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# taz.de -- Spannervideos bei Fusion Festival: (K)ein Ort für sexualisierte Ge…
> Auf der Fusion soll heimlich in Duschen gefilmt worden sein. Es ist der
> zweite bekannte Fall eines linken Festivals. Wie kann es Schutz geben?
Bild: Die Fusion sollte eigentlich ein Ort ohne Gewalt sein
Einmal im Jahr soll für vier Tage in Lärz, einem kleinen Ort in
Mecklenburg-Vorpommern, eine Parallelgesellschaft entstehen. „Ein Karneval
der Sinne, in dem sich für uns alle die Sehnsucht nach einer besseren Welt
spiegelt“, so schreiben es die Veranstalter*innen des [1][Fusion
Festivals], der Kulturkosmos Müritz e. V., auf ihrer Website. Doch, dass
auch linke Räume nicht frei von patriarchalen Strukturen und sexualisierter
Gewalt sind, zeigt sich aktuell an zwei Fällen.
Auf der Fusion sollen Menschen in Duschen gefilmt worden seien. Das geht
aus der [2][Stellungnahme des Kulturkosmos] hervor, die am Montagabend im
Forum der Fusion veröffentlicht wurde. Es handelt sich demnach um vier
Videos, die bei der Pornowebsite xHamster vom Nutzer „Hannes Lange“
(hanneshiddencam) hochgeladen wurden, vom 23. bis 28. Januar öffentlich für
alle Nutzer*innen einsehbar waren und 16.000 bis zu 37.000 Aufrufe hatten.
Die Kamera soll so platziert gewesen sein, dass die Körper von der Schulter
abwärts erkennbar waren, sowie mehrere Nahaufnahmen von weiblichen
Körperteilen gemacht wurden; Gesichter und Köpfe sollen auf den Aufnahmen
nicht zu sehen sein.
Das Erstellen und Weiterverbreiten solcher Videos ist in Deutschland eine
Straftat, eine schwerwiegende Verletzung der intimen Privatsphäre und kann
als sexualisierte Gewalt verstanden werden. Dass dies nun auf dem linken
Festival Fusion geschieht, ist nicht nur für die Betroffenen schlimm. Viele
Festivalgänger*innen der Fusion und die Veranstalter*innen sind
verunsichert und enttäuscht. Denn die Fusion möchte eine Alternative zu
vergleichbar großen Festivals wie Rock am Ring oder das Hurricane sein.
## „Vier Tage Ferienkommunismus“
Seit 1997 treffen sich die Festivalgänger*innen jährlich Ende Juni/Anfang
Juli auf einem ehemaligen russischen Militärflugplatz in der
mecklenburgischen Gemeinde Lärz. Was als kleiner Rave begann, ist
mittlerweile [3][ein Festival mit 70.000 Besucher*innen] unter dem Motto
„Vier Tage Ferienkommunismus“. Neben elektronischer Musik, Kino, Theater
und Diskussionen geht es bei dem Festival vor allem darum, eine
Alltagsflucht aus der kapitalistischen Gesellschaft anzubieten.
Das Line-up ist im Vorfeld nicht bekannt, das Essen vegetarisch oder vegan,
das Festival kommt ohne Werbung und Sponsoren aus und positioniert sich
klar gegen rechts. Es geht um Hedonismus, aber auch um ein politisches
Gegengewicht zu einer patriarchalen und immer weiter nach rechts
rutschenden kapitalistischen Gesellschaft. Es gibt einige kleine Festivals
in Deutschland mit einer ähnlichen Ausrichtung, doch keines in der
Größenordnung der Fusion.
Dass Spannervideos auftauchen, die auf einem linken Festival entstanden
sind, passiert nicht zum ersten Mal. Anfang des Jahres hatte das
Reportage-Format „Strg_F“ von Funk vergleichbare [4][Straftaten auf dem
linken Festival Monis Rache aufgedeckt]. Drei Jahre lang soll dort ein Mann
Frauen in Dixi-Klos gefilmt und diese Videos ebenso bei „xHamster“
hochgeladen, getauscht und verkauft haben.
Vom Umgang der „Monis Rache“-Organisator*innen mit dem Vorfall sind viele
Betroffenen und Festivalgänger*innen enttäuscht. Statt Anzeige gegen den
Täter zu erstatten, dessen Identität dem Festival bekannt ist, setzen die
Organisatori*innen auf ein „Transformative Justice“-Konzept. Sie versuchen
also, den Täter dazu zu bringen, Verantwortung zu übernehmen, anstatt ihn
anzuzeigen. Nur: Dieses Konzept wurde beschlossen ohne mit den mutmaßlich
Betroffenen zu sprechen. Auch äußerten sich die Organisator*innen von Monis
Rache zu dem Fall erst Monate später. Ihr Vorgehen war wenig transparent.
Viele Betroffene, so [5][berichtete es die taz], sehen in dem Umgang des
Festivals vor allem eines: Täterschutz. Mittlerweile hat die Polizei Anklam
Anzeige erstattet, das Verfahren liegt bei der Staatsanwaltschaft
Stralsund.
