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# taz.de -- Produzent von Corona-Tests: Firma im Ausnahmezustand
> Ein Berliner Unternehmen hatte als erstes weltweit einen Corona-Test. Ein
> Riesengeschäft allemal – die Motivation ist aber eine andere.
Bild: Seine Firma arbeitet momentan auch nachts: TIB Milbiol-Geschäftsführer …
Die meisten haben längst Feierabend. Olfert Landt nicht. Er ist
Geschäftsführer von TIB Molbiol. Die Berliner Firma liegt in einem alten
Backsteingebäude im Bezirk Tempelhof. Wohl als erste weltweit hatte seine
Firma Mitte Januar einen [1][Corona-Test] entwickelt.
Das Test-Kit für 2,50 Euro besteht aus zwei durchsichtigen vier Zentimeter
langen, nach vorne spitz zulaufenden Plastikröhrchen. Jede vorne mit buntem
Krümelchen: synthetische DNA des Virus. Der eine Verschluss schwarz, der
andere gelb. Geliefert werden sie mittlerweile in 60 Länder weltweit.
Deswegen schieben der Biochemiker Landt und seine rund 30 Mitarbeitenden
derzeit Überstunden ohne Ende. Bis in die Nacht. Auch am Wochenende.
20 Uhr. Landt telefoniert noch mit der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO.
Ein DHL Bote wartet, bis Dr. Constanze Landt, seine Frau, die letzten
Kartons verschlossen hat. Darin sind Corona-Test-Kits für Indien, Dubai und
die USA. In einem Labor zieht sich ein Mitarbeiter Einmalhandschuhe an. Es
ist halb neun abends. Dann bringt der Geschäftsführer von Biotechrabbit
persönlich schuhkartongroße Pakete. Darin Polymerase, ein Enzym. Für
Labortests – und damit auch für den Corona-Test – ist es unabdingbar und
zurzeit weltweit knapp.
„Der Vorteil an uns kleinen Firmen ist, dass wir auch nachts arbeiten“,
erklärt Landt später in seinem Büro. Sein grau-weiß meliertes Haar hat der
54-Jährige zu einem Zopf gebunden. Jeans. Blauer Pulli. Seine Brille steckt
am Kragen oder wandert in die linke Hand. „Die letzten Wochen ist
Ausnahmezustand. Ich esse immer im Laufen. Habe schon drei Kilo
abgenommen.“
## Intensiver Arbeitsalltag
Gelassen erzählt der [2][Biochemiker], der Alltag sei wie immer, „nur
intensiver“: Das Telefon klingelt ständig, Aufträge müssen geprüft,
Exportbedingungen beachtet werden. Sein Team nehme das mit „fatalistisch
guter Laune“. Glücklicherweise habe seine Frau frühzeitig Rohstoffe, Gefä�…
und Etiketten nachbestellt und die Mengen erhöht, sonst könnten sie jetzt
die Arbeit einstellen. Sein Sohn – eigentlich Student – etikettiere derzeit
60 Stunden die Woche, weil er ein Händchen für die Maschine habe.
Die Produktion läuft auf Hochtouren: Im Labor stehen aufgereiht auf weißen
Tischen Maschinen – kniehohe beige Metallkästen mit kleinem Display. Vorne
sind sie halb offen, so dass Flaschen darin sichtbar sind. Sie klackern,
prusten und piepsen. Sie laufen nachts weiter, um synthetische Fragmente
des Virus für den Test herzustellen. Es riecht chemisch-süßlich. Auch
Flaschen mit roter und grüner Flüssigkeit, Pipetten und Reagenzgläser
stehen in dem klassenzimmergroßen Raum. Über Klebematten, damit Dreck von
den Schuhen haften bleibt, führt ein Flur weiter zum Verpackungsraum. Ein
Rollwagen mit Test-Kits für Manila steht bereit.
Um Corona im Labor zu testen, braucht es neben dem Standardmaterial
Polymerase, Spezialmaterial, um das Virus im Abstrich der Patient*innen
sichtbar zu machen. Das produziert TIB Molbiol. Als Landts Corona-Test
Mitte Januar fertig schien, schickte er sechs Röhrchen mit einer Lieferung
nach Hongkong zum Pharmaunternehmen Roche sowie an die Gesundheitsbehörde
von Taiwan. Ungefragt und ungetestet. Die Info: Ausprobieren vor Ort,
funktioniert garantiert. Der Beipackzettel war noch nicht fertig und wurde
hinterhergemailt. Der Test funktionierte.
## Kleine Firma und trotzdem die erste
Mittlerweile haben auch andere Firmen weltweit Tests entwickelt. „Da bin
ich froh drum. Wir schaffen das nicht alleine für die Welt“, meint Landt
mit Blick auf die Konkurrenz.
Warum TIB Molbiol erster war? Er arbeite mit vielen Virologen zusammen,
sagt Landt. Sie spekulierten aufgrund der gemeldeten Krankheitssymptome
früh auf ein Corona-Virus. Als die Gensequenz bekannt war, entwickelten sie
in wenigen Tagen künstliche Positivkontrollen für den Test, denn in Europa
konnte man das Virus nicht bekommen – sie sind klein, aber flexibel. „Um
sich was auszudenken, braucht man eine Stunde“, rechnet Landt. Dann geht es
an die Umsetzung im Labor. Das geht in weniger als 24 Stunden. Mittlerweile
optimierten sie den Test bereits.
