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# taz.de -- Rassismus im Stadion: Konterangriff der Stadiongänger
> Das Publikum in Münster wird allerorten wegen seiner Zivilcourage
> gefeiert. Viel Lob gebührt ihm eigentlich für etwas anderes.
Bild: Der Würzburger Spieler Leroy Kwadwo (r.) empört sich über rassistische…
Aus einem Elfenbeinturm betrachtet, mag die Szene dieses Fußballwochenendes
verwundern. 5.457 Menschen sind da am Freitagabend in Münster im
Preußenstadion zusammengekommen, um sich eine Drittligapartie anzuschauen.
Ein 29-jähriger Besucher auf der Haupttribüne beleidigt und demütigt den
Würzburger schwarzen Gästespieler Leroy Kwadwo mit Affengeräuschen und der
Aufforderung „Geh zurück in dein Loch“. Und die Zuschauer in Münster werd…
hernach allerorten für ihre Zivilcourage gefeiert, weil einige von ihnen
diesem Mann Einhalt geboten, ihn den Stadionordnern ausgeliefert und mit
„Nazis raus“-Rufen bedacht haben. Sogar das ZDF-Sportstudio würdigt mit
Studiogast Kwadwo ausgiebig die Münsteraner Reaktionen und lässt den großen
Fußball für ein paar Minuten mal links liegen.
Sollte das alles eigentlich nicht selbstverständlich sein? Erst recht in
dem liberalen Ambiente einer Studentenstadt? In einem Stadion, in dem sich
die Ultras schon lange zum Antirassismus bekennen? Wenn das bereits als
Zivilcourage geadelt wird, was braucht es dann, um sich nicht auf der
Haupttribüne, sondern in den Kurven gegen 30 oder 50 Krakeeler zu stellen?
An Orten etwa wie Aachen und Chemnitz, wo rassistische Bekundungen in der
Vergangenheit viel mehr Duldung erfahren haben?
Die Szene in Münster und ihre Aufarbeitung erzählen recht viel über die
Verhältnisse in den deutschen Stadien und den schwierigen Kampf gegen
Rassismus. Die Münsteraner Reaktionen sind eben keine
Selbstverständlichkeit. Auf Schalke mag die aktive Fanszene in den letzten
Jahren viel getan haben, um gegen den in der Gesellschaft verankerten
Rassismus anzugehen. Dass er sich bemerkbar macht, konnten auch sie nicht
verhindern. Das war vergangene Woche zu sehen, als der Hertha-Profi Jordan
[1][Torunarigha] mit Affenlauten bedacht wurde.
Als Akteur werden vornehmlich die Vereine und Verbände in Haftung genommen,
die bei rassistischen Vorfällen mit hohen Geldbußen belegt werden.
Sanktionskataloge und der so genannte Dreistufenplan, eine
Handlungsanleitung der Fifa, wie auf rassistische Vorkommnisse reagiert
werden soll (Stadiondurchsage, Spielpause, Spielabbruch), sind wichtige
technische Werkzeuge im Kampf gegen Rassismus. Beseelt und kraftvoll wird
dieses Engagement aber nur, wenn es so wie in Münster vom Publikum im
Stadion getragen wird.
## Gleichgültigkeit in Wolfsburg
Die Wucht dieses Erlebnisses von Münster hat eine große Ausstrahlungskraft
auf andere Standorte in Deutschland. Diese Vorbildfunktion fällt deutlich
mehr ins Gewicht als der Mut und die Zivilcourage. Kwadwo schrieb jetzt auf
[2][Instagram]: „Ihr könnt Euch gar nicht denken, was diese mir und auch
allen anderen farbigen Spielern bedeutet.“
Vor knapp einem Jahr berichtete ein Journalist aus Wolfsburg, wie
gleichgültig die Zuschauer auf der Tribüne bei einem Länderspiel
rassistische Rufe einzelner Krakeeler hinnahmen. So als ob Rassismus eben
zum Fußball gehöre wie Bockwurst und Bier. Die Verschiebung des Sagbaren,
die sich an den Erfolgen der AfD ablesen lässt, ist natürlich längst auch
wieder in den Stadien wahrzunehmen.
Das Stadion ist und bleibt für die Gesellschaft ein wichtiger Ort, an dem
Menschen ihren Frust und ihre Aggressionen entladen können. Dass dieser
Freiraum nicht zum Freiraum für Rassismus, Antisemitismus oder Homophobie
wird, bedarf eben auch solcher vorbildhafter beherzter Reaktionen, wie man
sie im Fußballstadion von Münster gesehen hat.
16 Feb 2020
## LINKS
[1] /Rassismus-gegen-Hertha-Spieler/!5658247
[2] https://www.instagram.com/leroykwadwo/?hl=de
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
Münster
Lesestück Recherche und Reportage
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