# taz.de -- Leere Regale in Supermärkten: Das kaufen, was da ist | |
> Es fühlt sich manchmal wie eine Zeitreise in die DDR an: in vielen | |
> Supermärkten und Discountern sind etliche Regale leer. Was macht das mit | |
> uns? | |
Bild: Ein Berliner Großmarkt mit leeren Regalen, ein Foto vom 16. März | |
Was er denn mitbringen solle aus dem Edeka, war seit Ewigkeiten die | |
intermatrimoniale Standardfrage des Gatten. „Guck halt, was da ist“, war | |
die ebenfalls standardmäßige Antwort der Gattin. Und wie immer dachte der | |
Gatte: Blöde Antwort, ist doch alles da. | |
Aber das war eben vor Corona. In dieser Woche ist der gerade beschriebene | |
Wortwechsel kein Loriot-Ehepaar-Sketch, sondern Realität in Berliner | |
Supermärkten. Denn es ist eben nicht immer alles da wie sonst. Einkaufen | |
kommt derzeit einer interessanten Zeitreise für geborene Westdeutsche in | |
die Angebotsrealität eines untergegangenen Landes gleich. So war das also | |
in der DDR, was die Bekannten, Freunde, Kollegen vom dortigen | |
Einkaufsalltag erzählten: Regale, in denen von manchem noch einiges und von | |
anderem gar nichts mehr da ist, in die Breite verteilte Produkte, um Lücken | |
zu kaschieren. Und: anstehen. | |
Reingehen und zielstrebig das Lieblingsprodukt aus dem Regal ziehen, das | |
war mal. Ausverkauft ist das gewünschte Kartoffelpürree, sowohl das von | |
Pfanni wie auch die Edeka-Hausmarke. Da kann man sich jetzt drüber | |
aufregen. Man kann aber auch den Blick auf die einzelne noch im Regal | |
stehende Packung richten. „Erbspüree“ steht drauf. Nie gekauft, nie | |
gegessen. Warum also nicht jetzt? Kann ja nur den (Geschmacks-)Horizont | |
erweitern. | |
## „Super, super Job!“ | |
Wobei es ja durchaus die Momente gibt, in denen die Regale voll sind, | |
zumindest für eine Minute, wenn die Mitarbeiter tatsächlich dazu gekommen | |
sind, neue Ware einzuräumen und die Leute sie ihnen nicht schon von der | |
Palette heruntergerissen haben. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop hat jetzt | |
ausdrücklich die Kassiererinnen in den Supermärkten gelobt, die neben aller | |
Packerei gerade alle unbezahlt zugleich Sozialarbeiter und | |
Psychotherapeuten für Corona-gestresste Kunden sind – „da wird ein super, | |
super Job gemacht im Lebensmittelhandel, Hut ab!“ | |
Aber das mit dem Anstehen und der Angespanntheit, das ist dann doch eher | |
tagsüber. Am Abend ist der Edeka um die Ecke leer, wenn nicht gerade eine | |
S-Bahn ankommt, der Lidl auch, inklusive Kassiererin sind dann schon mal | |
kaum zehn Leute im Laden. Da ist dann anders als tagsüber auch kein Warten | |
nötig, um, überhaupt rein gelassen zu werden. Man muss eben bloß offen sein | |
für Alternativen. Mal gucken also, wie das Erbspüree schmeckt. Würzfleisch | |
wäre auch noch da gewesen, als Alternative für morgen. Aber dann doch | |
lieber noch klassisch eine Dose Thunfisch mitnehmen, lecker anbraten mit | |
angeschwitzten Zwiebeln und Nudeln – die übrigens auch nicht ganz | |
ausverkauft sind. | |
Muss ja kein Dauerzustand sein und durch diese Zeitreise wird die DDR auch | |
nicht besser. Aber es rückt so ein bisschen zurecht, wie viel es inzwischen | |
braucht, um hierzulande Menschen zufriedenzustellen – obwohl es ja eben | |
doch noch Erbspüree gibt. | |
18 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Lebensmittelhandel | |
DDR | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Irland | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Coronakrise in Frankreich: Geleerte Straßen in Paris | |
Nur wer dringend notwendige Besorgungen machen muss, darf in Frankreich | |
noch auf die Straße. Die Polizei soll ab jetzt Passanten kontrollieren. | |
Coronavirus in Irland: Alleine saufen | |
Am Nationalfeiertag bleiben die Bürgersteige hochgeklappt. Die Regierung | |
verschärft Maßnahmen. Behörden rechnen mit 15.000 Erkrankten bis | |
Monatsende. | |
Corona in Venezuela: Hände waschen ohne Wasser? | |
Venezuelas Gesundheitssystem lag schon vor Corona am Boden. Die Menschen | |
wissen nicht, wie sie die Quarantäne überstehen sollen. |