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# taz.de -- Die Wahrheit: Scotch für alle!
> Das geplagte Schottland wurde unschuldig in den Brexit-Strudel gerissen.
> Dabei passt es sehr gut zu Europa. Trotz Schottenrock und Dudelsack.
Bild: Die ganzen Single Malt können doch nicht von den Schotten allein getrunk…
Und, liebe Schotten, wie haben euch die ersten Tage geschmeckt fern von
Europa? Vermutlich so wenig wie uns euer Nationalgericht Haggis, bestehend
aus Schafsmagen gefüllt mit jede Menge definitely-you-don’t-want-to-know.
Gegen euren erklärten Willen wurdet ihr am 1. Februar 2020 aus der EU
ausgetreten. Jetzt seid ihr allein mit den engstirnigen Engländern, den
irren Nordiren und den wahnsinnigen Walisern. Dabei passt ihr eigentlich
besser zu uns: Clans gibt es auch in Europa und kleinkariert sind wir
sowieso. Schotten, wir gehören zusammen. Wir wollen uns weiterhin
problemlos an den Äußeren Hebriden operieren lassen können, ohne ein Visum
beantragen zu müssen.
Braucht ihr noch mehr Motivation für ein Referendum? Nun, wir wären bereit,
euch alles zu vergeben: eure dämlichen Kilts, die sämtliche
Geschmacksnerven killen. Der Schottenrock als solcher in Gestalt von
Links-, Rechts- oder Geradeausträgern wie den Simple Minds oder dem ewig
friedhofsblonden Rod Stewart, der ja selbst nicht einmal Schotte ist.
## Whisky nur für Singles
Wir brauchen auch nicht unbedingt den depressiven Ian Rankin, dessen
düstere Krimis alles über euch erzählen. Vergessen sind die
Dudelsackheimsuchungen schottischer Straßenmusiker. Wir verzeihen euch
sogar den Sieg im Weserstadion am 28. April 1999, als die deutsche
Nationalmannschaft unter dem zurecht kurzzeitigen Bundestrainer Erich
Ribbeck null zu eins verlor und damit die erste Niederlage einer deutschen
Elf gegen Schottland seit vierzig Jahren kassierte.
Wir sind auch nicht scharf auf euren Whisky, sei es Glenfiddich oder
Glencampbell, solange ihr den nur für Singles brennt. Was anderes ist es
natürlich mit dem köstlichen Wein, den ihr seit Beginn der Klimakatastrophe
keltert. Wobei: Bereits in der mittelalterlichen Warmzeit zwischen 950 und
1250 haben Wikinger in der Gegend von Inverdrunken Wein angebaut. Die nach
der Schlacht von Kirkdumbledee 1314 einsetzende Eiszeit zwischen Engländern
und Schotten vernichtete leider sämtliche Weinstöcke. Im 21. Jahrhundert
aber verschiebt sich nun das „Weinbaufenster“ um zehn Grad nach Norden. Der
2017er Braveheart Chardonnay mit garantiert drei Blaumachern schmeckt daher
erfrischend und doch belebend.
Worauf wir ebenso wenig verzichten möchten: Den legendären Loch Ness Café.
Nicht zu vergessen, das ganze schöne Erdöl vor euren Küsten.
Zähneknirschend würden wir uns im Gegenzug dafür einsetzen, die sogenannten
Highland Games olympiareif zu machen. Viele glauben zwar nicht an den
Highland, aber das ist ja nur eine Frage des Geldes. Im Klartext: Das
Werfen von Äxten, Hämmern und Strohsäcken sowie irgendwas mit Baumstämmen
ist auch nicht dümmer als ein Marathonlauf bei vierzig Grad Hitze.
## Verschattete Schotten
Ach, komm, schon, Nicola Sturgeon, du mit deiner Scottish National Party!
Anders als früher dürfte ein Referendum für die SNP kein großes Ding sein.
Eine Bank of Scotland habt ihr ja schon. Weitere Vorteile: Den Sitz der
Krone in Edinburgh, Schloss Holyrood, könntet ihr an Hollywood vermieten
und das königliche Schloss Balmoral zu Sozialwohnungen umbauen. Eure Scotch
Terrier müssten bei uns nicht länger in Quarantäne, und Sean Connery dürfte
Europäer bleiben.
Was hat Boris Johnson schon groß für euch getan? Ihm war es stets
wichtiger, mit seinem Pendant in Amerika Blondierungsgespräche zu führen.
Und jetzt wirft das United Kingdom einen dunklen Schatten auf die Schotten.
Von wegen United: Time to say goodbye, London, oder besser noch: Geht uns
aus der Sonne! Zeit für das Referendum. Schotten, wir brauchen euch und
verzichten dafür sogar auf vulgäre Wortspiele, zum Beispiel: Abschotten
oder Schottenkabinett. Gern geschehen.
(Anmerkung der Redaktion: Als erste Solidaritätsmaßnahme für Schottland
wird die Wahrheit heute vier Mitarbeiter in ein schottisches Gasthaus, das
in Berlin ansässig ist, entsenden, dort sollen sie unter schier
unmenschlichen Anstrengungen das neue Punk Indian Pale und die
Gastfreundschaft der Schotten testen. Slàinte mhath!)
7 Feb 2020
## AUTOREN
Thomas C. Breuer
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Schwerpunkt Brexit
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