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# taz.de -- Pressefreiheit in Schweden: Strafen für „Stimmung gegen Volk“
> Die rechtsextremen Schwedendemokraten wollen öffentlich-rechtliche Sender
> kontrollieren. JournalistInnen könnten mit Lohnabzug bestraft werden.
Bild: Gestörtes Verhältnis: Jimmie Aakesson, Vorsitzender der rechten Schwede…
Stockholm taz | Es werde wirklich immer absurder, kommentiert die
Tageszeitung Göteborgs-Posten. Und Dagens Nyheter, überregionales Blatt aus
Stockholm, bedankt sich: „Schön, dass ihr uns ungeschminkt zeigt, was wir
zu erwarten haben.“ Die rechtsextreme Partei Schwedendemokraten hat zwar
schon wiederholt die [1][öffentlich-rechtlichen Medienanstalten Sveriges
Television (SVT) und Sveriges Radio (SR)] im Visier gehabt. Beispielsweise
will sie ihre Budgets radikal kürzen und die öffentliche Medienförderung
abschaffen. Die neuesten Attacken der Rechten stellen aber bisherige
Vorstöße in den Schatten.
Als „gleichermaßen wahnsinnig wie faszinierend und erschreckend“ bewertet
Tomas Backlund, Vizevorsitzender der Journalistengewerkschaft
Journalistförbundet, die Vorschläge, die der Schwedendemokrat Linus Bylund
in der vergangenen Woche in einem Interview gemacht hat. Bylund ist der
Medienstratege seiner Partei und ihr Vertreter im Verwaltungsrat von SVT
und SR. Er möchte ermöglichen, dass unliebsame JournalistInnen und
Programmverantwortliche der Öffentlich-Rechtlichen für „parteiische“
Berichterstattung bestraft werden können, beispielsweise mit mehrmonatigem
Lohnabzug oder Kündigung.
Ähnlich wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland
haben auch Schwedens Öffentlich-Rechtliche Programmgrundsätze. Was die
Fernseh- und Rundfunkräte der deutschen Sender sind, an die man sich wegen
möglicher Verstöße wenden kann, ist in Schweden der Granskningsnämnden.
Dieser Prüfungsausschuss entscheidet unabhängig und selbstständig über
Beschwerden gegen Programme und kann dann beispielsweise Rügen wegen des
Verstoßes gegen die Gebote der Sachlichkeit oder Unparteilichkeit
aussprechen. Dies reicht Bylund offenbar nicht: Seine Partei möchte die
„Möglichkeit zu personalisierten Repressalien“ schaffen.
„Ich sage ja gar nicht, dass jeder Journalist entlassen werden soll, der
nicht macht, was ich sage“, erklärte Bylund der Zeitschrift Fokus: „Aber
verletzt man seine Befugnisse als Angestellter eines Medienkanals des
Volkes, täuscht man damit die Menschen […]. Man hat das Geld der Menschen
ja nicht bekommen, um Stimmung gegen das eigene Volk zu machen.“ Björn
Söder, einer ihrer führenden Politiker und Ex-Vizepräsident des Reichstags,
plädierte schon vor Jahren für eine politische Kontrolle der
öffentlich-rechtlichen Sender. Derselbe Söder spricht Juden und indigenen
Samen die „schwedische Identität“ ab.
## Konservative Nähe zu Rechtsextremen
Neben den personalisierten Strafen forderten die Rechtspopulisten im
Kulturausschuss des Parlaments Anhörungen der Chefs von SVT und SR im
Reichstag. Dort sollten diese Rede und Antwort für spezielle Sendungen
stehen, die den Schwedendemokraten missfielen. „Da denkt man natürlich
sofort an Polen und Ungarn“, kritisiert Jesper Bengtsson, Vorsitzender des
schwedischen PEN. „Es ist ja kein Geheimnis, dass die Schwedendemokraten
sich von der Entwicklung in diesen Ländern inspirieren lassen.“
In beiden Ländern wurden in den vergangenen Jahren Gesetze verabschiedet,
die die Pressefreiheit einschränken. Auch Backlund von der Gewerkschaft
Journalistförbundet warnt: Gehe man nur einen Schritt in die von den
Schwedendemokraten skizzierte Richtung, „leben wir nicht mehr in einer
Demokratie“.
Dass die Rechtsextremen ihre medienpolitischen Vorschläge irgendwann
tatsächlich umsetzen können, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Laut
Umfragen sind die Schwedendemokraten mit 24 Prozent derzeit stärkste Partei
des Landes. Vor allem grenzen sich die übrigen Parteien von der aus dem
Neonazimilieu stammenden Partei nicht mehr in demselbem Maße ab wie noch
vor eineinhalb Jahren.
Die [2][konservative Moderate Sammlungspartei und die Christdemokraten
regieren bereits viele Kommunen mit den Rechtsextremen] und verstärken auch
auf nationaler Ebene die politische Zusammenarbeit. Entscheidend sei die
Sache, nicht welche Parteien diese vertreten, sagte Moderaten-Vorsitzender
Ulf Kristersson.
Zwar kritisierte auch er die Vorschläge von Bylund, doch Konservative und
Christdemokraten übergingen zunächst auffallend still den später von allen
anderen Parteien abgewiesenen Antrag, die Chefs der öffentlich-rechtlichen
Sender zur Rechtfertigung von Programmen vor das Parlament zu zitieren.
Kritik daran, so Anna Sibinska, Kulturausschussmitglied der Grünen, „wäre
doch eigentlich wirklich angebracht gewesen“.
Es sei klar, dass die beiden rechtskonservativen Oppositionsparteien
mithilfe der Schwedendemokraten an die Macht kommen wollten, kommentiert
die Zeitung Expressen. Und Dagens Nyheter erinnert diejenigen, die offenbar
kein Problem mehr mit der Nähe zu dieser Rechtsaußenpartei haben:
„Extremisten können eine Demokratie nicht zerstören. Das können nur wir
anderen, wenn wir das zulassen.“ Je mehr sich Rechtsextreme in Schweden
normalisieren und je normaler ihre Beziehungen zu den anderen Parteien
werden, umso gefährlicher wird es also für JournalistInnen und die
Pressefreiheit.
5 Mar 2020
## LINKS
[1] /Oeffentlich-Rechtliche-in-Skandinavien/!5507744
[2] /Rechtsextreme-Partei-in-Schweden/!5658392
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schwedendemokraten
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Schwerpunkt Coronavirus
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Schwerpunkt Zeitungskrise
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