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# taz.de -- Urteil gegen Journalisten in der Türkei: Nun auch die Nationalisten
> Sechs Journalisten der türkischen Zeitung „Sözcü“ wurden zu mehrjähri…
> Haftstrafen verurteilt. Dabei ist das Blatt relativ regierungsfreundlich.
Bild: Seit dem Putschversuch 2016 steht die türkische Presse unter Druck (Prot…
Istanbul taz | Ein Gericht in Istanbul hat sechs Journalisten der
regierungskritischen Zeitung [1][Sözcü] zu mehrjährigen Haftstrafen
verurteilt. So soll Chefredakteur Metin Yilmaz für dreieinhalb Jahre ins
Gefängnis, die anderen fünf Journalisten sollen zwischen zwei und drei
Jahren in den Knast.
Gegen den Eigentümer der Zeitung, Burak Akbay läuft noch ein paralleles
Verfahren, in dem das Urteil noch aussteht. Das Gericht sah es als erwiesen
an, dass die Zeitung die „Terrororganisation FETÖ“ unterstützt hat. FETÖ
steht für die die islamische Organisation Hizmet des Sektenführers
Fethullah Gülen, die in der Türkei als Drahtzieherin des
[2][Putschversuches vom Juli 2016] gilt. Fethullah Gülen lebt seit 1999 in
den USA und ist bislang nicht ausgeliefert worden.
Die Journalisten standen nun dafür vor Gericht, dass sie zur falschen Zeit
am falschen Ort ihre Arbeit gemacht haben. Als an jenem Nachmittag des 15.
Juli 2016 nämlich erste Putschgerüchte aufkamen und alle wissen wollten, wo
Präsident Erdoğan sich aufhält, fanden Sözcü-Journalisten heraus, dass
Erdoğan mit seiner Familie Urlaub in einem Hotel in Marmaris machte. Dieses
Hotel wurde etliche Stunden später, nachdem Erdoğan längst dort weg war,
von Putschisten angegriffen. Dafür macht die Staatsanwaltschaft nun Sözcü
zur Mitschuldigen.
## Alles andere als islamistisch
Dabei ist es ein schlechter Witz, ausgerechnet Sözcü Unterstützung der
Islamisten von Fethullah Gülens FETÖ vorzuwerfen. Sözcü ist ein
kemalistisches Hardcore-Blatt, also geradezu dogmatisch säkular, und
schwimmt im Übrigen auch auf genau der türkisch-nationalistischen Welle,
die auch etliche regierungsnahe Zeitungen erfasst hat.
Den [3][Einmarsch der Türkei in Nordsyrien] zum Beispiel hat das Blatt mit
derselben Jubelberichterstattung begleitet wie die regierungsnahe Presse.
Und gerade weil Söczü so ein nationalistisches Blatt ist, kann die Zeitung
sich an anderer Stelle viel herausnehmen und Erdogan erstaunlich offen
kritisieren.
Weil fast alle anderen großen Zeitungen mittlerweile direkt oder indirekt
von der Regierung kontrolliert werden und deshalb nur noch Propaganda
verbreiten, konnte Sözcü eine Lücke füllen und gehört jetzt zu den
auflagenstärksten Zeitungen der Türkei. Der Besitzer Burak Akbay ist ein
schillernder Geschäftsmann, der sich vor Jahren auch einmal in Deutschland
ins Gespräch brachte weil er versuchte, die Frankfurter Rundschau zu
kaufen.
Die jetzt verurteilten Journalisten sind noch auf freiem Fuß weil der
Anwalt der Zeitung Celal Ülgun gegen das Urteil Einspruch erhoben hat und
es nun eine Berufungsverhandlung geben wird.
## „Sözcü“ fällt aus dem Rahmen
Sözcü fällt bei der ansonsten betriebenen Verfolgung von Journalisten etwas
aus dem Rahmen. Mit den verurteilten [4][Cumhuriyet]-Journalisten oder dem
Personal der Birgün, Zeitungen als, die eher die Linke repräsentieren, hat
Sözcü nichts zu tun. Auch von verfolgten kurdisch-nahen Publikationen
halten sie sich fern.
Um so bemerkenswerter, dass nun auch Sözcü-Leute verurteilt wurden. Obwohl
insgesamt nach Aufhebung des Ausnahmezustandes im Sommer 2018 weniger
Journalisten in Haft sind, liegt die Türkei auf der Liste der
pressefeindlichsten Länder von Reporter ohne Grenzen immer noch auf Rang
157 von insgesamt 180 Ländern.
29 Dec 2019
## LINKS
[1] /Internationaler-Tag-der-Pressefreiheit/!5591912
[2] /Drei-Jahre-nach-dem-Putschversuch/!5612071
[3] /Tuerkische-Militaeroffensive-gegen-Syrien/!5632851
[4] /Cumhuriyet-Journalisten-frei/!5625953
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Pressefreiheit in der Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Fethullah Gülen
Türkei
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