# taz.de -- Gewalt zu Silvester in Leipzig Connewitz: „Eine riesengroße Dumm… | |
> In Leipzig wird ein Mann wegen der Connewitzer Silvester-Krawalle | |
> verurteilt. Mit dem angeblichen Mordversuch an einem Polizisten hat er | |
> aber nichts zu tun. | |
Bild: Im Gerichtssaal des Leipziger Amtsgerichts | |
LEIPZIG taz | Satpal A. blickt den Richter an, schüttelt den Kopf. „Ich | |
weiß nicht, was mich geritten hat.“ Er sei das erste Mal zu Silvester am | |
Connewitzer Kreuz gewesen, allein, habe Bier getrunken, erzählt der Mann | |
mit den langen Locken, seine Hände in den Pulloverärmeln vergraben. Dann | |
seien da diese Polizisten vorbeigerannt, von denen er einem ein Bein | |
gestellt hat. „Eine riesengroße Dummheit. Es tut mir wirklich leid.“ | |
Satpal A. sitzt am Mittwochmorgen im Saal 100 des Leipziger Amtsgericht, | |
dem größten im Haus. Drinnen drängelt sich die Presse. Auch etliche | |
ZuschauerInnen, die nach linker Szene aussehen, sind da. Das Interesse | |
kommt nicht von ungefähr: Denn nur eine Woche zuvor stand Satpal A. noch | |
wenige hundert Meter entfernt auf der Straße – in der [1][Silversternacht | |
am Connewitzer Kreuz] in Leipzig. | |
Damit gehört der 27-Jährige zu einem Abend, der inzwischen bundesweit | |
diskutiert wird. Denn dort griffen Anwesende mehrere Polizisten an, ein | |
Beamter wurde bewusstlos getreten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen | |
versuchten Mordes, Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer spricht | |
von linkem Terror. [2][Feiernde wiederum beklagen Polizeigewalt], auch ein | |
Festgenommener landete stationär im Krankenhaus. | |
Dass Satpal A. nun bereits vor Gericht steht, verdankt er einem | |
beschleunigten Verfahren. Das kann bei vermeintlich klarer Beweislage | |
geführt werden, Sachsen forciert solche Prozesse. Zwölf Personen nahm die | |
Polizei in der Silvesternacht fest, vier erhielten einen Haftbefehl. Einer | |
davon ist Satpal A. Niemandem der zwölf wird indes der Mordversuch | |
vorgeworfen. Bei ihnen geht es vor allem um Flaschen- und Böllerwürfe auf | |
Polizisten im Nachgang. | |
## Der Angeklagte gehört nicht zum autonomen Spektrum | |
Bei Satpal A. war es das Beinstellen. Mit der Tat, verübt gegen 1 Uhr, habe | |
er einen Polizisten tätlich angegriffen und eine Körperverletzung begangen, | |
verliest der Staatsanwalt die Anklage. Der Beamte spricht selbst als Zeuge, | |
er war Teil einer Festnahmeeinheit. Fast im Sprint sei er gelaufen, habe | |
den Angeklagten noch im Augenwinkel gesehen, dann sei er „volle Kanne in | |
den Boden eingerastet“. Ein Knöchel sei geschwollen, am Unterarm habe er | |
ein Hämatom. | |
Satpal A. hat die Tat da schon eingeräumt. Ja, er habe das Bein gestellt, | |
sagt er. Er könne sich das auch nicht mehr erklären. Schnell wird klar: Zum | |
autonomen Spektrum gehört dieser Angeklagte nicht. | |
Gilt dort die Devise, keine Aussage vor Polizisten oder Richtern zu machen, | |
erzählt der 27-Jährige sofort bereitwillig. Er sei ein Straßenkünstler, ein | |
Jongleur, berichtet er dem Richter. In Sachsen geboren, nach dem | |
Hauptschulabschluss mehrere Jahre durch Europa gereist, zuletzt in Leipzig | |
gelandet, bei einer Freundin. | |
Am Connewitzer Kreuz sei er gewesen, um eben Silvester zu feiern, sagt | |
Satpal A. Viel Polizei sei dort gewesen, ein Beamter habe einen Mann | |
getreten. Habe er deshalb dem Polizisten das Bein gestellt? Der Angeklagte | |
verneint. Warum er sonst die Tat beginn, kann er nicht begründen. „Ich weiß | |
es nicht.“ Er sei betrunken gewesen, habe nicht nachgedacht, sagt A. An den | |
Polizisten wendet er sich direkt: „Ich will mich auf jeden Fall | |
entschuldigen, dass ich das getan habe.“ | |
## Geburtstag in U-Haft | |
Schon direkt nach der Tat wurde der zuletzt Arbeitslose festgenommen. Wegen | |
des fehlenden festen Wohnsitzes saß er bis zum Prozess in U-Haft, | |
