# taz.de -- Buch über Frauen in der Minderheit: Alleine zwischen Männern | |
> Die ersten Frauen im Deutschen Bundestag hatten es nicht gerade leicht. | |
> Aber mit ihnen zog glücklicherweise auch der Alltag in die Politik ein. | |
Bild: Joschka Fischer nannte sie „gequetschte Schwanzträger“: die Fraktion… | |
Sie war eine klassische Sarghüpferin. So werden Abgeordnete genannt, die im | |
Bundestag den Platz von verstorbenen Abgeordneten einnehmen. [1][Ursula | |
Männle], die 1979 für den CSU-Mann Heinrich Reichold nachrückte, nahm es | |
sarkastisch-gelassen: „Die Frauen werden nur was über die Leichen der | |
Männer.“ | |
Ein wenig später, am 24. Januar 1980, hält Männle ihre erste | |
Bundestagsrede. Sie trägt ein knallrotes Kleid, ganz bewusst, sie will | |
auffallen zwischen all den dunklen Anzügen. Sie weiß: Anders könnte sie zum | |
„schmückenden Beiwerk“ verkommen in der „Bonner Republik“ vor 40 Jahre… | |
wie das nicht wenigen Frauen in den 1960er, 1970er und 1980er Jahren im | |
Bundestag passierte, die in jener Zeit ihr politisches Dasein als Alibifrau | |
fristeten. Die Süddeutsche Zeitung wird nach Männles „Jungfernrede“ | |
schreiben, die CSU-Frau habe „witzig und selbstbewusst“ gesprochen. | |
Heute ist Männle nahezu vergessen, mittlerweile ist sie 76 Jahre alt. Aber | |
sie lebt „In der Männerrepublik“, einem gerade erschienenem Buch des | |
Journalisten Torsten Körner, weiter. Das Werk ist eine wissensvermittelnde | |
wie unterhaltsame Abhandlung über „Die Kämpfe deutscher Politikerinnen um | |
Macht und Gleichberechtigung“, wie der Untertitel des Buchs lautet. | |
Als Männle 1979 zum ersten Mal in den Bundestag einzog – von 1983 bis 1994 | |
war sie erneut Bundestagsabgeordnete – waren gerade mal 7 Prozent der | |
Parlamentarier weiblich. Die Frauen wurden häufig verlacht, ihnen wurden | |
politisches Verständnis und Geschick abgesprochen, manche erlitten sexuelle | |
Übergriffe. | |
## Komisches Dramolett | |
Da ist zum Beispiel Elisabeth Schwarzhaupt, die 1961 als erste Frau ein | |
Ministeramt bekleidete. Wie sie ins Kabinett gehievt wurde, galt als | |
komisches Dramolett: Frauenverbände und Frauenabordnungen machten beim | |
damaligen Kanzler Konrad Adenauer so viel Druck, dass für Schwarzhaupt ein | |
neues Ressort geschaffen wurde, das (damals überflüssig erscheinende) | |
Gesundheitsministerium. Denn Adenauer weigerte sich vehement, irgendein | |
Ressort an eine Frau abzugeben. | |
Die Frauen indes hatten auf das Justizministerium für Schwarzhaupt | |
gedrängt. Aber das wischte Adenauer mit dem Satz vom Tisch: „Das jeht nich. | |
Da drüben in der Deutschen Demokratischen Republik haben se Hilde Benjamin, | |
da können wir hier nich ne Frau als Gegenüber brauchen; gerade wo ich | |
meine, dass hier die Justiz strenger werden muss.“ | |
Auch als Familienministerin hätten Schwarzhaupts Unterstützerinnen die | |
Juristin gern gesehen. Das fiel jedoch aus, weil die Abgeordnete keine | |
Kinder hatte. Als Adenauer die erste Kabinettssitzung einberief, begrüßte | |
er die Abgeordneten wie gewohnt mit „Morjen, meine Herren!“ Schwarzhaupt | |
protestierte – und Adenauer sprach sie fortan als „Fräulein Schwarzhaupt“ | |
an. | |
Oder Marie-Elisabeth Lüders, nach der heute eines der Bundestagsgebäude | |
benannt ist. Die FDP-Abgeordnete besaß die Gabe, Alltag zur Politik zu | |
machen. Als sie am 14. Juni 1955 im Bundestag ihre erste Rede hielt, ging | |
es ums Essen in der Bundestagskantine. Ein absolutes Novum damals. | |
## Equal pay | |
In die Geschichte eingegangen ist der Teil der Lüders-Rede, der heute | |
durchaus als einer der ersten Einsätze für equal pay bezeichnet werden | |
kann. Lüders beschrieb, wie die jungen „Essenträgerinnen“ genauso flink w… | |
deren männliche Kollegen die Abgeordneten bedienten, dafür aber ein | |
Grundgehalt von 250 Mark bekamen – statt 350 Mark wie die Herren. Das Thema | |
drängt bis heute, die unbereinigte Lohnlücke beträgt immer noch rund 21 | |
Prozent. | |
Aus ihrem Alltag machten auch grüne Frauen Politik, als sie 1984 im | |
Bundestag eine sechsköpfige weibliche Fraktionsspitze installierten, das | |
„Feminat“, wie Medien daraufhin süffisant schrieben. Joschka Fischer, | |
damals einfacher Abgeordneter im Parlament, nannte die sechs, darunter die | |
späteren Grünen-Promis Antje Vollmer, Waltraud Schoppe und Christa Nickels, | |
„gequetschte Schwanzträger“. | |
Die weibliche Sechserspitze hatte damals schon erkannt, dass es von Vorteil | |
ist, Aufgaben zu teilen. Vier der Frauen hatten Kinder, zwei von ihnen | |
waren alleinerziehend. Sie wussten, was ein Leben mit Kindern bedeutet, und | |
konnten sich solidarisch miteinander verhalten. | |
Das „Feminat“ stand unter erheblichem Erfolgsdruck, | |
Politikbeobachter*innen sprachen von der „Hausfrauisierung“ der | |
Politik. Auch die taz fragte: „Ob die das wohl schaffen? Sind sie nicht | |
vielleicht zu mittelmäßig?“ Solche Zuschreibungen erscheinen angesichts des | |
heutigen Grünen-Spitzenduos Annalena Baerbock und Robert Habeck, die wie | |
selbstverständlich kooperativ miteinander arbeiten, komplett aus der Zeit | |
gefallen. | |
Dass Frauen in der Politik dennoch einen nach wie vor steinigen Weg gehen | |
müssen, zeigt allein der aktuelle Frauenanteil im Bundestag: Er ist mit 31 | |
Prozent so gering wie zuletzt in der Legislaturperiode von 1998 bis | |
2002. | |
19 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ursula_M%C3%A4nnle | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
## TAGS | |
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