## Aufruf zum Anzeige erstatten
Und die Fusion? Die möchte anders als Monis Rache mit dem Vorfall auf ihrem
Festival umgehen. Durch eine anonyme E-Mail erfuhren die Veranstalter*innen
von den Videos, stellten dann umgehend mit Hilfe eines Anwaltes
Strafanzeige gegen Unbekannt und ließen die Videos löschen. Sie richteten
eine Mailadresse ein, an die alle direkt oder indirekt betroffenen Personen
schreiben können. Und bei Bedarf will die Fusion in Berlin ein
Vernetzungs-/Unterstützungstreffen organisieren, gemeinsam mit einem
anwaltlichen Beistand und der Fusion-Awareness-Crew. Letztere ist in den
vergangenen Jahren eingesetzt worden, um bei Belästigung und
Grenzüberschreitungen einzuschreiten und sich um die Betroffenen zu
kümmern.
Zudem ruft das Festival Menschen, die sich in den Videos erkannt haben,
dazu auf, Anzeige zu erstatten. Denn die Behörden würden erst aktiv werden,
wenn Anzeigen von Betroffenen eingegangen sind.
Seit Montagabend haben sich schon einige Leute bei der Fusion gemeldet,
jedoch keine, die sich auf den Videos erkannt haben, sagt Andrea Möller vom
Kulturkosmos gegenüber der taz. Das ist vor allem deshalb schwierig, da die
Videos nicht mehr Online stehen, und die Tausenden Personen, die womöglich
die Duschen genutzt haben, gar nicht wissen, ob sie überhaupt betroffen
sind. Erschwerend kommt hinzu, dass in dem offiziellen Statement der
Veranstalter*innen nicht steht, in welchem Jahr die Videos erstellt wurden.
Mittlerweile geht der Kulturkosmos aber davon aus, dass sie auf dem
Festival im Jahr 2019 aufgenommen wurden. Sie wollen das aus den Aufnahmen
der Duschen schließen, die zuvor renoviert wurden und sich bei der
Bachstelzenbühne befinden sollen. Es handelt sich dabei um zwei Container,
in denen es jeweils fünf abschließbare Duschkabinen nebeneinander gibt. Um
die Duschenden zu filmen, muss man den engen Vorraum des Containers
betreten. Die Veranstalter*innen gehen davon aus, dass die Kamera in einer
abgestellten Rucksack oder ähnlichem platziert war.
Zu klären ist nun, ob der Täter von Monis Rache, der in linken Kreisen
bekannt ist, auch der Filmer der Fusion ist. Möller sagte, dass sie noch
nicht wissen, wer der Täter ist. Sicher sei aber, dass der Täter von Monis
Rache nicht zu ihrem Organisationsteam gehört und die vergangenen zwei
Jahre auch nicht auf der Fusion gearbeitet hat. Ob er als Gast anwesend
war, wissen sie nicht.
## Zwischen Freiraum und Schutzraum
Auf zwei linken Festivals hat es nun also nachweislich Vorfälle
sexualisierter Gewalt gegeben. Wie kann der Wunsch nach Freiraum für alle
in Zukunft mit dem Bedürfnis eines Schutzraumes – vor allem für Frauen –
vereinbart werden? Wie kann verhindert werden, dass Täter
Festivalgänger*innen heimlich filmen und die Videos auf Pornowebseiten
weiterverbreiten? Können Taschenkontrollen vor Sanitäranlagen helfen?
Braucht es mehr Security?
Die Fusion kündigt für ihr Festival Ende Juni neue „Vorsichts- und
Kontrollmaßnahmen“ an. Wie diese konkret aussehen, steht zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht fest. „Doch es wird keine totale Überwachung auf dem
Fusion Festival geben, das ist schon mal klar. Einen allumfassenden Schutz
gibt es in unserer Gesellschaft nicht“, sagt Möller vom Kulturkosmos. Bei
der Fusion nehme man das Problem trotzdem ernst, und man wolle sich neue
Strategien erarbeiten. Dazu gehört auch, dass das schon bestehende
Awareness-Team vergrößert werden soll.
Das ist jetzt schon deutlich mehr als von den Veranstalter*innen von Monis
Rache zu hören war, der Kulturkosmos Müritz scheint die mutmaßlich
Betroffenen ernst zu nehmen – ein erster und wichtiger Schritt. Doch ob das
reicht, um sexualisierte Gewalt auf linken Festivals zu erkennen und
gänzlich zu verbannen? Was nun stattfinden muss, ist die Einsicht, dass
auch linke Festivals nicht frei sind von Gewaltstrukturen. Und es braucht
eine Abkehr von Machostrukturen – in der Gesellschaft, aber auch
insbesondere bei Festivals. Die Freiheit für die einen, darf keine
Schutzlosigkeit für andere bedeuten.
Hinweis: In einer ersten Version hieß es, dass die Videos auf xHamster 300
bis 500 Aufrufe hatten. Die Zahl ging aus der Stellungnahme der Fusion
hervor. Mittlerweile haben die Veranstalter*innen in einer aktualisierten
Stellungnahme die Anzahl der Aufrufe korrigiert. Wir haben die neue Zahl in
diesem Text angepasst.
4 Feb 2020
## LINKS
[1] /Die-Zukunft-des-Musikfestivals/!5595050
[2] https://forum.kulturkosmos.de/viewtopic.php?f=39&t=28956&p=118529#p…
[3] /Fusion-Festival-in-Laerz/!5603969
[4] /Die-Zukunft-des-Musikfestivals/!5595050
[5] /Nach-Spannervideos-bei-linkem-Festival/!5655714
## AUTOREN
Carolina Schwarz
## TAGS
Schwerpunkt #metoo
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Fusion
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Feminismus
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