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# taz.de -- Nachruf auf Jan Fedder: Letzte Runde
> Die Trauerfeier für Jan Fedder findet nächste Woche im Michel statt. Den
> Abschluss bildet ein Autokonvoi über seinen geliebten Kiez.
Bild: Der Schauspieler Jan Fedder starb am 30. Dezember
Hamburg taz | Die vielleicht schönste, aber mit Sicherheit vielsagendste
Anekdote über Jan Fedder kann der Drehbuchautor Norbert Eberlein erzählen.
In einer Szene des „Großstadtreviers“, jener ARD-Vorabendserie, die Fedder
in Hamburg weltberühmt machte und im Rest der Republik zum Inbegriff des
Hamburger Jung, hatte Eberlein das Slang-Wort „Ische“ in Fedders Text
untergebracht, das wollte dem aber partout nicht über die Lippen kommen: Er
nannte seine Spielpartnerin konsequent „Lesche“.
In einem Nachruf seines Haussenders NDR erinnert sich Eberlein amüsiert
daran, beim Regisseur deswegen interveniert zu haben, doch der ließ seinen
Hauptdarsteller gewähren. Fedders Sprachschöpfung schaffte es in die Folge.
Am 30. Dezember 2019 ist Fedder gestorben, kommenden Dienstag – es wäre
sein 65. Geburtstag – wird er mit einer Trauerfeier im Michel gewürdigt.
„Logisch. Wo denn sonst?“, sagte Fedder 2018 in einem TV-Interview. Für
alle ohne Einladung wird die Trauerfeier von 13.45 Uhr an live im
NDR-Fernsehen übertragen.
Im Michel wurde Fedder getauft, konfirmiert und getraut, hier sang er im
Knabenchor und las später 14 Jahre lang an Heiligabend die
Weihnachtsgeschichte. Das eine Hamburger Wahrzeichen ist also eng mit der
Biografie des anderen verknüpft und eine Zeremonie dort entspricht Fedders
Popularität, und doch fühlt man sich an die Eberlein-Anekdote erinnert: Jan
Fedder schafft Fakten – und niemand wagt es, ihm zu widersprechen.
„Den König spielen immer die Anderen“, lautet eine alte Theaterweisheit,
die Erzählungen von Weggefährten zufolge auch am Set des „Großstadtreviers…
zu beobachten war. Nicht etwa der Regisseur bestimmte, wann die Szene im
Kasten und die Drehpause vorbei ist, sondern Fedder, der zudem mitunter
verkatert aufkreuzte, nicht viel von Textlernen hielt, sexistische Sprüche
von sich gab und auch schon mal Crewmitglieder anmotzte. Was anderen als
Fehlverhalten angelastet würde, holte König Jan nicht vom Thron, im
Gegenteil: Es festigte seinen Herrschaftsanspruch.
Als Fernsehschauspieler war Fedder vielbeschäftigt, gewann für seine Rolle
in der Siegfried-Lenz-Verfilmung „Der Mann im Strom“ 2006 den Deutschen
Fernsehpreis, drückte aber vor allem den Serien „Neues aus Büttenwarder“
und „Großstadtrevier“ seinen Stempel auf. Ein „Großstadtrevier“ vor J…
Fedder – fünf Staffeln immerhin – erscheint aus heutiger Perspektive
ähnlich schwer vorstellbar wie ein „Großstadtrevier“ nach Jan Fedder.
Jürgen Roland hat die stets menschelnden Krimi-Geschichten aus dem fiktiven
14. Revier Mitte der Achtzigerjahre erfunden, Fedder hat sie von 1990 an
vollendet.
Seine Figur des Dirk Matthies war das Herz, das die Serie mit Blut
versorgte. Dieser Streifenpolizist vom Kiez, für den die Redewendung „harte
Schale, weicher Kern“ erfunden zu sein scheint, wirkte so real, dass Kinder
nach ihm benannt wurden wie nach einem Freund der Familie: „Matthies“
wohlgemerkt, nicht „Jan“.
Und „Tagessschau“-Sprecherin Judith Rakers erzählt in dem NDR-Nachruf, sie
sei in der ersten Zeit in Hamburg „geradezu enttäuscht“ gewesen, wenn ein
Streifenwagen neben ihr an der Ampel hielt und nicht Dirk Matthies darin
saß.
## Stammgast in den Kneipen von St. Pauli
Als Fedder der Part, der zur Rolle seines Lebens werden sollte, angeboten
wurde, war er zunächst gar nicht begeistert. Er hatte zuvor „nur
Drogenabhängige, Rocker und Gangster gespielt“, wie er selbst sein früheres
Rollenfach mal umriss, und fürchtete, sich auf St. Pauli nicht mehr sehen
lassen zu können. Und das wäre für ihn die Höchststrafe gewesen.
In den dortigen Kneipen und Bars war er Stammgast und schaute dabei dem
Leben ab, was er für seine Rollen brauchte. Da ist es nur konsequent, dass
ein Autokonvoi mit Fedders Sarg über den Kiez die Trauerfeier abschließen
soll – eine letzte Runde gewissermaßen.
Dass Jan Fedder sich allen Befürchtungen zum Trotz weiter auf St. Pauli
sehen lassen konnte, ja eine Art Volksheld wurde, lag daran, dass er viel
von seinem Lebensstil auf diese Polizistenfigur übertrug: das Eigensinnige,
Nonkonformistische, Raubeinige, aber auch Warmherzige. Auf der Trauerfeier
kommenden Dienstag soll neben dem scheidenden NDR-Intendanten Lutz Marmor
auch Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer reden. Beide, könnte man
sagen, haben ihren besten Mann verloren, einen, der Großes für die
Reputation ihrer Institutionen geleistet hat.
## „Hauptberuflich bin ich Mensch“
Bei aller Arbeitswut hat Fedder stets Wert darauf gelegt, nur im Nebenjob
Schauspieler zu sein. „Hauptberuflich bin ich Mensch.“ Es gibt wohl wenige
Berufe, die so fremdbestimmt sind wie der des Schauspielers, der besetzt
und eingekleidet wird, um dann unter Anleitung aufzusagen, was ihm zuvor
aufgeschrieben wurde.
Der große Volksschauspieler Jan Fedder wird wohl nicht zuletzt deswegen von
seinem Publikum so verehrt, weil ihm allem Anschein nach – zumal in diesem
Beruf – gelungen ist, was alle anstreben, aber nur die wenigsten erreichen:
ein freier Mensch zu sein.
11 Jan 2020
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
Hamburg
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St. Pauli
Trauerfeier
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Schauspieler
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