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# taz.de -- Päckchen-Chaos in Kreuzberg: „Post ist eine Lotterie geworden“
> In SO36 verschwinden massenhaft Pakete, sagt Taina Gärtner. Die
> Kreuzberger Grüne fordert, das Bezirksamt soll Gespräche mit DHL führen.
Bild: Ja, wo isses denn? Viele BerlinerInnen müssen ihre Päckchen bei den Sp�…
taz: Frau Gärtner, [1][Sie bringen heute am Mittwoch in die BVV
Friedrichshain-Kreuzberg einen Antrag ein] mit der Forderung, dass das
Bezirksamt mit der Post Gespräche führen soll wegen der Zustellung in SO
36. Was ist da bei Ihnen los?
Taina Gärtner: Im letzten Jahr sind im ehemaligen Postzustellbereich 36
beide Postfilialen – in der Ritterstraße und in der Skalitzerstraße –
geschlossen worden. Und ich bin der Meinung, wenn die DHL schon meint, ihre
Liegenschaften privatisieren zu müssen, hat sie dafür zu sorgen, dass die
Menschen im Bezirk korrekte Ersatzstrukturen zu bekommen.
Es gibt gar keine Postfiliale mehr in Kreuzberg 36?
Nein, keine richtige. Es gibt nur noch die Spätis, die DHL-Shop heißen, und
einen in der Wrangelstraße, der jetzt offiziell „Postfiliale“ heißt.
Seitdem herrscht das Chaos! Ich habe von jemandem gehört, der musste in
Hohenschönhausen ein 30 Kilogramm schweres Paket abholen, andere werden
nach Mitte geschickt. Aber vielleicht kriegen die wenigstens ihre Päckchen.
Denn die „Postfiliale“ in der Wrangelstraße ist offenbar total überforder…
Pakete bleiben unauffindbar, Menschen müssen bis zu eineinhalb Stunden in
der Schlange draußen in der Kälte stehen.
Die Leute stehen vor einem Späti an, um ein Paket abholen zu können?
Die Schlange ist manchmal so lang, dass man den Friseur nebenan gar nicht
mehr sieht! Das ist halt nur ein kleiner Spätkauf mit einem entsprechend
kleinen Lager. Was man da in der Schlange zu hören bekommt: Leute stehen
teilweise stundenlang an, nur um dann gesagt zu bekommen, das Päckchen sei
nicht da, man soll morgen wieder kommen. Aber am nächsten Tag heißt es das
gleiche. Warum jetzt der ganze Wrangelkiez zu diesem Späti am Schlesischen
Tor geschickt wird, erschließt sich niemandem. Und seit das so läuft, ist
allen aufgefallen, dass nichts mehr funktioniert wie vorher.
Nämlich?
Es wird nicht mehr geklingelt oder beim Nachbarn oder beim Späti um die
Ecke abgegeben. Da hatten sich ja teilweise Zustelllösungen etabliert.
Jetzt hat man einen Abholschein im Briefkasten, wo dieser Späti
Wrangelstraße draufsteht – aber das Paket ist da nicht. Und wenn man die
Hotline anruft, wird einem auch nicht geholfen, selbst wenn man einen
Nachforschungsantrag stellt.
Ob sich daran was ändert durch Ihren Antrag?
Meine Hoffnung ist, dass wenn ein Stadtrat Gespräche mit der Post aufnimmt,
eine Antwort kommen muss. Wir müssen die irgendwie festnageln. Zumal ich im
Zuge meiner Recherche für den Antrag festgestellt habe, dass das gar kein
SO36-spezifisches Problem ist. In Zehlendorf gibt es auch einen Kiez, wo es
gar keine Post mehr gibt, da haben die Paketzusteller zum Beispiel
Kindersecondhandläden die Bude eingerannt und wollten bei ihnen die Pakete
abgeben. Und in Prenzlauer Berg soll es auch eine Ecke geben, wo Leute
mindestens 40 Minuten am Kiosk für ein Paket anstehen müssen.
Also eigentlich ist das kein Thema für die BVV.
Nein, eigentlich sollte sich jemand vom Senat darum kümmern. Offenbar
verkauft die Post überall in Berlin ihre Liegenschaften und versucht, diese
vormalige Staatsaufgabe auf ungeeignete Läden und ungeschultes Personal
abzuwälzen. Manchmal wissen die Mitarbeiter ja nicht einmal, was ein
Einschreiben ist! Und behindertengerecht sind die Spätis oft auch nicht,
haben hohe Stufen, keine Rampe oder zu enge Türen. Und das schlimmste:
dieses System befördert offenbar Diebstahl.
Wie meinen Sie das?
Bei uns im Kiez kommen auffällig oft Sachen weg, die Wert haben. In meiner
Nachbarschaft ist zum Beispiel ein kleines Büro, die bekommen größere
Mengen Briefmarken immer mit der Post geschickt. Offenbar sind das
Sendungen, die jeder erkennt, der etwas von der Branche versteht. Und in
letzter Zeit kommt nur noch jede dritte Sendung an! Andere berichten, etwa
bei Facebook, von angeblich verschwundenen Paketen, die wieder auftauchen,
aber geöffnet worden waren. So als ob jemand gucken wollte, ob was
wertvolles drin ist – und als das nicht der Fall war, das Paket dann doch
zugestellt wurde. Ich habe auch gehört, dass bestimmte Paketfahrer bei
Spätis Hausverbot haben, weil diese ihnen misstrauen. Aber wie sollen wir
dann an unsere Pakete kommen?
Vielleicht liegt es auch daran, dass die Zusteller so schlecht bezahlt
werden?
Ja, bestimmt. Und sie wechseln häufig und kennen sich in ihrem Kiez gar
nicht mehr aus. Alles in allem ist das ist kein Service mehr, wie man ihn
von der Post erwarten darf: mit Räumlichkeiten, wo alle Wartenden Platz
finden, sich ältere Herrschaften auch mal setzen können, wenn es dauert –
und man kompetent beraten und bedient wird. Nicht umsonst waren Postler
früher ja sogar Beamte! Heute ist das zu einem richtigen Lotteriespiel
geworden.
Termin: Öffentliche Sitzung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, Mittwoch,
29.01. 2020, 18 Uhr, Rathaus Kreuzberg, BVV-Saal, Yorckstr. 4-11, 10965
Berlin
29 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/be…
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
DHL
Deutsche Post
Pakete
Postgesetz
Arbeitsbedingungen
Paketdienste
Verdi
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