# taz.de -- Sportschütze über Waffengesetze: „Wir brauchen bessere Regeln“ | |
> Sportschütze Timo Schreiber wünscht sich strengere Waffengesetze, um | |
> rassistische Terroranschläge wie in Hanau künftig zu verhindern. | |
Bild: Ohne Lehrgang keine Waffe: Sportschützen wollen nicht unter Generalverda… | |
taz: Herr Schreiber, im Februar hat ein Terrorist zehn Menschen in Hanau | |
getötet. Er war Sportschütze. Was hat das bei Ihnen ausgelöst? | |
Timo Schreiber: Eine ganze Menge. Die Tat ist fürchterlich. Zunächst habe | |
ich gar nicht daran gedacht, dass der Täter Sportschütze ist oder wo er die | |
Waffe herhat. Aber: Die Tat hätte nicht passieren dürfen. Vielleicht hätte | |
sie auch vermieden werden können, wenn die Waffengesetze besser umgesetzt | |
oder gesteuert worden wären. | |
Und wie? | |
Der Staat hätte schon vor zehn Jahren das Waffenrecht ändern und überprüfen | |
müssen, ob die Menschen, die Waffen kaufen, vom Verfassungsschutz | |
beobachtet werden oder polizeibekannt sind. Ein*e Sportschütz*in muss so | |
oder so gewisse Voraussetzungen erfüllen, um sich eine Waffe kaufen zu | |
dürfen. | |
Welche Voraussetzungen sind das? | |
Ich muss einen Lehrgang machen und so nachweisen, dass ich sachkundig bin | |
und alle Gesetze und Regeln kenne. Wenn man sich eine Waffe kaufen will, | |
muss man auch belegen, dass man seit Jahren mit dieser Waffe trainiert. | |
Diese technischen Punkte sind nötig, um eine Waffenbesitzkarte zu | |
beantragen. Die Behörden prüfen dann, ob die Person dafür geeignet ist. | |
Diskutieren Sie das Attentat von Hanau auch im Verein? | |
Seit der Anschlag in Hanau passiert ist, war ich noch nicht wieder im | |
Verein. Ich habe wegen der Interviewanfrage der taz mit ein paar Leuten | |
gesprochen. Viele haben dieser Tage Angst, öffentlich falsch verstanden zu | |
werden. Auch ich habe gerade ein mulmiges Gefühl. | |
Fürchten Sie, nun unter Generalverdacht gestellt zu werden? | |
Nein, das nicht. Der mutmaßliche Täter war ja ein Sportschütze und die | |
Regeln waren nicht gut genug, um die Tat zu vermeiden. Da mache ich mir | |
nichts vor. Aber man will natürlich nicht missverstanden werden, wenn der | |
eigene Name in der Zeitung steht. Ich habe für Nazis und Gewalt nur | |
Verachtung übrig. Aber seine Schütz*innen zu kontrollieren – das kann ein | |
Verein vielleicht gar nicht. | |
Schieben Sie da nicht Verantwortung von Vereinen weg? | |
Man kann Menschen nicht immer einschätzen. Es gibt ja gute | |
Schauspieler*innen. Bei denen merkt man nicht, ob sie rechtes Gedankengut | |
mit sich tragen und irgendwann auf beknackte Ideen kommen. Hier muss der | |
Gesetzgeber für Sicherheit sorgen. | |
Was ist dann die Aufgabe der Schütz*innenvereine? | |
Vereine überprüfen, ob Menschen die technischen Voraussetzungen erfüllen, | |
um eine Waffenbesitzkarte zu bekommen. | |
Das heißt? | |
Wer neu in den Verein kommt, probiert sich erst mal aus. Dann kann er oder | |
sie über einen Verband einen Lehrgang machen. Es dauert mindestens zwölf | |
Monate, bis man einen Platz dafür bekommt, eher länger. Der Lehrgang dauert | |
so fünf, sechs Wochenenden und am Ende steht eine Prüfung. Hat man die | |
Prüfung abgelegt, gilt man als sachkundig und kann eine Waffenbesitzkarte | |
beantragen. Der Verband händigt den Zettel über die Sachkundigkeit aus, die | |
Waffenbesitzkarte genehmigen Behörden. | |
Sollte nicht trotzdem mehr Kompetenz in die Schütz*innenvereine gelangen, | |
um auch dort extremistische Ideologien zu erkennen? | |
Ja, wenn es da gute Ideen gibt – gerne! Ich bin der Letzte, der etwas | |
dagegen hat. Manchmal kommen Leute, die schießen zweimal und fragen dann, | |
wie man an eine Waffe kommt. Dann sagen wir: „Du gar nicht!“ Jeder Verein | |
ist allerdings nur so gut, wie die Person, die in dieser Situation eine | |
Antwort gibt. | |
Sie haben 13 Jahre lang Kinder und Jugendliche trainiert. Wird dabei über | |
