# taz.de -- „Monet. Orte“ im Museum Barberini: Plattitüde mit Monet | |
> Könnte die Ausstellung in Potsdam ihre Tore noch einmal öffnen, würde man | |
> nur wieder von Heuhaufen sprechen. Das wäre ausgesprochen schade. | |
Bild: Installationsansicht Heuhaufen-Gemälde aus der Ausstellung „Monet. Ort… | |
Drei Wochen vor der Maueröffnung am 9. November 1989 waren im damaligen | |
deutschen Arbeiter- und Bauernstaat die Geschehnissen in einem | |
[1][Auktionssaal in New York] nicht von Interesse. Bei Sotheby’s im | |
Rockefeller-Center fiel am 18. Oktober der Hammer für „schneebedeckte | |
Heuhaufen im Abendlicht“ von Claude Monet (1840–1926) aus dem Jahr 1891. | |
Die 65 x 100 cm große Leinwand kostete den damaligen Käufer 8,5 Millionen | |
US-Dollar. | |
Im dreißigsten Jahr nach der Maueröffnung und nach vierzehn internationalen | |
Auktionen mit Heuhaufen von Monet war es dann so weit. Potsdam bekam seinen | |
eigenen Heuhaufen. Es wurden die „Heuhaufen im sommerlichen Abendlicht“ von | |
1890. Sie kosteten den 13-fachen Preis, 111 Millionen US-Dollar zahlte der | |
Käufer für das nahezu gleich große Bild des Malers. | |
Man könnte nun meinen, während Potsdam 1961 durch den Mauerbau seinen | |
direkten Anschluss zur Nachbarstadt (West-)Berlin verlor und Ost-Berlin nur | |
über ländliche Umwege auch an Feldern mit Heuhaufen vorbei erreichbar war, | |
dass die heutige brandenburgische Landeshauptstadt auf dem Hintergrund | |
dieser Geschichte der ideale Ort ist, an den dieses Gemälde des | |
französischen Impressionisten gelangen sollte. | |
Durch eine als Presseerklärung getarnte PR-Note von Hasso Plattner, | |
SAP-Gründer, Kunstsammler, möglicherweise auch Kunstmäzen sowie | |
Wahlpotsdamer, wurde der Coup öffentlich. Mit der Rekonstruktion des Palais | |
Barberini hatte Plattner schon den Ausstellungsort geschaffen, finanziert | |
mit hohem monetären Aufwand, da gebäudetechnisch State of the Art. | |
## Warum liegt denn da Heu? | |
Hier sollte nun bis zum 1. Juni die [2][Ausstellung „Monet. Orte.“] einem | |
größerem Publikum präsentiert werden. Aufgrund von Corona musste aber auch | |
das Museum Barberini seine temporäre Schließung bekannt geben. | |
Vor der klassizistisch-barocken Sandsteinfassade des Palais bildete eigens | |
aus dem Ort Stücken im Kreis Potsdam-Mittelmark angeliefertes – und wie | |
sollte es anders sein – zum Haufen aufgeschichtetes Heu das | |
Ausstellungsentrée. Über steile Treppen ging es dann ins Allerheiligste, wo | |
vor Ehrfurcht erstarrt die Besucher:innen die in Reihe gehängten | |
Heuhaufen im großen Saal bestaunten. | |
Das teuerste Stück hing zentral in der Mitte, flankiert von anderen | |
Heuhaufen. Fast schon in der Anmutung eines Heuhaufen-Triptychons, ähnlich | |
den Altarretable in der Renaissance. Nur eben in der Bildmitte ein | |
Heuhaufen. Der interessierte Familienvater erklärte vor dem Gemälde stehend | |
dann auch seinen Kleinen gleich: „Und stellt euch mal vor, der hat über 100 | |
Millionen gekostet!“ Ein Raunen. Achselzucken bei Besucher:innen. Wieder | |
andere widmeten sich der Stimmung im Bild mit abendlichem Licht. | |
Drei Wochen ging das so. Seit der Schließung aber hofft man eine | |
Vertragsverlängerung mit den Leihgebern auszuhandeln, auch um die | |
entgangenen Einnahmen durch Kartenverkäufe wieder wettzumachen. Gut | |