„Trotzdem müssen wir auf Mutationen achten. Dann müssen wir den Test
anpassen. Es ist ein laufender Kampf gegen Corona“, unterstreicht er. Auch
deswegen sei es gut, dass mehrere Firmen Tests verkaufen: Jeder erkenne
einen anderen Teil des Virus. So seien Mutationen besser zu erwischen, sagt
Landt.
Im Februar verdreifachte sich sein Umsatz von sonst 1,5 auf 4,5 Millionen
Euro. „Aber das Geld wäre keine Motivation. Finanziell haben wir
ausgesorgt, da wir die letzten 30 Jahre immer schwarze Zahlen geschrieben
habe. Aber wir sehen uns in der Verantwortung. Und es macht wahnsinnig viel
Spaß“, erzählt der Biochemiker. „Kundenlob ist eine riesengroße
Motivation.“ Finanzschwache Länder bekommen die Tests auch mal kostenlos,
die WHO zum halben Preis.
Gefährlich sei, wenn das Virus sich in Afrika ausbreite, da dort die
Gesundheitssysteme oft nicht funktionierten. Die deutschen Behörden
kritisiert er: „Es ist fatal, dass scheibchenweise die Gefahr nach oben
geschraubt wird. Das wirkt unglaubwürdig.“ Spätestens als es in Italien
losging, hätte man von einer ernsthaften Bedrohung sprechen müssen. „Die
Gefahr ist unterschätzt worden“, meint Landt.
## Oberste Priorität: Eindämmen
Ein Impfstoff brauche noch mindestens ein halbes Jahr bis Jahr, bis er auf
dem Markt sei, vermutet er. Deshalb sei nun das wichtigste, das [3][Virus
einzudämmen]. „Wenn das Virus keine neuen Opfer findet, läuft es sich tot.
Sonst kann das furchtbare Konsequenzen haben“, sagt Landt und erinnert an
die spanische Grippe, die Ende des Ersten Weltkrieges ausbrach und
Millionen dahinraffte. Er findet, dass zum Beispiel Kinos,Theater und
Sportveranstaltungen geschlossen werden müssten, alle Orte wo sich Leute
aus verschiedenen Ortsteilen treffen.
Die Ansteckungsgefahr in Schulen schätzt er geringer ein, da sich dort
immer dieselben Leute träfen. Er hat auch selbst einen Notfallplan: „Bei
1.000 Infizierten in Berlin gebe ich meinen Mitarbeitern Mietwagen.“ Das
sei sicherer als der öffentliche Nahverkehr. Bei einem Corona-Fall in der
Firma müsste er schließen: Die Tests wären „verunreinigt“ – das
Testergebnis immer falsch-positiv.
150.000 Tests gehen derzeit am Tag raus. Mehr könnten sie zwar produzieren,
aber die Kapazitäten zum Einzutüten fehlten, so Landt. Ein arabischer und
ein afrikanischer Botschafter seien sogar schon persönlich vorbei gekommen,
um Lieferungen schneller in ihre Heimatländer zu bekommen.
Im Verpackungsraum lagern auch verschiedene andere Tests, die die Firma
abseits von Corona produziert: Influenza für Grippe, Salmonellen und
Norovirus bei Durchfall, Bakterien bei Gehirnentzündung. Im Gang hängen
alte Plakate: Geflügelpest 2006 oder der Sars-Ausbruch 2003. Auch bei der
Schweinegrippe oder 2012 für MERS hatte er schnell einen Test auf dem
Markt. Seine Kunden wüssten, was die Firma kann. So brauche er kaum
Werbung. Sein Internetauftritt: 15 Jahre alt.
## Als Student Firma gegründet
Viel länger ist die Gründung der Firma her: Damals synthetisierter er und
ein Kumpel, beide noch Doktoranden, an der Berliner Universität
Genschnipsel und belieferten die Nachbarinstitute. Kostenlos. Aber warum
das Material nicht verkaufen? „Ohne Businessplan haben wir zwei dann die
erste Maschine gekauft“, erinnert er sich. In drei Monaten hatten sie das
Geld für die erste Maschine drin. Dann plünderte Landts „Partner“ die
Kasse. „Das war ein blutiges Ende. Ich musste ihm die halbe Firma
abkaufen.“ 1994 fing er bei null an. „Mein Doktor habe ich dann nie
abgegeben“, zuckt er die Achseln.
„Als Partner eines großen Herstellers mini-globalisierten wir uns“, erzäh…
der Geschäftsführer. Jahr für Jahr wuchsen sie ein wenig. Aber er hat kein
Wachstumsziel. „Immer wachsen zu müssen ist eine Krankheit unserer
Gesellschaft. Das muss nur Krebs“, findet er. Um die momentane Arbeit zu
schaffen, hat er aber bereits drei neue Mitarbeitende und viele Studierende
eingestellt. Weitere sollen folgen.
Um kurz vor 10 prusten die Labormaschinen weiter. Die Straßen sind
verlassen. Constanze Landt sitzt im Büro. Auch Olfert Landt macht sich
wieder an die Arbeit. Sicher noch bis Mitternacht.
12 Mar 2020
## LINKS
[1] /Coronatests-in-Berlin/!5671419&s=corona/
[2] /Hersteller-von-Corona-Labortests/!5666129&s=landt/
[3] /Corona-Notstand-in-Krankenhaeusern/!5667615&s=corona/
## AUTOREN
Mareike Andert
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