# taz.de -- Erstmals eine Chefin bei der DFG: Popularität und Integrität | |
> Katja Becker hat ihr Amt als Präsidentin der Deutschen | |
> Forschungsgemeinschaft angetreten. Eine Premiere: Sie ist die erste Frau | |
> auf diesem Posten. | |
Bild: Die neue DFG-Chefin Katja Becker beim Neujahrsempfang | |
Mit besonderer Theatralik startet die [1][neue Chefin der Deutschen | |
Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker,] in ihr erstes Amtsjahr. Im | |
Rahmen der Kampagne „DFG2020“ wird das Berliner Theaterkollektiv Kompanie | |
Kopfstand mit einem Kleinbus durch Deutschland touren, um der Bevölkerung | |
in Mitmachaktionen die „Wissenschaft“ nahezubringen. | |
Auf diese Weise sollen „gerade auch diejenigen erreicht werden, die bislang | |
nur wenig mit Wissenschaft in Berührung gekommen sind“, erklärte die | |
DFG-Präsidentin in dieser Woche auf dem Neujahrsempfang ihrer Organisation | |
in Berlin. „Wir wollen die Begeisterung für die Potenziale der Wissenschaft | |
vermitteln, aber auch ihre Arbeitsweise und ihre Grenzen erklären.“ | |
Die bisher an der Uni Gießen tätige Biochemikerin und Medizinerin war im | |
vorigen Jahr als erste Frau an die Spitze der größten deutschen | |
Forschungsfördereinrichtung gewählt worden. Die DFG verteilt jährlich 3,2 | |
Milliarden Euro staatliche Forschungsgelder in wissenschaftlicher | |
Selbstverwaltung an über 30.000 Projekte in den deutschen Hochschulen. | |
Becker, bisher auch DFG-Vizepräsidentin, löste zur Jahreswende den | |
Münchener Historiker Peter Strohschneider nach dessen siebenjähriger | |
Amtszeit ab. | |
Mit der neuen Kampagne wird die bisherige Aktionsreihe zur | |
Wissenschaftsfreiheit, die sich letztes Jahr auf den Raum der engeren | |
Wissenschaftspolitik beschränkte, nunmehr in die breite Bevölkerung | |
ausgerollt. Unter dem Slogan „Für das Wissen entscheiden“ soll der | |
Gesellschaft der „Wert freier Wissenschaft“ vermittelt werden. Nicht | |
desinteressiert-neutral oder gar ablehnend sollten sich die Bürger zur | |
Wissenschaft verhalten, sondern sich auf die Seite der Forscher schlagen. | |
„Leider ist die Freiheit der Wissenschaft nicht mehr und nicht überall | |
selbstverständlich, obwohl sie durch die globalen Herausforderungen wie | |
Klimawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit und Bevölkerungswachstum | |
immer wichtiger wird“, sagte Becker zu der Aktion. | |
## Luftballons mit Laienfragen | |
Die „Expedition“, die auch in den sozialen Medien stattfindet | |
[2][(#fürdaswissen)], startet im April in Hamburg, als weitere Orte sind | |
unter anderem Bad Münstereifel, Zeche Zollverein in Essen und Sankt | |
Peter-Ording geplant. Transparente Kapseln werden zum Begegnungsort von | |
Bürgern, Forschern und Künstler; der Bus mutiert zum Kino, garniert mit | |
Musik und Soundcollagen. Beim Probeevent in Berlin wurden Luftballons mit | |
Laienfragen beschriftet: „Warum schneit es nicht mehr in Berlin?“ | |
Wesentliches Ziel der Forschungsreise sei es, nicht nur in gewohnter Weise | |
Antworten der Wissenschaft ins Volk zu vermitteln, erklärte Theatermacherin | |
Julia Dihl: „Wir gehen einen anderen Weg, halten das Ohr ins Land und | |
fragen, wie sich das Verhältnis der Menschen zur Wissenschaft gestaltet.“ | |
Für die gesamte Kampagne gibt die DFG eine Million Euro aus. | |
Historischer Aufhänger ist ein Jubiläum. Vor 100 Jahren, 1920, wurde die | |
Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft gegründet, um der nach dem Krieg | |
finanziell klammen Forschung mit Spendengeldern aus der Wirtschaft auf die | |
Beine zu helfen. Daraus ist der heutige Stifterverband für die Deutsche | |
Wissenschaft entstanden. Die DFG gründete sich formell einen Weltkrieg | |
später, 1949. | |
In ihrer ersten Rede als DFG-Präsidentin fand Katja Becker bemerkenswerte | |
Worte zur Vergangenheit. „Wir dürfen niemals vergessen, dass in den 30er | |
und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts zu der sogenannten | |
wissenschaftsgeleiteten Forschungsförderung auch national-völkisches | |
Denken, unumwundener Rassismus und ein Pathos radikaler Sachlichkeit | |
gehörten“, sagte Becker. „Daraus erwuchs eine kalte, menschenferne | |
Wissenschaft, die ‚verbrecherische Humanexperimente‘ im Dienste einer | |
faschistischen Politik durchführte, aber auch aus eigenem Antrieb.“ | |
Die „menschenverachtende Barbarei der Nazis“ sei in Teilen auch | |
„wissenschaftsgeleitet“ gewesen. Für die Gegenwart bedeute dies, dass | |
„wissenschaftsgeleitete Forschungsförderung nur so gut ist, wie die | |
Wissenschaft integer ist, wie wir selbst als Wissenschaftlerinnen und | |
Wissenschaftler an unserer Integrität arbeiten“. | |
18 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlen-der-Forschungsorganisationen/!5609463 | |
[2] https://twitter.com/search?q=%23f%C3%BCrdaswissen&src=typd | |
## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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