# taz.de -- Trinkwasserversorgung im Libanon: Grüne wollen Dammbau stoppen | |
> Durch einen Staudamm sollen 1,6 Millionen Menschen im Libanon mit | |
> Trinkwasser versorgt werden. Die Grünen wollen das aber verhindern. | |
Bild: Hier soll der Damm hin: das Bisri-Tal | |
Beirut taz | Wer im Libanon sauberes Wasser trinken möchte, muss sich für | |
umgerechnet etwa einen Euro Gefiltertes nach Hause liefern lassen. Die | |
5-Liter-Plastikgallone wird in einen Spenderautomat gesteckt und gibt dann | |
Trinkwasser ab. Doch 2024 soll sich das, zumindest für die Hauptstadt | |
Beirut, ändern. Durch ein [1][Dammprojekt soll Wasser aus dem Fluss Bisri | |
angestaut] und in den Großraum der libanesischen Hauptstadt geleitet | |
werden. Das soll vor allem den 1,6 Millionen armen Menschen dienen, die | |
sich sauberes Trinkwasser kaum leisten können. | |
Doch ausgerechnet die Grünen üben nun Druck auf die Bundesregierung aus, | |
die deutschen Fördergelder, die über die Weltbank in das Projekt fließen, | |
zu stoppen. In einem Brief an Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) | |
schrieben die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der Sprecher | |
für Entwicklungspolitik, Uwe Kekeritz: „Das Projekt umfasst einen | |
600-Millionen-US-Dollar-Kredit der Weltbank mit Neuverschuldung auf | |
libanesischer Seite – trotz hohen Korruptionspotenzials und massiver | |
Umweltzerstörung.“ | |
Auch [2][Aktivist:innen im Libanon] mobilisieren gegen das Projekt. Einer | |
von ihnen ist der 27-jährige Roland Nassour, der 2017 eine Kampagne zur | |
Rettung des Bisritals gestartet hat. „Das Projekt zerstört rund 600 Hektar | |
an Landfläche, knapp 150.000 Bäume, darunter Eichen und Pinien“, sagte er | |
der taz. „Außerdem werden 50 historische Stätten zerstört, darunter ein | |
romanischer Tempel, Brücken und Gräber aus der Bronzezeit. Das Projekt | |
frisst 150 Hektar an Agrarland und zerstört damit die Lebensgrundlagen der | |
Menschen, die dieses Land kultivieren.“ | |
Gerade seine Landwirtschaft braucht der Libanon. Das [3][Land steckt in der | |
schwersten Finanzkrise] seit dem Ende des Bürgerkriegs vor 30 Jahren. Die | |
lokale Währung verliert an Wert, Nahrungsmittel werden teurer, weil sie | |
importiert werden müssen. Produzierendes Gewerbe gibt es kaum, das | |
Wirtschaftssystem basiert auf Banken und Investitionen. | |
## „Bisridamm Ausdruck von Ignoranz“ | |
„Die Politik der Regierenden in Beirut bediente über Jahre hinweg vor allem | |
Eigeninteressen. Während Korruption und Vetternwirtschaft an der | |
Tagesordnung waren, konnte nicht einmal die Grundversorgung der Bevölkerung | |
gewährleistet werden. Auch der Bisridamm ist Ausdruck dieser Ignoranz“, | |
sagt Uwe Kekeritz. Die Grünen sagen, dieselbe Firma, die den Auftrag zur | |
Umweltverträglichkeitsprüfung bekam, habe auch den Auftrag zur | |
Bauüberwachung erhalten. | |
Gegen das Missmanagement gingen die Libanes:innen vier Monate lang auf die | |
Straße. Ende Oktober trat Regierungschef Saad Hariri zurück, sein | |
Nachfolger wurde Hassan Diab, ein ehemaliger Bildungsminister. Er muss die | |
Wirtschaftskrise in den Angriff nehmen, die durch die Verbreitung des neuen | |
Coronavirus verschlimmert wird. | |
## Ministerium hat Bau unter Auflagen genehmigt | |
Auf eine Anfrage der Grünen hin, ob man angesichts der Finanzkrise die | |
Unterstützung an Entwicklungsprojekten im Libanon überdenke, hieß es | |
seitens der Bundesregierung: „Angesichts der enormen | |
Entwicklungsherausforderungen im Libanon, unter anderem beim Zugang zu | |
sauberem Trinkwasser, zu Bildung und zu sozialer Sicherung in der | |
Wirtschaftskrise, sowie der Bedarfe von syrischen Flüchtlingen und deren | |
libanesischen Aufnahmegemeinden hält die Bundesregierung die Fortführung | |
der laufenden Vorhaben und die Umsetzung der geplanten Vorhaben | |
entwicklungspolitisch für dringend geboten.“ | |
Das libanesische Umweltministerium hatte dem Dammbau zugestimmt, falls | |
Alternativen zur Zerstörung der Flora und Fauna gefunden werden. Ein Plan | |
liegt nun vor und muss geprüft werden. Wird er abgelehnt, wäre das aber | |
nicht das Ende des Baus: Das entscheidet das Ministerium für Wasser und | |
Energie, dessen Priorität bei der Wasserversorgung liegt. | |
Nassour und Kekeritz plädieren als Alternative dafür, die chronisch | |
undichten Wasserleitungen zu reparieren. Derzeit gehe die Hälfte des | |
Trinkwassers durch Lecks schlicht verloren. | |
26 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.worldbank.org/en/programs/bisri-dam | |
[2] /Massenproteste-im-Libanon/!5636622 | |
[3] /Archiv-Suche/!5668369&s=libanon&SuchRahmen=Print/ | |
## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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