möglich, dass angesichts der Pandemie die Ausstellung um einen weiteren | |
Monat aussetzen muss und Monets Werke nur noch kurz zu sehen sein werden. | |
Genaueres ist bislang nicht zu erfahren. | |
## Das Who’s Who der Museumswelt | |
Die Zusammenarbeit mit dem Denver Art Museum und weiteren Leihgebern aus | |
dem Who’s Who der Museumswelt wie dem Musée d’Orsay und dem Musée Marmott… | |
Monet, beide in Paris, der National Gallery in London, dem | |
Thyssen-Bornemisza in Madrid, dem Metropolitan Museum in New York, der | |
National Gallery in Washington sowie dem Hammer Museum in Los Angeles lässt | |
keine einfachen Gespräche erwarten. | |
Im Erfolgsfall würden dann alle wieder vom teuren Heuhaufen sprechen. Trotz | |
der Bilder von der Normandie, wo der Maler aufwuchs, oder die vormittags | |
gemalte Serie von Gemälden mit dem Nebel über der „Londoner Waterloo | |
Bridge“ und als Pendant den nachmittäglichen von der „Charing Cross | |
Bridge“. | |
Die Potsdamer Ausstellung ist mit mehr als 100 Gemälden eine der | |
umfangreichsten Retrospektiven für diesen Künstler, die jemals ein | |
deutsches Museum ausgerichtet hat. Dabei werden die zahlreichen Exponate in | |
einer thematisch nach Orten gegliederten Raumfolge gezeigt, die sich über | |
alle drei Geschosse des Museums erstreckt. Die kuratorische Ordnung | |
begünstigt den Blick auf die gesamte Werkentwicklung bis zu seinen späten | |
Serienbildern. | |
Hätte man vor der Auktion gefragt, was kenne ich eigentlich von Monet? | |
Hätten die meisten von seinen großen und berühmten Seerosen-Bildern | |
gesprochen. Auch die gibt es zu sehen. Gleich ein ganzer Saal widmet sich | |
ihnen und versetzt den Besucher an die Orte, an denen Monet Inspiration für | |
seine impressionistische Freilichtmalerei bezog. In seinen letzten | |
Schaffensjahren war dies vor allem der aufwendig angelegte Wassergarten an | |
seinem Wohnsitz in Giverny. | |
## Die immer schimmernden Seerosen | |
Und so formt sich in der Ausstellung das Bild eines reisenden Malers, für | |
den Paris ebenso interessant war wie kleine Seine-Dörfer oder Städte wie | |
London und Venedig, bevor er sich in der Provinz niederließ. Mit | |
zahlreichen Schlüsselwerken verschiedener Schaffensphasen zeigt sich Monets | |
künstlerischer Werdegang bis hin zu seinen schimmernden Wasseroberflächen | |
mit Seerosen, die er mit breiten Pinselstrichen auf die Leinwand bannte. | |
Die hereinbrechende Industrialisierung ist Teil seines Werks. Immer neue | |
Verbindungen im Eisenbahnnetz nutzte Monet, um seinen Aktionsradius | |
auszudehnen. Seine neue Mobilität führte den Maler an touristische | |
Ausflugsziele, wo er im aufstrebenden Großstadtbürgertum seiner | |
kaufkräftigen Klientel begegnete. Tourismus und Freizeit waren für dieses | |
gesellschaftliche Milieu Ausdruck ihres Lebenswandels. | |
Da trafen nicht nur Bilder mit Schornsteinen, sondern auch Stadtansichten | |
und Landschaftsbilder mit Heuhaufen und Seerosen den Zeitgeschmack. Auch | |
nahmen die Werke Monets die Veränderungen durch die aufkommende Fotografie | |
mit ihrem Streben nach wissenschaftlicher Erfassung der Welt auf. Ein zudem | |
flüchtiges Moment, dass vor allem die [3][Impressionisten] nutzten. | |
27 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sebastian Strenger | |
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drängeln. |