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# taz.de -- Die Wahrheit: Ungeküsst am St. Patrick’s Day
> Hut aufsetzen und sich Schmatzer abholen – das hat schon sonst nie
> funktioniert am irischen Nationalfeiertag. Und nun ist selbst der morgen
> abgesagt.
Bild: Dieses Jahr ist nichts los: Rauchen am irischen Nationalfeiertag in Dublin
Ich besitze einen 80 Zentimeter hohen schwarzen Guinness-Hut. Man soll ihn
am 17. März, dem St. Patrick’s Day, aufsetzen. Auf dem Hut steht: „Kiss me,
I’m Irish.“ Das hat voriges Jahr nicht funktioniert, und im Jahr davor auch
nicht. Auch morgen werde ich ungeküsst bleiben, weil die Feiern wegen des
Coronavirus abgesagt worden sind.
Der Hut ist nicht das einzige Klischee, mit dem die Welt normalerweise den
irischen Nationalfeiertag zelebriert. Voriges Jahr wurden Hunderte von
berühmten Bauwerken grün angestrahlt. Millionen irischstämmige Menschen
betranken sich mit grünem Bier, in Chicago wurde der Fluss grün gefärbt,
und andere Länder wurden grün vor Neid angesichts so viel kostenloser
Tourismus-Werbung. Wegen Corona ist dieses Jahr alles anders.
Der Ire an sich ist ein fröhliches Volk. Die meisten Engländer glauben, die
Iren seien nur deshalb auf der Welt, um sie zu amüsieren. Aber der Ire kann
auch anders. Ernest Walton aus Dungarvan im Südosten Irlands ist es zum
Beispiel als erstem Menschen gelungen, ein Atom zu spalten. Das war 1951,
und dafür bekam er den Nobelpreis in Physik. Drei Jahre später erfand
Vincent Barry aus dem südirischen Cork ein Mittel gegen Lepra. Das weiß
außerhalb Irlands aber niemand.
Mother Jones, auch aus Cork, war die erfolgreichste Aktivistin der
Arbeiterklasse in den USA. Sie führte einen Protestmarsch von Pennsylvania
bis nach Long Island, wo Präsident Theodore Roosevelt wohnte, um das Ende
der Kinderarbeit zu fordern.
Ohne die Iren gäbe es kein Ballett in England. Edris Stannus aus
Blessington bei Dublin, die später Dame Ninette de Valois hieß, gründete
die Vic-Wells Ballet Company, die später zum Royal Ballet wurde. Stannus
starb 2001 im Alter von 102 Jahren. Vermutlich hat sie wie Queen Mum, die
ein Jahr später auch mit knapp 102 gestorben ist, ständig Gin gezwitschert.
Und dann war da noch der Dubliner Edmund Burke, der Begründer des
Konservatismus. Er sprach sich nach der Französischen Revolution gegen die
Herrschaft des Mobs aus. Burke war Vordenker der Tories, deren Name
ebenfalls Irland zu verdanken ist. Das irische „Tóraidhe“ bedeutet
„Räuber“ oder „Gesetzloser“ und bezog sich ursprünglich auf irische B…
die von Cromwells Armee enteignet worden waren und dann raubend umherzogen.
Ob Boris Johnson das weiß?
Der Löwe, der bei Metro-Goldwyn-Mayer im Vorspann brüllt, stammte übrigens
aus dem Dubliner Zoo. Und Cedric Gibbons, ein weiterer Dubliner, hat den
„Oscar“ entworfen. Er arbeitete bei MGM als Filmausstatter, wurde 38-mal
für die Auszeichnung nominiert und gewann sie elfmal – ein Eintrag für das
Guinness-Buch der Rekorde.
Nächstes Jahr setze ich mir keinen Guinness-Hut auf, sondern schwenke eine
Oscar-Statuette mit der Aufschrift „Kiss me, I’m Oscar“. Vielleicht
funktioniert das ja.
16 Mar 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
St. Patrick's Day
Irland
Tourismus
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