verbrachte dort auch seinen jüngsten Geburtstag. Indes: Was der 27-Jährige | |
sich hat zuschulden kommen lassen, geschah weit später als die Tat, die nun | |
als Mordversuch gilt und über die jetzt alle reden. In dem Zusammenhang | |
habe man A. nicht gesehen, bestätigen auch die zwei Polizeizeugen. | |
Auch deshalb, und weil Satpal A. nicht vorbestraft ist, plädiert sein | |
Verteidiger nur für eine Geldstrafe. Der Staatsanwalt fordert dagegen eine | |
sechsmonatige Freiheitsstrafe. Dem schließt sich Richter Uwe Berdon an. Die | |
sechs Monate setzt er auf zwei Jahre Bewährung aus, zudem muss Satpal A. 60 | |
Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. „Ich bin überzeugt, Sie werden so | |
etwas nicht wieder tun“, sagt Berdon. Dennoch habe er eine Straftat | |
begangen, einen Polizeieinsatz behindert und das staatliche Gewaltmonopol | |
infrage gestellt. | |
Satpal A. atmet sichtlich auf. „Ich bleibe auf jeden Fall straffrei“, | |
versichert er dem Richter sofort. A. lächelt, nimmt noch im Gerichtssaal | |
das Urteil an. Sein Haftbefehl wird aufgehoben. Auch sein Verteidiger zeigt | |
sich zufrieden. | |
Was genau indes bei dem Angriff passierte, bei dem ein Beamter bewusstlos | |
zurückblieb, bleibt noch zu klären. Ein Augenzeugenvideo, das die taz | |
veröffentlichte, zeigt mehrere vermummte Täter. | |
Die Polizei räumte nach einem taz-Bericht bereits ein, dass der Beamte | |
nicht notoperiert werden musste. Auch ein brennender Einkaufswagen wurde | |
nicht, [3][wie anfangs ebenso behauptet], „mitten in eine Einheit | |
Bereitschaftspolizisten“ geschoben. Nach den Angreifern auf den Polizisten | |
suche man bisher erfolglos, sagte eine LKA-Sprecherin am Mittwoch der taz. | |
Auf einen Zeugenaufruf habe sich bisher niemand gemeldet. | |
8 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Angriff-auf-Polizei-in-Leipzig/!5649887 | |
[2] /Gewalt-Nacht-in-Connewitz/!5650283 | |
[3] /Polizeiberichte-ueber-Leipzig-Connewitz/!5650504 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Leipzig-Connewitz | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Linksextremismus | |
Silvester | |
Leipzig-Connewitz | |
Leipzig-Connewitz | |
Leipzig-Connewitz | |
Leipzig-Connewitz | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
Rote Hilfe | |
Connewitz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sachsens Justizministerin über Terror: „Ich bin da zurückhaltender“ | |
Die neue grüne Justizministerin Katja Meier über die Silvesternacht in | |
Connewitz und die Wortwahl ihres Koalitionspartners CDU. | |
Silvesternacht in Connewitz: Anwälte erheben Vorwürfe | |
Nach der Connewitzer Silvesternacht beklagen Anwälte ein überzogenes | |
Vorgehen: Festgenommene würden zu lange festgehalten, Beweise seien mager. | |
Leipzig-Connewitz nach Silvester: Ein Kiez unter Beobachtung | |
Der Kampf um Connewitz war von Beginn an einer um Freiräume. Mit denen | |
könnte es nach der Silvesternacht endgültig vorbei sein, fürchten einige. | |
Links in Leipzig Connewitz: Links, linker, gelinkt | |
Leipzigs linke Szene ist unter Beschuss: Von linkem Terror wird gesprochen, | |
von einer heraufziehenden neuen RAF. Wie reagiert die Szene? | |
Polizeiberichte über Leipzig-Connewitz: Die Bösen sind immer die Linken | |
Lebensbedrohliche Gewaltszenarien und hinterhältige Angriffe: Wenn die | |
Polizei über ihre Arbeit berichtet, wird es schnell fantasievoll. | |
Rechtsbeistand für Linksradikale: Hilfe für die Roten | |
Trotz oder wegen einer Verbotsdebatte wächst die Rote Hilfe so stark wie | |
nie. Auch nach der Connewitz-Nacht ist der linke Verein im Einsatz. | |
Gewalt-Nacht in Connewitz: „Das war Wahnsinn“ | |
Nicht nur verletzte Beamte: Nach der Connewitz-Nacht klagen Feiernde über | |
rabiaten Polizeieinsatz. Die taz zeigt ein Video des Angriffs auf | |
Polizisten. |