# taz.de -- ZDF-Meteorologe über Orkan „Sabine“: „Der Sturm ist nicht no… | |
> Bei „Sabine“ sei der Fußabdruck des Klimawandels nicht zu bezweifeln, | |
> sagt der Meteorologe Özden Terli. Zugstopps und Kita-Schließungen seien | |
> richtig. | |
Bild: Wangerooge am 10. Februar 2020: Der Sturm peitscht Wasser auf den Strand | |
taz: Herr Terli, das Tief [1][„Sabine“] ist über Deutschland hinweggezogen, | |
die nächsten Tage soll es weiter stürmen. Sind das bereits Auswirkungen des | |
Klimawandels oder ist das ganz normales Winterwetter? | |
Özden Terli: Die Frage ist nicht mehr zeitgemäß, sorry. Wir leben in einer | |
Welt, die sich bereits um etwas über 1 Grad erwärmt hat. Das heißt: Das | |
Klima hat sich schon verändert. Die zunehmende Erwärmung durch das | |
unkontrollierte und exzessive Freisetzen der Treibhausgase, also durch das | |
Verbrennen von Kohle, Öl und Gas, wirkt immer stärker in der Atmosphäre und | |
verändert sie immer massiver – und damit unser Wetter. | |
Der Orkan ist also eine direkte Folge des [2][Klimawandels]? | |
Der Sturmkomplex ist jedenfalls der stärkste, den es aktuell auf der | |
gesamten Nordhalbkugel der Erde gibt – und damit nicht normal. Wir haben | |
Februar, also Hochwinter. Das müsste normalerweise die kälteste Zeit des | |
Jahres sein. Stattdessen messen wir Temperaturen von 14 bis 15 Grad – im | |
Hochwinter! Gegen mein Fenster sind heute Hagelkörner geprasselt. Typisch | |
und üblich wäre dagegen, dass es kalt ist und wir nicht Aprilwetter haben. | |
Der Fußabdruck des Klimawandels ist nicht zu bezweifeln, die Klimakrise | |
längst nicht mehr zu leugnen. | |
Es gibt Kritiker, die sagen, die Vorhersagen der Meteorologen seien | |
überzogen. Die Stadt Solingen erklärt „Sabine“ zum „Sabinchen“. Andere | |
schreiben, Grund für die massiven Warnungen sei die Gier nach Sensation und | |
Klicks im Internet. | |
Wenn man natürlich von einem „Horrororkan“ oder Ähnlichem spricht, ist das | |
übertrieben. Aber wer den Orkan zum „Sabinchen“ herunterredet, handelt | |
unverantwortlich oder hat sich mit der Materie schlicht nicht beschäftigt. | |
Unsere Wettermodelle sind heute weitaus präziser als noch vor 20 Jahren. | |
Seit Anfang vergangener Woche war absehbar, dass uns ein | |
überdurchschnittlich starkes Sturmtief erreicht. Seit Donnerstag haben wir | |
im ZDF deshalb vor einem drohenden Orkan gewarnt – und das war richtig. | |
Während wir hier am Montagmorgen telefonieren, werden am Flughafen München | |
gerade Windstärken von 119 Stundenkilometern gemessen – das ist voller | |
Orkan! In Fürstenzell bei Passau sind es sogar 155 Stundenkilometer – das | |
ist die Geschwindigkeit eines Schnellzugs, der an Ihnen vorbeirauscht. | |
Die Warnungen haben [3][halb Deutschland lahmgelegt]: Bei der Bahn fuhr | |
kein Fernzug mehr, Schulen und Kindergärten blieben geschlossen. War das | |
nicht übertrieben? | |
Nein. Die Situation war lebensgefährlich. Stellen Sie sich vor, nur ein | |
einziger ICE wäre mit 300 Stundenkilometern in einen umgestürzten Baum | |
gerast – das hätte mit Toten und Schwerverletzten enden können und hätte | |
einen Riesenaufschrei zur Folge gehabt. Deshalb war es völlig richtig, dass | |
die Bahn gerade im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen auch die | |
Regionalzüge komplett gestoppt hat. Und zu den geschlossenen Schulen und | |
Kindergärten: Wer übernimmt die Verantwortung, wenn nur ein fallender Ast | |
Kinder verletzt? | |
Also sind die Kritiker ignorant? | |
Wie Klimaleugner gibt es auch Wetterleugner – also Menschen, die auch bei | |
dringenden Warnungen meinen: Alles Panikmache, so schlimm wird’s wohl nicht | |
werden. Das liegt vielleicht auch einfach in der Natur des Menschen, dass | |
man so ein Ereignis nicht wahrhaben möchte. Trotzdem, entweder man hört auf | |
die Fachleute oder man muss mit den Konsequenzen leben. Leider haben wir | |
uns so weit von der Natur entfernt, dass wir ihre Kraft nicht mehr wirklich | |
ernst nehmen. | |
Inwiefern? | |
Wenn ich Bilder sehe von Leuten, die bei vollem Orkan auf dem Brocken im | |
Harz spazieren gehen, dann weggeweht werden und dabei fast aufs Gesicht | |
stürzen, kann ich nur sagen: Das ist unverantwortlich. Wir müssen wieder | |
lernen, uns zurückzunehmen und die Gewalt der Natur zu akzeptieren. Das | |
gilt bei Wetterphänomenen wie Orkan „Sabine“ wie in der Klimakrise. Wir | |
müssen uns anpassen – doch das passiert nicht. Stattdessen steigen die | |
Treibhausemissionen Jahr für Jahr. Das ist unverantwortlich und ein denkbar | |
schlechtes Risikomanagement. | |
10 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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