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# taz.de -- Barrierefreiheit von Streams: Untertitel für Pornos
> Ein gehörloser US-Amerikaner verklagt eine Pornoseite wegen fehlender
> Untertitel. Dabei sind US-Anbieter barrierefreier als deutsche Angebote.
Bild: Schwierig: Wie untertitelt man das?
Berlin taz | Die Meldung sorgte im Netz für allerlei Spott: Der gehörlose
[1][New Yorker] Yaroslav Suris verklagt mehrere Online-Pornoplattformen
wegen fehlender Untertitel. Die Klage reichte er gegen die Pornoportale
Pornhub, Redtube und YouPorn sowie deren kanadischen Mutterkonzern Mindgeek
bei einem Brooklyner Gericht ein, [2][wie ABC News berichtet].
Suris beruft sich in seiner 23 Seiten langen Klageschrift auf mehrere
Pornos, die er im vergangenen Oktober und Januar schauen wollte. Wegen
fehlender Untertitel beim Film „Heiße Stieftante babysittet ungehorsamen
Stiefneffen“ und anderen Videos konnte er dem Inhalt aber nicht so folgen
wie Nutzer*innen, die hören können. Von den Pornhub-Anbietern fordert
Suris deshalb Strafzahlungen und Schadensersatz.
Was erst einmal lustig klingt, könnte für Anbieter Mindgeek schnell zum
Problem werden. Denn Suris beruft sich bei seiner Klage auf den
[3][Americans with Disabilities Act] (ADA), der US-Amerikaner mit
Behinderung seit 1990 bundes- und staatsübergreifend vor Diskrimierung
durch private Unternehmen und staatliche Institutionen schützen soll. Zwar
bietet Pornhub Untertitel in einer eigenen Kategorie an, dazu gibt es bei
einigen Videos Audiodeskriptionen für blinde Menschen und
[4][Charity-Aktionen wie den „Boob Bus“] zur kostenlosen
Vorsorgeuntersuchung von Brustkrebs. Doch das reicht nicht.
Die Zahl von Kläger*innen in den USA, die sich auf den ADA beziehen, hat in
den letzten Jahren immer weiter zugenommen; [5][laut der Website JD Supra]
waren es von Anfang Januar bis Ende Juni 2019 5.592 Klagen, ein Anstieg um
zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2018 waren es schon mehr als 10.000
Klagen. Die meisten bezogen sich auf fehlende Barrierefreiheit von
Websites. Neben Pornhub etwa auch [6][Beyoncés Webauftritt].
## Untertitel in Deutschland durch US-Gesetz
Aus Angst vor dem strengen ADA-Gesetz und den vielen Klagen statten deshalb
viele US-amerikanische Streaming-Anbieter ihre angebotenen Filme und Serien
mit Untertiteln und immer öfter auch mit Audiodeskriptionen für blinde
Menschen aus. „Netflix gehört zu den beliebtesten Streamingdiensten der
Gehörlosen“, sagt eine Sprecherin vom Gehörlosenverband Berlin. Das
US-amerikanische Unternehmen untertitele sein gesamtes Angebot – wenn nicht
auf Deutsch, dann auf jeden Fall auf Englisch. „Deutsche Nutzer profitieren
vom ADA-Gesetz aus den USA“, bestätigt Anja Gutjahr vom Deutschen
Gehörlosen-Bund.
Im deutschen Fernsehen und in den Mediatheken ist die Untertitelung bislang
wesentlich schlechter. Die öffentlich-rechtlichen Medien sind durch den
Medienstaatsvertrag zwar dazu verpflichtet, Barrierefreiheit in ihren
Angeboten herzustellen, also etwa durch Untertitel für gehörlose Menschen
oder Audiodeskriptionen für Blinde. Zu Beginn der 2010er Jahre war die Zahl
der untertitelten Sendungen im Ersten mit einem Drittel aber noch
lächerlich gering.
Seit 2013 müssen auch gehörlose und blinde Menschen den Rundfunkbeitrag
zahlen, allerdings nur ein Drittel davon, also rund 6 Euro pro Monat. In
den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der untertitelten Sendungen
im Ersten dann kontinuierlich erhöht. [7][2018 waren es 98 Prozent des
Angebots]. Allerdings nur im Rundfunk und mit Untertiteln via Teletext.
In der ARD-Mediathek ist die Abdeckung immer noch deutlich schlechter, laut
offiziellen Angaben sind höchstens 57 Prozent der online ausgespielten
Sendungen untertitelt. Ähnlich schlecht sieht es bei den dritten Programmen
wie Arte oder 3sat aus. Und private Rundfunkanbieter wie die RTL-Group sind
überhaupt nicht dazu verpflichtet, Untertitel oder Audiodeskriptionen
anzubieten. Beim Sender Vox waren 2019 [8][gerade einmal 23 Prozent] der
Sendungen untertitelt, bei ProSieben sind es 37 Prozent.
Mit den neuen US-amerikanischen Anbietern wie Apple+ und Disney+ sei das
überhaupt nicht zu vergleichen, sagt Claudia Schaffer vom Deutschen
Blinden- und Sehbehindertenverband. „Apple und Disney [9][sind bei der
Barrierefreiheit ihrer Streamingportale vorbildlich].“ Wichtig wäre es,
alle Anbieter gesetzlich zu Barrierefreiheit zu verpflichten, „damit keiner
einen Wettbewerbsnachteil hat“.
## Neuer Medienstaatsvertrag zu lasch
Eine Chance dafür wäre [10][der neue Medienstaatsvertrag], der den
bisherigen Rundfunkstaatsvertrag ablöst. Damit setzt Deutschland [11][die
audiovisuelle Mediendienst-Richtlinie (AVMD) der Europäischen Union] um,
Deadline ist hierfür September dieses Jahres. Ziel ist eine moderne und
zukunftssichere Regulierung von Medienanbietern und ihren Angeboten.
Doch die Anforderungen für barrierfreie Web-Angebote sind darin viel zu
lasch formuliert. Laut Paragraf 3 des Medienstaatsvertrags „sollen“
Anbieter*innen ihre Angebote barrierefrei gestalten, sind dazu aber nicht
gezwungen, [12][kritisiert der Gehörlosenbund]. „Diese Sichtweise, die
barrierefreien Zugang lediglich als einen Kostenfaktor betrachtet, ist
unserer Meinung nach verfassungsrechtlich bedenklich.“ Flächendeckende
Barrierefreiheit wird es in Deutschland also auch künftig nicht geben.
26 Jan 2020
## LINKS
[1] /Pkw-Maut-fuer-New-Yorks-Innenstadt/!5582233
[2] https://abc7news.com/deaf-man-sues-pornhub-over-lack-of-closed-captions/585…
[3] https://adata.org/learn-about-ada
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Pornhub
[5] https://www.jdsupra.com/legalnews/federal-ada-title-iii-lawsuit-numbers-568…
[6] https://fortune.com/2019/09/21/beyonce-lawsuit-website-ada-compliant/
[7] http://www.ard.de/home/die-ard/fakten/Barrierefreie_Angebote_der_ARD/403607…
[8] https://www.vau.net/barrierefreiheit/content/barrierefreiheit-privatfernseh…
[9] https://support.apple.com/de-de/HT202641
[10] https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/ModStV_MStV…
[11] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX%3A32018L1808…
[12] http://www.gehoerlosen-bund.de/sachthemen/barrierefreie%20medien
## AUTOREN
Denis Giessler
## TAGS
Sex
Pornofilm
Inklusion
Barrierefreiheit
Behindertenpolitik
Pornografie
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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