Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hamburger FDP-Wahlkampf: Ein Platz in der Mitte
> Mit Prominenz aus Berlin läutet die FDP den Wahlkampf ein. Irgendwer muss
> ja die schweigende Mehrheit verteidigen gegen alles Schlechte, also:
> Linke.
Bild: Noch was frei? Hamburgs FDP markiert ihren Anspruch auf Plätze am bürge…
Hamburg taz | „Die Mitte lebt“, steht auf den Synthetiktragetaschen, die
über die Stuhllehnen hängen. Es sind gelbe Taschen, und [1][das mit der
Mitte] ist [2][der zentrale Claim] der Freien Demokraten zu den
Bürgerschaftswahlen am 23. Februar. Weil die Hamburger Wahlen nicht nur
früh im Jahr anstehen, sondern 2020 absehbar auch die einzigen auf
Landesebene sind, ist Parteiprominenz aus Berlin gekommen an diesem
Freitagabend. Ins backsteinerne Ambiente des ehemaligen Zollamts in die
Speicherstadt hat die FDP geladen zum [3][Auftakt, Pardon: „Stapellauf“],
für die „heiße Phase“ des Wahlkampfs. Da spricht erst mal die in der Stadt
gut bekannte Katja Suding, Landesvorsitzende mit Bundestagsmandat;
mitgebracht hat sie FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg, aber vor allem:
Parteichef Christian Lindner, der an diesem Abend den Headliner geben wird.
Eine Spitzenkandidatin für die wichtige, weil, so Lindner, absehbar „auf
Bundesebene ausgedeutete“ Hamburger Wahl gibt es natürlich auch: Anna von
Treuenfels, eigentlich Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und seit 2011
für die FDP in der Bürgerschaft. Mit dem leicht auf Stromlinie hin
getrimmten Namen korrespondiert eine andere in den Dienst der Kampagne
gestellte Vokabel: Eine „Rebellin“ ist demnach die 57-jährige Juristin und
dreifache Mutter: [4][„rebellisch, streitlustig und ohne Scheu vor
Kontroversen“], was auch die schwarz-weiß in Szene gesetzte Lederjacke auf
einigen der Plakate erklärt.
Das Image des Rebellischen speist sich im Fall von Treuenfelsʼ daraus, dass
sie, ehe sie 2009 der FDP beitrat, sozusagen außerparlamentarisch sich
Polit-Sporen verdiente: als Akteurin der [5][erfolgreichen
Anti-Schulreform-Initiative] „Wir wollen lernen“; im
[6][Bürgerschafts-Wahlprogramm] übrigens tritt die Schulpolitik jetzt als
erstes Thema auf, gleich nach der Einleitung.
## Facebook-Nutzer*innen-Furor
Die Rede von der Rebellion hallt am Freitagabend auch durch die
proppenvolle Stapellaufsause, zu der laut Lindner 400 Menschen gekommen
sind; [7][das Hamburger Abendblatt zählt sogar „fast 500“], hat dafür die
Fitnesstudio-Musik aber nicht mitbekommen, die vor Beginn des Ganzen im
Saal erklingt. Rebellion, das meint hier nämlich ein Aufbegehren gegen zu
viel Bürokratie, gegen zu wenig Mut – und gegen einen vermeintlichen
links-grünen Meinungsmainstream. Klingt nach Facebook-Nutzer*innen-Furor?
Ja, das tut es.
Noch deutlicher wird diese Stoßrichtung am Tag nach dem
Kampagnen-Stapellauf: Für Samstagmittag hat von Treuenfels zum Gespräch
über die Meinungsfreiheit eingeladen, ins Lokal „Bobby Reich“ an der
Außenalster. Diese Runde ist ungleich überschaubarer, keine zwei Dutzend
sind gekommen, der Altersschnitt ist noch etwas höher als am Vorabend. Und
hier spätestens wird klar, aus welcher Richtung sie droht, die Gefahr für
die freie Meinungsäußerung – von links.
Sicher: Ein um die Mitte sich mühendes Wahlprogramm nennt auch rechten und
religiösen Extremismus; Parteichef Lindner ringt sich bei seiner Rede vor
vollem Haus ein Bekenntnis „selbstverständlich“ auch gegen Rassismus und
Antisemitismus ab. Und eine Distanzierung von der AfD. Aber: Mit den
routiniert sich Empörenden da am rechten Rand, von dem man die nüchterne,
stumm unser aller Wohlstand erwirtschaftende Mitte so gerne säuberlich
getrennt zeichnet, mit den dauererregten Schreihälsen wirbt diese FDP
erkennbar um die Stimmen sich heimatlos fühlender Konservativer. Da
verbietet sich ja bei allem liberalen Bekenntniszwang jegliches, was diese
Zielgruppe wegtreiben könnte.
