# taz.de -- Verpflichtungserklärung für Geflüchtete: Berlin springt ein biss… | |
> Das Land Berlin weist die Jobcenter an, Flüchtlingsbürg*innen nicht mehr | |
> zur Kasse zu bitten. Erledigt ist das Thema damit nicht. | |
Bild: Beatrix und Bernd Metzner mit Heba Abazeid, für die sie eine Bürgschaft… | |
Berlin taz | Bernd Metzner ist zufrieden – zumindest ein bisschen. „Wir | |
freuen uns, dass die Politik aktiv geworden ist und noch einmal Bewegung in | |
die Sache gebracht hat“, sagt der Rentner aus Teltow. Er und seine Frau | |
Beatrix hatten im Sommer 2015 gebürgt, [1][damit eine Syrerin und ihre | |
zweijährige Tochter sicher nach Deutschland kommen konnten]. Dafür sollten | |
sie später fast 26.000 Euro zahlen. Nun hat das Land Berlin eine Weisung an | |
die Jobcenter geschickt, damit den Metzners und anderen zumindest ein Teil | |
dieser Kosten erlassen wird. | |
„Es ist wichtig, dass diese Sache wieder ins öffentliche Blickfeld geraten | |
ist“, sagt Metzner. Die Berliner Weisung sei aber nur „ein erster Schritt.�… | |
Um zu verstehen, was den ehemaligen Gemeindemusiker stört, muss man | |
zunächst einen Blick auf die Vorgeschichte werfen. Bernd und Beatrix | |
Metzner hatten 2015 eine Verpflichtungserklärung für die Schwester ihres | |
aus Syrien stammenden Schwiegersohns unterschrieben, damit diese und ihr | |
Kind über das humanitäre Aufnahmeprogramm des Landes Berlin nach | |
Deutschland kommen konnten. Wie viele andere waren sie der Meinung, dass | |
ihre finanzielle Verpflichtung endet, sobald die beiden einen positiven | |
Asylbescheid in Händen halten. | |
Das Jobcenter sah es anders und fordert von ihnen nun rund 26.000 Euro | |
zurück. Denn nach ihrer Anerkennung hatte die Frau staatliche Leistungen | |
bezogen. Die Metzners klagten gegen die Forderung und [2][verloren | |
vergangene Woche vor dem Verwaltungsgericht]. | |
## Unterschiedliche Auslegungen | |
Als hunderte Menschen ab 2013 die Verpflichtungserklärungen unterschrieben, | |
war das Gesetz unbestimmt und sah eigentlich eine unbegrenzte Haftung vor. | |
Im Jahr 2016 schuf der Bundestag Klarheit: Unabhängig vom Asylverfahren | |
gelten Verpflichtungserklärungen seither für fünf Jahre, bei Altfällen wie | |
den Metzners für drei. Und so baten die Jobcenter zahlreiche Bürg*innen zur | |
Kasse. | |
[3][Rund 2.500 Zahlungsaufforderungen wurden deutschlandweit verschickt]. | |
Auch das Ehepaar Metzner bekam Post vom Jobcenter im Berliner Bezirk | |
Tempelhof-Schöneberg: Sie sollen 25.498,16 Euro zurückzahlen. Im Januar | |
2019 dann erklärte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), man habe für | |
die Altfälle eine „gute Lösung, die hilft“ gefunden. | |
Es erging eine Weisung an die Jobcenter: Das Ermessen sei „dahingehend | |
auszuüben, dass von einer Heranziehung abzusehen ist“. Dies gelte aber | |
nicht, wenn die Ausländerbehörde „nachweislich“ über die Dauer der | |
Verpflichtung aufgeklärt habe. Und damit wurde es für Berliner*innen | |
kompliziert; denn in der Hauptstadt unterschrieben die Bürg*innen neben dem | |
bundeseinheitlichen Formular auch eine Zusatzerklärung, die wie der | |
ursprüngliche Gesetzestext eine unbegrenzte Haftung vorsah. | |
Die Jobcenter in den verschiedenen Berliner Bezirken aber legen die Weisung | |
des Bundesarbeitsministeriums (BMAS) unterschiedlich aus. Viele hoben die | |
Erstattungsbescheide auf, die Bürg*innen sind damit aus dem Schneider. | |
Nicht so das für den Fall der Metzners zuständige Jobcenter in | |
Tempelhof-Schöneberg. Die Zusatzerklärung belege, dass ausreichend | |