Verantwortung im Umgang mit Waffen gesprochen? | |
Selbstverständlich, als Allererstes! Wir bringen ihnen bei, wie man eine | |
Waffe aufnimmt, ablegt und in welche Richtung man sie hält. | |
Was passiert, wenn sich Kinder oder Jugendliche nicht an die Regeln halten? | |
Dann werden sie verwarnt. Wenn es ein zweites Mal passiert, werden sie noch | |
mal verwarnt. Beim dritten Mal war es das letzte Mal. | |
Dann werden sie aus dem Verein geworfen? | |
Da muss man abwägen, wie reif die Kinder sind. Vielleicht müssen sie eine | |
längere Pause machen und können irgendwann wiederkommen. Wenn es auf Dauer | |
nicht funktioniert, werden solche Menschen aus dem Verein ausgeschlossen. | |
Wie sind Sie zum Schießsport gekommen? | |
Ich komme vom Dorf. Mein Papa war im Schießverein und ich wollte das immer | |
gern machen. Allerdings durfte ich erst mit zwölf Jahren anfangen. Dann bin | |
ich dabeigeblieben, weil es Spaß macht. | |
Wie viele Waffen besitzen Sie? | |
Gar keine mehr. | |
Aber Sie haben welche besessen? | |
Ja, ein Luftgewehr. | |
Also nutzen Sie die Waffen in Ihrem Verein zum Schießen? | |
Ja, das ist mein Glück: Es gibt in meinem Verein einfache Luftgewehre, die | |
man sich einstellen kann – je nach Körperbau. Die sind in der unteren | |
Preisklasse, so ab 800 Euro. Wie bei allen Sportgeräten steigt der Preis, | |
je mehr Technik in einem Gerät steckt. In meinem Verein nutze ich ein | |
Luftgewehr, das ich für mich richtig eingestellt habe. Müsste ich ein | |
anderes nehmen und das neu einstellen, bräuchte ich bestimmt sieben | |
Trainingsabende, bis ich das Schulterstück und die anderen Module so | |
angepasst habe, dass ich damit vernünftig schießen kann. | |
Und wenn jemand anderes aus dem Verein das Gewehr nimmt und es verstellt? | |
Dann habe ich Pech gehabt und muss es neu einstellen. | |
Warum brauchen Sportschütz*innen eigene Waffen? | |
Das kommt ab einem bestimmten Leistungsniveau. Die Geräte müssen an den | |
Körper angepasst werden. Wer professionell schießt, braucht auch | |
Schießkleidung. Das sind steife, schwere Sachen, in denen man sich kaum | |
bewegen kann. Außerdem haben die Sachen angeraute Flächen, damit man das | |
Gewehr gut in Anschlag nehmen kann und nicht verrutscht. | |
Was ist für Sie das Besondere am Schießsport? | |
Ich mag das Zusammenspiel. Ich muss mich auf mich konzentrieren, nur auf | |
mich und das, was ich in dem Moment machen will. Das Ganze ist ein | |
wiederkehrender Prozess: aufnehmen, in Anschlag gehen, zielen, abdrücken, | |
absetzen und dann wieder von vorne. | |
Welcher Moment in dem Prozess ist der beste? | |
Wenn der Schuss weg ist und ich weiß, dass ich es richtig gemacht habe. | |
Schon bevor Sie den Schuss auf der Zielscheibe sehen, wissen Sie, dass er | |
gut war? | |
Als Sportschütz*innen drücken wir nicht bewusst ab, sondern der Schuss | |
bricht. Das ist ein antrainierter Reflex. Es wird nichts, wenn ich erst | |
überlege: „Ich muss jetzt abdrücken und den Finger bewegen.“ Dann verziehe | |
ich den Schuss und er geht nicht dahin, wo er hinsoll. | |
Das Schießen ist also keine bewusste Entscheidung, sondern eine Art | |
antrainierter Reflex? | |
Ja, dazu gibt es auch Studien. Wirklich gute Sportschütz*innen auf | |
olympischen Niveau schießen zwischen zwei Herzschlägen. Das kann man | |
messen. | |
Warum zwischen zwei Herzschlägen? | |
Der Herzschlag lässt das Gewehr vibrieren. Damit würde man nicht genau | |
treffen. | |
Ist das Schießen denn ein körperlicher Sport? | |
Natürlich. Dabei sieht man vielleicht nicht so cool aus wie jemand, der | |
durch die Gegend läuft. Trotzdem muss man eine gute Atmung haben, sonst | |
steht man nicht ruhig genug. Darum muss man neben dem Schießen die | |
Kondition trainieren. | |
2 Mar 2020 | |
## AUTOREN | |
Sabrina Winter | |
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