Also wird geliefert. Ja, am rechten Rand werde die Sprache immer verrohter,
aber vom linken her der „Meinungskorridor eingeengt“. Was im Fall Lucke
eine echte Diskussion wert war und ist – [8][auch in der taz übrigens] –,
schnurrt spätestens im sonnigen „Boby Reich“-Hinterzimmer zusammen darauf,
dass man heute ja nichts mehr sagen dürfe, ohne mit Widerspruch rechnen zu
müssen.
Als ein Anwesender kurz davor ist, die Unabhängigkeit [9][eines Richters]
infrage zu stellen, wird es der Kandidatin dann aber doch zu viel des
Populismus, und sie widerspricht. Dass sich der kleine, zivilisiert
ausgetragene Dissens ausgerechnet am Künast-Urteil entzündet, ist dabei von
besonderer Schönheit: So sehr sie der CDU abhanden gekommene Bürgerliche
umwirbt, so dringend ist die FDP in Hamburg ja darauf angewiesen, überhaupt
sichtbar zu bleiben als liberale Kraft – die Folge: Spott und Häme und hie
und da sogar auch mal ein Argument richten sich insbesondere gegen die
Grünen.
## Träume von Zweistelligkeit
Denn bei aller Zuversicht, die so ein Wahlkampfauftaktgedöns naturgemäß
verbreiten soll: Rechnerisch sind die Aussichten der Elb-Liberalen
[10][ziemlich überschaubar]. Der angereisten Prominenz fällt es zu, das
Ziel auszugeben: Zweistellig will man in die Bürgerschaft einziehen – und
mitregieren in einer „Deutschland“-Koalition, also mit SPD und CDU – als
liberale Juniorpartnerin, wohlgemerkt.
12 Jan 2020
## LINKS
[1] /Gruene-beim-Wahlkampf-in-Hamburg/!5650506/
[2] http://diemittelebt.hamburg
[3] https://twitter.com/fdphh/status/1215718363839762434/photo/1
[4] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article204111600/Wahlkampf-So-will-H…
[5] /!5138845/
[6] http://www.fdphamburg.de/wp-content/uploads/20191126_Bu%CC%88rgerschaftswah…
[7] https://www.abendblatt.de/hamburg/kommunales/article228111735/FDP-will-in-H…
[8] /Asta-Referent-ueber-die-Causa-Lucke/!5638967/
[9] /Journalismusforscherin-zum-Kuenasturteil/!5630154/
[10] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/wahl/buergerschaftswahl_2020/Umfrag…
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
FDP Hamburg
Wahlkampf
Hamburg
Christian Lindner
Bürgerschaftswahl
Wahl in Hamburg 2025
FDP Hamburg
FDP
Bündnis 90/Die Grünen
Kristina Vogt
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hamburgs FDP im Wahlkampffinale: Jubeln gegen liberale Angst
Hamburgs FDP rief, und Parteifreund*innen aus dem ganzen Bundesgebiet
kamen. Die kollektiv zur Schau gestellte Zuversicht war beinahe
überzeugend.
Hamburger FDP nach Thüringen-Debakel: Arsch auf Grundeis
Die Hamburger FDP bangt nach dem Thüringen-Debakel um den Einzug in die
Bürgerschaft. Mit Distanzierungen versucht sie zu retten, was zu retten
ist.
Die Wahrheit: Wettergegerbte Arbeitertypen
Brüder, zur Sonne: Liberalenchef Christian Lindner will die FDP
ausgerechnet als Partei der ehrlichen Malocher zu neuer Größe führen.
Grüne beim Wahlkampf in Hamburg: Mehr Rotary Club wagen
Die Grünen wollen der SPD das Bürgermeisteramt in Hamburg abjagen.
Katharina Fegebank setzt auf das liberale Bürgertum der Stadt.
Linke Senatorin über Kampfbegriffe: „Bremen wird nicht extrem regiert“
Die Linke Kristina Vogt ist Bremens Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und
Europa. Ein Gespräch über die Rede von der gesellschaftlichen Mitte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.