aufgeklärt worden sei, argumentiert man dort – und fordert die Metzners | |
weiter zur Kasse. | |
## Aufatmen vor Weihnachten? | |
Nun stellt das Land Berlin klar: Bürg*innen, die eine Zusatzerklärung | |
unterzeichnet haben, sollen etwa Unterkunftskosten nicht mehr erstatten | |
müssen. „Viele Flüchtlingsbürgen haben Menschen vor Krieg, Folter und dem | |
Tod bewahrt und in vielen Fällen für viele Jahre eine erhebliche | |
finanzielle Last auf sich genommen“, erklärte am Donnerstag Berlins | |
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) und dankt den Menschen. | |
Auch sie selbst habe auf diesem Weg eine Angehörige einer aus Syrien | |
geflüchteten Familie unterstützt. Die Weisung des Bundes, in bestimmten | |
Fällen auf Rückerstattungen zu verzichten, sei aber nicht ausreichend. | |
„Deshalb macht das Land Berlin von seinem Weisungsrecht in Bezug auf die | |
kommunalen Leistungen Gebrauch“, erklärt Breitenbach. | |
In der Unterzeichnung einer Zusatzerklärung sei „keine ausreichende | |
Aufklärung“ darüber zu sehen, dass die Verpflichtung auch nach der | |
Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft fortbestehe, heißt es in der | |
Weisung, die der taz vorliegt. „Wir hoffen, dass einige Bürginnen und | |
Bürgen vor Weihnachten aufatmen können“, erklärt Breitenbach. Mit der | |
Weisung solle eine „einheitliche Rechtspraxis“ sichergestellt werden. | |
„Es gibt Hoffnung für meine Mandanten: Das Land Berlin hat erkannt, dass | |
sich aus der Zusatzerklärung keine Haftung begründen lässt“, sagt Jenny | |
Fleischer, die Anwältin der Metzners. Abgeschlossen ist der Fall für ihre | |
Mandant*innen damit allerdings nicht. | |
Denn die neue Weisung bezieht sich nur auf die Kosten, die Berlin selbst | |
getragen hat; also auf Kosten der Unterkunft, Heizung oder Leistungen für | |
Bildung und Teilhabe. Die Kosten für den Hartz-IV-Regelsatz aber werden vom | |
Bund getragen. Hier habe man keine Weisungsbefugnis, erklärt die | |
Senatsverwaltung. | |
Mit dieser Regelung werde ihren Mandant*innen nur etwa die Hälfte der | |
Kosten erlassen, sagt Anwältin Fleischer. Sie sieht deswegen das | |
Bundesarbeitsministerium und Hubertus Heil in der Pflicht. „Der Bund ist | |
nun im Zugzwang und muss die Jobcenter ebenfalls anweisen, von | |
Erstattungsforderungen abzusehen – auch wenn die Zusatzerklärung | |
unterzeichnet wurde.“ | |
19 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Verpflichtungserklaerung-fuer-Gefluechtete/!5645134 | |
[2] /Buergschaften-fuer-Fluechtlinge/!5649489 | |
[3] /Fluechtlings-Buergen-zur-Kasse-gebeten/!5563865 | |
## AUTOREN | |
Dinah Riese | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Flucht | |
Syrische Flüchtlinge | |
Geflüchtete | |
Bürgen | |
Schwerpunkt Flucht | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Flüchtlingshilfe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bürgschaften für Flüchtlinge: Behördenchaos macht Bürgen arm | |
Zwei Eheleute sollen 26.000 Euro zahlen, weil sie für eine Syrerin gebürgt | |
haben. Ihre Klage scheitert – auch wegen der uneinheitlichen Praxis in | |
Ämtern. | |
Verpflichtungserklärung für Geflüchtete: Bürgen zahlen drauf | |
Beatrix und Bernd Metzner hatten gebürgt, damit die Syrerin Heba Abazeid | |
nach Deutschland kommen kann. Nun sollen sie 26.000 Euro zahlen. | |
Flüchtlings-Bürgen zur Kasse gebeten: Helfer in Not | |
Jonny Neumann soll 14.000 Euro bezahlen, weil er Hanna Aljarada geholfen | |
hat. Das Geld verlangt das Jobcenter. Er ist nicht der einzige Betroffene. |