# taz.de -- Krieg in Syrien: Assad-Truppen töten vier Türken | |
> Der Angriff des syrischen Regimes auf die Stadt Idlib steht bevor. Ein | |
> Beschuss türkischer Soldaten verschärft nun die Spannungen in der Region. | |
Bild: Syrische Zivilisten auf der Flucht in der Provinz Idlib | |
ISTANBUL taz | In Syrien hat das Regime von Baschar al-Assad die | |
wahrscheinlich letzte Runde im Bürgerkrieg eingeläutet. Nach der Eroberung | |
der zweitgrößten Stadt in der letzten Rebellenprovinz Idlib, Maaret | |
al-Numan, rücken syrische Regimetruppen nun auf die Provinzhauptstadt vor. | |
Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums vom Montagmorgen | |
wurden bei Beschuss durch syrische Truppen mindestens vier türkische | |
Soldaten in Nordsyrien getötet. | |
Unterstützt von massiven Angriffen der russischen Luftwaffe, haben die | |
syrischen Regimetruppen in den vergangenen Tagen nahezu den gesamten Süden | |
der Provinz erobert und dabei auch die wichtige Autobahnverbindung M5 von | |
Damaskus nach Aleppo wieder unter ihre Kontrolle gebracht. Als Nächstes | |
steht nun der Angriff auf die Provinzhauptstadt Idlib selbst bevor. | |
Vor allem die massiven Luftangriffe treiben [1][hunderttausende syrische | |
Zivilisten in die Flucht]. Der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, | |
spricht von 200 Luftangriffen allein in den vergangenen drei Tagen. | |
Kilometerlange Flüchtlingstrecks seien auf dem Weg nach Norden in Richtung | |
türkische Grenze, berichtet unter anderem die Hilfsorganisation Save the | |
Children unter Berufung auf ihre Partner vor Ort. | |
Die Zahl der Flüchtlinge, die sich in den vergangenen Wochen auf den Weg | |
gemacht haben, schwankt zwischen 400.000, wie die UNO mitteilte, und | |
700.000, wie Jeffrey sagte. Dabei ist der Teil Idlibs, der an die Türkei | |
angrenzt, bereits hoffnungslos überfüllt. Zeltstädte und improvisierte | |
Lager wechseln sich ab, türkische Hilfsorganisationen versuchen die | |
Menschen notdürftig zu versorgen. | |
Die türkische Regierung hat die Grenze gesperrt, aber Präsident Erdoğan | |
fürchtet, dass die Situation unhaltbar wird und hunderttausende Flüchtlinge | |
demnächst einfach über die Grenze stürmen werden. Am vergangenen Donnerstag | |
kritisierte er erstmals öffentlich den [2][russischen Präsidenten Wladimir | |
Putin] wegen der Luftangriffe. Russland halte sich offenbar nicht mehr an | |
die Vereinbarungen, die es im sogenannten Astana-Prozess eingegangen sei, | |
so Erdoğan. | |
Noch am 8. Januar hatte Putin bei einem Treffen mit Erdoğan einen | |
Waffenstillstand in Idlib zugesagt. Am vergangenen Wochenende verschärfte | |
Erdoğan dann den Ton: „Wir können nicht zulassen, dass unser Land bedroht | |
wird“, sagte er. „Notfalls werden wir auch militärisch dagegen | |
einschreiten.“ | |
Um seine Drohung zu unterstreichen, hat Erdoğan am Sonntag von ihm | |
kontrollierte syrische Milizen gegen Assads Truppen in Marsch gesetzt. Aus | |
dem von der Türkei besetzten Teil Syriens bei der Stadt al-Bab, nördlich | |
von Aleppo, eröffneten die syrischen Hilfstruppen eine neue Front gegen | |
Assad, um so Regimekräfte vom Vormarsch auf Idlib abzuziehen. | |
Am Montagmorgen meldete die türkische Armee vier getötete türkische | |
Soldaten in Idlib. Die Soldaten gehörten zu einem der zwölf | |
Beobachterposten, die die Türkei in Absprache mit Russland zur Absicherung | |
eines zuvor bereits vereinbarten Waffenstillstands dort eingerichtet hatte. | |
Später am Montagvormittag erklärte Erdoğan, die türkische Armee habe | |
zurückgeschlagen und mindestens 35 syrische Soldaten getötet. Die syrische | |
Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London sprach dagegen von sechs | |
getöteten syrischen Soldaten und zwanzig verletzten Assad-Kämpfern. Erdoğan | |
forderte Russland auf, den türkischen Militäreinsatz nicht zu behindern. | |
## Erdoğan droht | |
Schon zuvor hatte Erdoğan gedroht, hart zurückzuschlagen, sollte einer der | |
Beobachtungsposten von syrischen Regimetruppen angegriffen werden. Dennoch | |
ist es nach wie vor schwer vorstellbar, dass Erdoğan türkische Truppen | |
direkt gegen Assads Soldaten und damit indirekt auch gegen Russland | |
marschieren lässt. | |
Putin hat auf diese neue Situation bislang öffentlich nicht reagiert. | |
Erdoğan hat in Syrien nach dem versehentlichen Abschuss eines russischen | |
Kampfflugzeugs im November 2015 und der anschließenden Krise zwischen | |
beiden Ländern immer peinlich darauf geachtet, Putin militärisch nicht in | |
die Quere zu kommen. | |
Wiederholt wurden für Idlib zwischen Russland und der Türkei Vereinbarungen | |
getroffen, die den Status quo erhalten sollen, in denen sich Erdoğan aber | |
auch verpflichtete, die syrischen Dschihadisten daran zu hindern, russische | |
Stützpunkte aus Idlib heraus anzugreifen. | |
Doch weder konnte Erdoğan die Dschihadisten unter Kontrolle bringen, noch | |
konnte Putin Assad davon abhalten, die letzte noch von Rebellen | |
kontrollierte Provinz gewaltsam wieder zurückzuerobern. Jetzt droht eine | |
humanitäre Katastrophe entlang der türkischen Grenze oder eine neue | |
Flüchtlingsbewegung, die sich dann auch an den europäischen Grenzen | |
bemerkbar machen würde. | |
3 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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