleich miserabel geschützt.
Die 1,5-Meter-Abstand-Regel sei in Kitas nun mal nicht praktikabel, gerade
bei der Arbeit mit kleinen (Wickel-)Kindern. Schutzkleidung gebe es nicht,
zudem würden Kindergruppen so wieder neu gemischt – und das, während ein
nicht systemrelevanter Elternteil zu Hause doch theoretisch Zeit für die
Betreuung habe.
„Da hatten wir ganz schön zu tun, die Wogen zu glätten“, sagt Kern vom
DaKS. „Bei vielen herrscht jetzt das Gefühl: Ich setze mich ungeschützt
einer Gefahr aus, und der Grund dafür ist nicht nachvollziehbar.“ Denn
natürlich seien die Anfragen nach der Notbetreuung mit der
Ein-Eltern-Regelung jetzt doch „deutlich gestiegen“, sagt Kern. Und gerade
kleinere Kinderläden könnten nicht immer unbedingt alle ErzieherInnen, die
Risikogruppe nach der Definition des Robert-Koch-Instituts sind, nach Hause
schicken.
Warum dann am Ende doch nur wenige in der Notbetreuung ankommen? „Wir haben
zugleich das Gefühl, dass die Eltern schon auch sehr verantwortungsvoll mit
dem Angebot umgehen, und viele gucken, ob sie es nicht doch irgendwie
anders hinkriegen“, sagt Kern.
Bei den Kindergärten Nord-Ost, einem großen landeseigenen Kita-Träger mit
76 Kitas in Lichtenberg, Pankow und Marzahn-Hellersdorf, heißt es, die
„Sorgen“ bei den MitarbeiterInnen seien unterschiedlich stark ausgeprägt.
„Aber alle sind engagiert und wir halten durch, solange es nötig ist“, sagt
Katrin Dorgeist, die kaufmännische Geschäftsleitung.
In jedem Fall, versichert Dorgeist, versuchten die ErzieherInnen die Kinder
die eigenen Sorgen oder auch die Unzufriedenheit mit der Notbetreuung im
Zweifel nicht anmerken zu lassen. Die Zahl der notbetreuten Kinder reiche
in den einzelnen Kitas des Trägers „von null bis zwanzig“. Größere Grupp…
hätten aber dann eher die Kitas, die auch im Normalbetrieb 200 Kinder
hätten.
In der Montessori-Schule in Buch hat Anil Mull, Lehrer in der Grundstufe,
mal ein Kind in der Notbetreuung, mal keins, mehr als eine Handvoll sind es
bisher nicht: „Von 300 Kindern kommen täglich maximal drei bis vier.“ Das
sei auch nach der Ein-Eltern-Regel in der vergangenen Woche nicht anders
geworden.
## Zeit für Dinge, für die sonst nie Zeit war
Immerhin habe man dadurch nun Zeit für Dinge, um die man sich eigentlich
schon immer mal kümmern müsste – die Digitalisierung des Schulalltags etwa.
Mull hat in den vergangenen Tagen etwa einen Online-Vokabeltrainer für den
Schulserver gebastelt, um die Kinder (und Eltern) beim Homeschooling zu
unterstützen.
Über den Schulserver können sich die Kinder auch Aufgabenpakete holen und
die Lösungen hochladen. Das funktioniert gut, die Kinder seien motiviert
dabei. „Die Möglichkeiten hatten wir schon vorher“, sagt Mull. „Aber vor
Corona haben wir das nie genutzt.“
30 Mar 2020
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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Kitas
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